Ludwigsvorstadt:Im Hinterhof geht die Angst um

Die Bewohner der Fraunhoferstraße 13 befürchten nach einem Eigentümerwechsel, dass ihre Idylle zerstört wird - und Mieten, die sie sich nicht leisten können

Von Birgit Lotze, Isarvorstadt/Ludwigsvorstadt

Schauen sie in den Innenhof des Nachbarhauses, können die Mieter der Fraunhoferstraße 13 jetzt schon sehen, was ihnen droht: Dort steht als Rückgebäude ein neues luxuriöses Wohnhaus, weit mehr als doppelt so hoch wie die beiden Gebäude im eigenen Hinterhof. Ohne Gewerbe und ohne Flair. Nun wurde auch ihr Anwesen verkauft, die Fraunhoferstraße Nummer 13, eines der ältesten Häuser im Viertel, mehr als 185 Jahre alt. Der Käufer Jargonnant Partners sei eine große Fondsgesellschaft aus Luxemburg, die ausschließlich in Immobilienfonds investiere, sagen die Mieter.

Die Bewohner und Freischaffenden in den rund 20 Einheiten haben sich zu einer Mietergemeinschaft zusammengeschlossen, sie wollen zusammenstehen. "Wehren wir uns nicht, dann werden hier bald Lebenswelten, unser Biotop, zerstört - aus rein wirtschaftlichen Erwägungen", sagt der Grafikdesigner Jan Frankl. Er hat mit dem Gleichgesinnten Jo von Beust in einem der zwei Hinterhofgebäude den Verein Malort aufgebaut. Bei ihnen malen Eltern mit Kindern, ganze Schulklassen, Flüchtlinge. Sie machen Veranstaltungen zum Thema Bildung, im Malort haben Sing- und Meditationsgruppen eine Heimat, finden Trommel-Workshops und Filmvorführungen statt.

Ludwigsvorstadt: In Sorge, vertrieben zu werden: Unternehmen wie die Schneiderwerkstatt von Jonas Lebert.

In Sorge, vertrieben zu werden: Unternehmen wie die Schneiderwerkstatt von Jonas Lebert.

(Foto: Robert Haas)

Schon wieder ein Eigentümerwechsel im Glockenbachviertel, und auch diesmal befürchten die Mieter, so oder so vertrieben zu werden. Ingrid Deller, die im Vorderhaus seit 15 Jahren die "Wohnpalette" führt, einen Laden für Lampen, Papeterie und Porzellan, sagt, dass sich über drei Jahrzehnte eigentlich nur der Blumenladen an der Klenzestraße gehalten habe, die Inhaber der anderen Einzelläden hätten ständig gewechselt. Einer erheblichen Mieterhöhung wegen einer Luxussanierung, so fürchtet sie, könne sie auch nicht standhalten. "Schade", meint Ingrid Deller. Der Laden, die Hausgemeinschaft, der Hof - das alles liege ihr sehr am Herzen.

Im Hinterhaus geht nicht nur Angst um, sondern auch Wut. Einige rechnen mit dem Abriss der hinteren Flügel. Die Rückgebäude stünden anders als das Vorderhaus nicht unter Denkmalschutz. Ihr Hinterhof sei einer der schönsten und harmonischsten Innenhöfe des Viertels, findet Yasin Akgün, der seit elf Jahren dort als Experte für Wasseraufbereitung, Filtersysteme und Ionisierer fungiert. Und er liebt das Haus - "vor allem die Treppenaufgänge, die sehr rustikal und gut erhalten sind".

Ludwigsvorstadt: Der gemeinnützig arbeitende Malort von Jo von Beust und Jan Frankl (v. li.) könnte bei hohen Mieten nicht im Stadtzentrum überleben.

Der gemeinnützig arbeitende Malort von Jo von Beust und Jan Frankl (v. li.) könnte bei hohen Mieten nicht im Stadtzentrum überleben.

(Foto: Robert Haas)

Wütend sind die Mieter, weil der Investor sich wohl kaum für ihr intaktes Idyll interessieren werde. Ein neuer Eigentümer lasse sich jeden Quadratzentimeter vergolden, vermutet Christopher Weidner, der im Haus "Die Stadtspürer" ausbildet - Stadtführer, die unter dem Motto "unterwegs zu den Geheimnissen der Stadt" sind.

