Kabarett:Endlich Mut

Kabarett: Wieder da nach langer Bühnenabstinenz: Ludwig Müller.

Wieder da nach langer Bühnenabstinenz: Ludwig Müller.

(Foto: Uli Neumann Cosel)

Ludwig Müllers bringt sein ewig verschobenes neues Programm "Unverpackt" im Kleinen Posthof des Deutschen Museums heraus.

Von Oliver Hochkeppel, München

Viele Kabarettisten sind bei Premieren noch unsicher. Das Lampenfieber ist größer als sonst, der Text noch nicht ausgetestet, das Gedächtnis hat noch nicht alles abgespeichert. Ludwig Müller hatte nun besonders gute Gründe, nervös zu sein: Mehr als zwei Jahre lang wartete er auf den Start seines neuen Programms "Unverpackt - was lange gärt, wird endlich Wut"; ursprünglich in der Lach- und Schießgesellschaft angesetzt, hangelte es sich dort im Mix aus Corona-Schließung, Betreiberwechsel und Umbau von Verschiebung zu Verschiebung, jetzt endlich war es beim "Eulenspiegel Flying Circus" im Kleinen Posthof des Deutschen Museums soweit. Und nicht nur die lange, unfreiwillige Bühnenabstinenz war schuld, dass sich Müller erst ein wenig warm spielen musste, sondern auch, dass es speziell ihm als Österreicher in dieser Zeit etliche Inhalte zerschossen hat.

Ganze Passagen mit Ex-Kanzler Kurz zum Beispiel mussten raus, der kam jetzt nur noch zwei Mal "kurz" vor. Auch beim Wirecard-Chef Jan Marsalek musste Müller dem Publikumsgedächtnis auf die Sprünge helfen, kennt man den doch nur noch "flüchtig". Das große Thema hat Müller jetzt nicht mehr, eher ist das Programm eine Art Roadmovie geworden, das zwischen Tirol, Oberösterreich, Wien und München hin und her pendelte. Also zwischen Müllers Geburtsort (Fieberbrunn), dem Ort seiner Adoleszenz (Gmunden) und seinen langjährigen aktuellen Wohnorten. Dorthin verlegte er Exkurse und Szenen zur Corona-Zeit - von abstrusen Phobien über Home-Office bis zur Zukunftsplanung von Tiroler Skilehrern -, die ihn auch zu den Traumata der eigenen Jugend führten, etwa dem Schulessen oder dem Zahnarztbesuch.

Fast besser als sonst passten da seine Schüttelreime dazwischen, von denen er schon deshalb nicht lassen kann, weil sie das Publikum inzwischen von ihm erwartet. Mehr und mehr punktete er dann in seiner Spezialdisziplin: der Parodie von Sprachen und Dialekten. Großartig die Monologe, in denen er als alter Burgschauspieler über den Niedergang der Sprache, der Kultur und der restlichen Welt schwadroniert. In der Zugabe schließlich, in der er Südtiroler, Franken, Wiener und Tschechen aufeinandertreffen lässt, läuft Müller endgültig zu alter Form auf.

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