Süddeutsche Zeitung

Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt:Abriss wirbelt viel Staub auf

Der Bezirksausschuss Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt fordert das sofortige Abschalten eines Prallbrechers auf der Baustelle des einstigen Postwohnheims

Von Birgit Lotze, Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt

Der Abriss des ehemaligen Postlerwohnheims an der Baaderstraße 86-90 läuft keinesfalls problemlos ab. Von "Riesenärger" ist im Bezirksausschuss Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt die Rede. Angeblich soll beim Abbruch gar kein, beim Zerkleinern der Bruchstücke zunächst viel zu wenig Wasser benutzt worden sein, was viel Staub im Viertel aufgewirbelt und die Anwohner aufgebracht habe. Inzwischen geht es um Lärm. Auf dem Grundstück arbeiten nicht nur mehrere Bagger, sondern auch ein sogenannter Prallbrecher, der Platten und andere Bauteile direkt an Ort und Stelle zermalmt. Im Betrieb soll der Brecher eine Lautstärke von 85 Dezibel (dB) erreichen. "Das ist wie ein kleines Kieswerk mitten im Wohngebiet", beschreibt Hans Goll, Orthopädie-Fachmann aus der angrenzenden Ickstattstraße, die Geräuschkulisse.

Anita Kuisle - sie wohnt an der Auenstraße und ebenfalls nahe der Baustelle - hat sich deshalb an die Stadtverwaltung gewandt. Der Lärm sei infernalisch, die Vibrationen noch in der Auenstraße zu spüren, die Abgasbelastung sehr hoch. "Ist es zulässig, eine solche Anlage in einem Wohngebiet zu betreiben?", fragt sie. Das Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) bejaht dies. Ein derartiger Prallbrecher dürfe bis zu zwölf Monate im Wohngebiet betrieben werden, ohne immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Zumindest, sofern nur Material von der eigenen Baustelle zerkleinert und dort auch wieder verfüllt werde. Das sei auf der Baustelle offensichtlich der Fall.

Der Bauherr habe mitgeteilt, so steht es im Antwortschreiben der Verwaltung an Anita Kuisle, dass er demnächst ein Lärmgutachten vorlegen werde, wonach der Brecher im Betrieb eine Lautstärke von 85 dB erreiche. Das Gutachten solle zeigen, dass er - laut Gesetz liegen die Grenzwerte im Wohngebiet bei 55 dB tagsüber und 45 dB nachts - nicht den erlaubten Wert übersteige. Der Bauherr gehe dabei von einem "Durchschnittswert" aus, seiner Meinung nach seien Werte über 24 Stunden zu mitteln, denn der Brecher werde nicht durchgehend genutzt, nachts gar nicht.

Das RGU hat die Interpretation des Grenzwertes offenbar akzeptiert, jedenfalls wurde der Betrieb des Prallbrechers nicht untersagt. Setze man ihn nicht ein, würden zehn bis 20 Lastwagen täglich den Schutt abtransportieren; sie würden viel Diesel verbrauchen und auch erheblichen Lärm emittieren, argumentiert das Amt zu Gunsten der Maschine. Außerdem wolle der Bauherr den Prallbrecher nur noch nächste Woche betreiben.

Ferdinand Heisig, Geschäftsführer der Immobilienagentur Heisig & Heisig aus Irschenberg und Bauherr des Projekts an der Baaderstraße, bestätigt der SZ: "Das Gröbste ist bald durch." Was den Lärm angehe, tue es ihm leid, wenn die Anwohner belastet würden, aber er verlasse sich auf das Abrissunternehmen, es sei zertifiziert, renommiert und habe unter anderem die CSU-Zentrale an der Nymphenburger Straße abgerissen. "Da müssen wir als Bauherren davon ausgehen, dass es den entsprechenden Vorschriften genügt."

Der Bezirksausschuss Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt hingegen hat die Stadt einstimmig aufgefordert, den Betrieb sofort zu stoppen und Bußgeldbescheide auszustellen. Überschreite der Bauherr die Begrenzung von 55 dB, dann arbeite er ohne Genehmigung. Die Argumentation mit "gemittelten Lärmwerten" sei "lächerlich", hieß es. Anwohnerin Anita Kuisle kritisiert die Sorg- und Tatenlosigkeit der Verwaltung. Der Verantwortliche für die Baustelle habe "sehr fantasievoll" die Vorschriften ausgelegt, und die Stadt lasse es geschehen - "unhinterfragt und ohne Kontrolle".

Der Abriss des ehemaligen Postlerwohnheims an der Baaderstraße rief von Anfang an Kritik und Unmut hervor - nicht nur bei Anwohnern und Lokalpolitikern, die vergeblich versuchten, ihn wegen Verschwendung von Ressourcen und lukrativer Zerstörung von Wohnraum zu verhindern. Das Haus hatte eine charakteristische bogenförmige Kontur und zählte zu den herausragenden Beispielen der Nachkriegsarchitektur in der Stadt. Jetzt soll es durch einen modernen Wohnkomplex, der sich am alten Erscheinungsbild orientiert, ersetzt werden. Das Gebäude war erst 30 Jahre alt. Die Post hatte ihr Wohnheim nach der Privatisierung verkauft, seitdem wurde es vorwiegend als Hotel genutzt. Der Investor will bis Mitte 2021 hochwertige Wohnungen neu bauen.

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Quelle:
SZ vom 05.09.2018
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