Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt:Das große Graben

Parallel zur Arbeit an der zweiten Stammstrecke sind am Hauptbahnhof gleich mehrere Baustellen angekündigt. Der städtische Koordinator Stefan Bauer warnt beim Verein Südliches Bahnhofsviertel vor massiven Störungen

Von Birgit Lotze, Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt

Baugrube HBF

Gut abgeschirmt ist die Baustelle für die zweite Stammstrecke am Hauptbahnhof.

(Foto: Florian Peljak)

Etwa ein Fußballfeld groß ist die Baulücke für die Station Hauptbahnhof an der zweiten Stammstrecke. Trotz des Ausmaßes haben die Bauarbeiten und das Drumherum bislang kein großes Aufsehen erregt. Mitglieder des Vereins Südliches Bahnhofsviertel äußerten sich vielmehr bei einer Informationsveranstaltung sehr zufrieden mit der Koordination der Baustelle. "Der Verkehr funktioniert so einigermaßen, eigentlich so wie vorher. Zwar nicht besser, aber auch nicht schlimmer", sagte der Vereinsvorsitzende Fritz Wickenhäuser vor Vertretern der Deutschen Bahn und Vereinsmitgliedern.

Doch die Verkehrslage könnte sich dort in einigen Wochen gravierend ändern. Stefan Bauer, Baustellenkoordinator der Stadt München, hat bei dem Treffen den Verein Südliches Bahnhofsviertel, in dem vor allem Geschäftsleute, Hoteliers und Anwohner organisiert sind, vorgewarnt. "Am Hauptbahnhof prallen bald alle aufeinander", sagte er. Denn unabhängig von der Arbeit an der zweiten Stammstrecke - Bauer nennt sie eine "Inselbaustelle" - würden weitere Baustellen rund um den Hauptbahnhof eingerichtet, die massive Beeinträchtigungen - besonders im April und danach - befürchten ließen. Für die Münchner jedenfalls seien die Auswirkungen dieser angekündigten Verkehrsbaustellen "ungleich dramatischer" als die zweite Stammstrecke. Die Landeshauptstadt habe für deren Koordination eigens einen Arbeitskreis eingerichtet, der bis ins Jahr 2030 einsatzbereit bleiben soll.

Straßenbaustellen, die im April rund um den Hauptbahnhof aufgebaut werden

Auch die Paul-Heyse-Unterführung wird womöglich in der Zukunft nicht oder nur teils durchfahrbar sein.

(Foto: Florian Peljak)

Es gibt jetzt bereits Absperrungen in der Nähe, die abschnittsweise verlegt werden. So wird auf der Marsstraße und der Elisenstraße zwischen Luisen- und Seidlstraße seit Januar am Fernwärme- und Fernkältenetz gearbeitet. Anfang April soll dann der Bahnhofplatz bis Jahresende weitgehend gesperrt werden: Vor dem Elisenhof wollen die Stadtwerke München (SWM) im Kreuzungsbereich die Trambahngleise erneuern, ebenso auch die Gleise zwischen Hauptbahnhof und Karlstraße. Die Stadtwerke sprechen von der "mit Abstand größten Baumaßnahme", die zum Ausbau und Erhalt des Münchner Trambahnnetzes aktuell geplant sei. Der gesamte Um- und Neubau ist auf zwei Jahre angesetzt. Dabei wird auf dem Bahnhofplatz ein drittes Gleis angelegt. Außerdem stellen die SWM eine Gleisverbindung von der Arnulfstraße durch die Prielmayerstraße her. Das bedeutet, dass man nach dem Ausbau mit den Linien 16 und 17 vom Romanplatz geradeaus zum Stachus durchfahren kann. Das sei wichtig, um den Betrieb auch bei Störungen am Bahnhofplatz oder in der Bayerstraße aufrechtzuerhalten. Informationen wollen die SWM dazu Ende März herausgeben. Die Tramlinien 16, 17, 19, 20 und 29 müssten jedenfalls während der Bauzeit rund um den Hauptbahnhof umgeleitet oder unterbrochen werden. Von Mitte Juni an sei auch die Prielmayerstraße dicht.

Auch die Paul-Heyse-Unterführung ist in den kommenden zwei Jahren nur eingeschränkt nutzbar. Zwar hat die Stadt für die geplante große Sanierung noch kein Datum angesetzt, doch die Fahrbahn muss "minimal ertüchtigt werden", sagte Bauer bei dem Informationstreffen. Dabei sei mit gelegentlichen nächtlichen Sperrungen in Richtung Süden zu rechnen. Von 2021 an sollen laut Stefan Bauer dann die Stadtwerke auch durch die Unterführung Fernkälteleitungen legen. Um die Stromautobahnen in den Untergrund zu bringen, seien dann auch dort Sperrungen in eine Richtung notwendig.

Straßenbaustellen, die im April rund um den Hauptbahnhof aufgebaut werden

Große Probleme könnten geplante Baustellen und Sperrungen im Umfeld des Hauptbahnhofes verursachen. Wie am Bahnhofplatz oder hier an der Arnulfstraße.

