Ludwig I.:Die Wundenheiler im "Saal der Rache"

Die Münchner Residenz, der Königsbau Ludwigs I., wird nächstes Jahr nach langer Sanierung wiedereröffnet. So sieht es dort jetzt aus.

Von Wolfgang Görl

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Quelle: Robert Haas

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Etzels Klage" lautet der Titel dieses Freskos, und tatsächlich hat Hunnenkönig Etzel allen Grund, ganz entsetzlich zu jammern, und zwar nicht nur wegen der vielen Toten nach dem Gemetzel an seinem Hof. Feuchtigkeit hat dem Herrscher aus dem Nibelungenlied stark zugesetzt. Statt des satten Blaus ist nur noch eine weiße Fläche zu sehen. Auf dieser aber sind schon die Konturen gezeichnet, die den Recken wieder zu einem ordnungsgemäßen Gewand samt Schwert verhelfen werden - so wie es der Maler Julius Schnorr von Carolsfeld (1794-1872) gestaltet hat. Der Mann, der Schnorrs Werk wieder aufpoliert, heißt Peter Siebert. Er ist Restaurator, und die Münchner Residenz ist praktisch sein zweites Zuhause.

"Etzels Klage" ist vor allem deshalb so ramponiert, weil nahe dem Fresko ein Kupferrohr in der Mauer steckt, durch welches das Regenwasser vom Dach zu Boden sickert. Das Rohr ist offenkundig undicht, weshalb Wasser in die Wände dringt, das den Putz angreift oder Salzausblühungen verursacht.

Max-Joseph-Denkmal in München, 2016

Quelle: Robert Haas

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Die Ursprünge der Residenz liegen im ausgehenden 14. Jahrhundert, als die bayerischen Herzöge in der Nordostecke des Münchner Befestigungsrings eine Fluchtburg errichteten, die von Mauern und Wassergraben umgebene Neuveste. Stufenweise erfolgte der Ausbau zu einer weitläufigen, um mehrere Höfe gruppierten Palastanlage.

Am Ende des Zweiten Weltkriegs schien die Residenz für immer verloren zu sein. Die Bombenangriffe von März und April 1944 hatten den Schlosskomplex fast vollständig in Schutt und Asche gelegt. So gut wie alle Dächer waren zerstört, die hölzernen Dachstühle verbrannt, die Gewölbe durchschlagen, auch die beiden Theater lagen in Trümmern. Danach folgte ein mehrere Jahrzehnte dauernder Wiederaufbau, der nun langsam dem Ende entgegengeht.

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Quelle: Robert Haas

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Zahlreiche Spezialisten pinseln und tupfen seitdem an der Wiederherstellung der Kunstwerke. Ein solcher ist auch der Kirchenmaler Ferdinand Hausinger, der seit rund zwei Jahren in den Nibelungensälen des Königsbaus seine Kunst ausübt. Im Augenblick ist er dabei, den gemalten Rahmen eines Freskos aufzufrischen. Die Farbe ist verblasst, Hausinger zieht die schmale Linie mit einem dunklen Violett nach. Das ist keine Aufgabe, die einen Künstler zu kreativen Höhenflügen inspirieren würde. Die wären auch fehl am Platz. Hausinger muss akribisch den Linien folgen, welche die Maler vor rund 150 Jahren gezogen haben.

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Quelle: Robert Haas

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Siebert sitzt derweil zur Arbeit auf einem Stahlgerüst. Die weiße Masse zieht Feuchtigkeit aus dem Putz. Gemalt wird mit den gleichen Pigmenten wie zu Zeiten des Künstlers Schnorr, nur die Bindemittel sind andere. Mit dem Pinsel trägt Siebert später kleine farbige Striche auf die schadhaften Stellen auf, keineswegs geht es ihm darum, das Original so exakt wiederherzustellen, als wäre es nie beschädigt gewesen. "Wir sind nicht der Künstler, wir retuschieren nur", sagt Siebert. Die Arbeit an dem eindrucksvollen Bilderzyklus dauert mehrere Jahre. Ist man in der einen Ecke fertig, kann man in der anderen wieder von vorne anfangen.

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Quelle: Robert Haas

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Diplom-Restaurator Stefan Lochner arbeitet gemeinsam mit seiner Kollegin Eva Höfle an Schnorrs Gemälde "Kampf an der Stiege" im "Saal der Rache". Auch diesem Fresko aus dem Nibelungenzyklus haben Feuchtigkeit, Nikotin, Ausdünstungen und der Staub der Jahrzehnte erheblich zugesetzt. Um den Farben wieder den ursprünglichen Ton zurückzugeben, sind mehrere Reinigungsschritte erforderlich. Zunächst haben Höfle und Lochner das Gemälde mit einem Trockenschwamm bearbeitet, der ungefähr wie ein Radiergummi wirkt. Im zweiten Gang kommt ein leicht feuchter Mikroporenschwamm zum Einsatz, der die verbliebenen Verschmutzungen entfernt. Schließlich werden an heiklen Stellen Ammoniumkarbonat und mineralische Kompressen aufgetragen, um die Feuchtigkeit herauszuziehen. Es ist eine Arbeit, die Geduld, Fingerspitzengefühl und jede Menge Erfahrung erfordert, eine Arbeit für Spezialisten. Ein Foto aus den 1940er Jahren, welches das Fresko noch unversehrt zeigt, dient bei den Arbeiten als Orientierung.

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Quelle: Robert Haas

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Zu den eindrucksvollsten Räumen der Residenz gehört das Antiquarium, ein 66 Meter langer Renaissancesaal, den Herzog Albrecht V. zwischen 1568 und 1571 für seine Sammlung antiker Skulpturen bauen ließ. Das Antiquarium ist der älteste erhaltene Raum der Schlossanlage. Unter Herzog Wilhelm V. wurde das Innere des Antiquariums noch prachtvoller ausgestaltet, es entstand der märchenhafte Grottenhof mit seinem muschelbestückten Brunnen.

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Quelle: Robert Haas

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Hier im Antiquarium begannen die Experten auch mit ihrer Sanierung. Die spektakuläre Renaissance-Halle voller Büsten und Skulpturen aus der Antikensammlung Herzog Albrechts V., unter deren Tonnengewölbe sich groteske Mischwesen antiken Stils ebenso tummeln wie sittlich einwandfreie Damen, die als Allegorien der Tugenden auf die Wand gemalt sind. All diese Herrlichkeiten waren schwer gefährdet. Undichte Stellen und klimatische Einflüsse hatten den Wandmalereien zugesetzt, die Technik aus der Wiederaufbauzeit war veraltet und zum Teil marode, die Elektrik, die Heizung, die Lüftung, die Brandschutzeinrichtungen mussten modernisiert werden. Fünf Jahre lang waren die Experten allein mit der Sanierung des Antiquariums beschäftigt.

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Quelle: Robert Haas

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"Die Restaurierung der Nibelungensäle geht gerade in die letzte Phase", sagt Hermann Neumann, Bauexperte der Schlösserverwaltung. Allerdings müssen sich die Münchner und alle anderen Kunstinteressierten noch gedulden, bis sie den famosen Freskenzyklus wieder bewundern können. Voraussichtlich im ersten Halbjahr 2018 wird der Königsbau wieder geöffnet, in dessen Sanierung der Freistaat rund 38 Millionen Euro gesteckt hat.

© SZ.de/eca
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