Eine Objektmanagerin hat sich bereits vorgestellt, zumindest im Vorderhaus. Sie kündigte den Ausbau des Dachgeschosses an. Zum Hinterhof sagte sie nichts. Alles weitere erführen die Mieter vorerst schriftlich, sagte sie beim Abschied. Martina Persohn ist Asset Managerin bei Jargonnant Partners. Sie ist die Ansprechpartnerin für die Mieter in München. Sie wolle nicht über Zeitungen kommunizieren, sagte sie auf Nachfrage der SZ. "Wir werden das mit den Mietern persönlich klären, wenn es soweit ist." Diese vermuten zu wissen, was ihnen blüht: Im Münchner Umland habe sich der luxemburgische Investor bereits eingeführt, sagen sie. Er habe vor vier Jahren in Oberschleißheim eine abgewohnte Anlage von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder mit 440 Wohnungen gekauft, saniert und modernisiert. Penthouses wurden aufgesetzt. Die Anlage wurde Anfang 2017 an die Patrizia verkauft.

Die Patrizia, ein Augsburger Konzern, der sowohl Mietraum verwaltet als auch Mietwohnungen in Wohneigentum umwandelt, soll da noch den Mietern Bestandsrechte garantiert haben. Zunächst machte sie keine Aussage zu ihren Plänen. Inzwischen werden die Wohnungen zum Verkauf angeboten. "Eine starke, nachhaltige Geldanlage für Ihr Vermögen", so wirbt die Patrizia im Internet.

Wie lange die Mieter der Fraunhoferstraße 13 noch bleiben können? Der Hausverwalter habe einen Vertrag über zweieinhalb Jahre bekommen, sagen die Mieter der Rückgebäude. Danach wäre für ihn Schluss und vermutlich - spätestens - auch für sie. Noch gibt es im Hinterhof der Fraunhoferstraße 13 einen Tierarzt, Grafiker, eine Naturheilpraxis, einen Maßschneider und den großen Atelierraum, in dem sich Kinder und Erwachsene mit Pinsel und Farben austoben können.

Ludwigsvorstadt: Idylle und Harmonie hinter den Fassaden der Fraunhoferstraße 13. Nicht mal beim Parken kommen sich die Anwohner im Hinterhof in die Quere.

Idylle und Harmonie hinter den Fassaden der Fraunhoferstraße 13. Nicht mal beim Parken kommen sich die Anwohner im Hinterhof in die Quere.

(Foto: Robert Haas)

Jonas Lebert, der Schneidermeister, sagt, die über Jahrzehnte gewachsene Atmosphäre von kleinen Hinterhofwerkstätten mit Handwerkern aller Couleur, Künstlern und Kreativen habe sich in den vergangenen Jahren nach und nach, aber spürbar abgekühlt. Wenn Verdichtung und Vermarktung der Wohn- und Arbeitsflächen nicht gestoppt würden, sterbe die entstandene Kultur ab. Was dann komme? "Ein Meer aus Glas- und Betonbauten", sagt Jonas Lebert. "Bunt gesinnte Menschen und zierende Pflanzen wird man dann vergeblich suchen."

Der Bezirksausschuss (BA) Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt sieht das Kleingewerbe als großes Sorgenkind. In jüngster Zeit mussten im Glockenbachviertel schon viele Geschäfte schließen, da sie die geforderten Mieterhöhungen nicht erwirtschaften konnten. Andere, wie der alteingesessene Schreibwarenladen Weber, müssen bald ausziehen. Die Gentrifizierung im Viertel mache nicht nur Schritte, sondern Bocksprünge, beschreibt Alexander Miklosy (Rosa Liste), der Vorsitzende des Bezirksausschusses, die Lage. Der BA hat schon vor Monaten angeregt, die Erhaltungssatzung auf Kleingewerbe auszuweiten, OB Dieter Reiter (SPD) hatte dies auch in Berlin vorgebracht. In der aktuellen Erhaltungssatzung, die die Wohnungsmieter schützen soll, ist das Haus mit der Nummer 13 nicht aufgeführt, denn die umliegenden Häuser sind bereits gentrifiziert. Die Stadt hat dort kaum Einfluss.

Die Mieter der Fraunhoferstraße 13 stellen bei einem Hoffest am Samstag, 18. November, von 17 bis 21 Uhr ihr Lebens- und Arbeitsbiotop vor.

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