(Foto: Florian Peljak)

Auch im Süden des Hauptbahnhofs sind Straßenbauarbeiten wegen der Fernkälteleitung geplant: Von April an bis Ende des Jahres - mit einer Pause zur Wiesnzeit - soll die Schwanthalerstraße zwischen Paul-Heyse-Straße und Sonnenstraße abschnittsweise aufgerissen werden. Die Schwanthalerstraße werde während der Bauzeit zur Einbahnstraße in Richtung Zentrum, kündigte Bauer an. Problematisch für den Verkehrsfluss könnten auch weitere Arbeiten auf der Verlängerung der Paul-Heyse-Straße nach Süden hin werden - auf der Herzog-Heinrich-Straße. Auch dort soll es im April losgehen. Der Verkehr Richtung Norden wird dann, so die Ankündigung der Stadt, über die Goethestraße geleitet.

Und dann ist da noch der Schwertransport, der in den kommenden Wochen erwartet wird, und Bauer Sorgen bereitet. "Der größte jemals in München", sagte der Koordinator auf der Infoveranstaltung: Zwei Gasturbinen, die größere 90 Meter lang, die das Heizkraftwerk Süd anliefern lässt, werden voraussichtlich eines Nachts Ende März über die Leopoldstraße, den Stachus und die Schwanthalerstraße zur Theresienwiese und weiter zur Schäftlarnstraße chauffiert.

Straßenbaustellen, die im April rund um den Hauptbahnhof aufgebaut werden

Auf der Schwanthalerstraße dürfte der flüssig fließende Verkehr seltener werden.

(Foto: Florian Peljak)

Stefan Bauer sieht jedenfalls die Baustellenkoordination vor großen Herausforderungen und machte vor den Anliegern des Hauptbahnhofs auch keinen Hehl daraus. Er hoffe, dass alles reibungslos über die Bühne gehe, sagte er. Seine Befürchtung ist, dass es schlimmer kommen könne, als derzeit angenommen. Denn für private Baustellen sei der städtische Koordinator nicht zuständig. Doch davon sind eine ganze Reihe für die nahe Zukunft im Bahnhofsviertel angekündigt. Bauer erinnerte an das geplante Motel-One-Hotel mit 281 Zimmern an der Schillerstraße. Auch der Umbau des Königshofs an der Sonnenstraße soll erst 2021 beendet sein. Ein Riesenprojekt stehe unmittelbar um die Ecke an der Bayerstraße und der Paul-Heyse-Straße an: Dort soll aus dem früheren Postbank-Karree das Correo-Quartier werden. Der Komplex zieht sich bis zur Schwanthaler- und zur Mittererstraße und gilt mit 45 000 Quadratmetern Fläche als das größte Gewerbeprojekt in der Innenstadt.

Schwammerl-Schutt ist abtransportiert

90 000 Kubikmeter Schutt und Kies sind in den vergangenen Monaten aus dem südlichen Bahnhofsviertel abtransportiert worden, der Großteil davon vom Abbruch der Schalterhalle, des Parkhauses und des "Schwammerls", wie das Vordach des Hauptbahnhofs auch genannt wurde. Eine Fläche, hundert Meter lang und 45 Meter breit, wurde "freigeräumt", erklärt Jörg Mader, der die Kommunikation der DB Netz AG zum Bau der zweiten Stammstrecke betreut. Nach dem Abbruch wurde das Areal in den vergangenen Wochen als Baustelle für die zweite Stammstrecke vorbereitet. Kürzlich begannen die ersten Bauarbeiten.

Derzeit ist die Grube etwa kellertief, ausgehoben wird sie bis in mehr als 45 Meter Tiefe. Erstes Ziel ist, eine Wand aus Stahlbeton um die Grube herum zu errichten - die Außenhülle der späteren Station, die gleichzeitig wie ein Baugerüst wirkt. Die Wand besteht aus aneinandergereihten Schlitzen, die in den Boden gefräst und mit Beton aufgefüllt werden. 60 Bohrpfähle aus Stahl und Beton, bis zu 70 Meter lange Stützen, werden dafür zunächst in die Tiefe gerammt.

Die Wand soll die Baugrube an den Seiten umgeben. Im nächsten Frühjahr solle sie stehen, sagt Martin Wieser, der die Bauarbeiten am Hauptbahnhof für die zweite Stammstrecke leitet. Der gesamten Baugrube wird ein Deckel aufgesetzt, mit einem Loch, über das der weitere Aushub bis aus mehr als 45 Meter Tiefe herausgeholt wird.

Das erste Halbjahr mit 1400 Lkw-Ladungen Schutttransport verlief weitgehend beschwerdefrei, die Transporterzahl wurde laut Mader bereits heruntergefahren. Sie soll auch nicht wieder das Ausmaß von 2019 erreichen, sagt er. Dank der Tieflage der neuen Stammstrecke würden auch Lärm und Erschütterungen beim Tunnelbau fast nicht an der Oberfläche zu spüren sein.

Marienplatz, Hauptbahnhof, Ostbahnhof - drei große unterirdische Bahnhöfe werden für die zweite Stammstrecke angelegt. Für die Station Ostbahnhof kommt man voraussichtlich mit 16 Metern Tiefe aus. Die Station Hauptbahnhof ist mit 45 Metern die tiefstgelegene, ein paar Meter mehr als die neue unterirdische Station Marienhof. lo

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