Süddeutsche Zeitung

Kritik:Betörend

Ludovic Tézier gibt einen Liederabend bei den Opernfestspielen. Und überzeugt mit einer abwechslungsreichen Dramaturgie und durch einen technischen Ausfall am Ende.

Von Andreas Pernpeintner, München

In diesem Jahr ist es der Bariton Ludovic Tézier, der als Partner des Liedbegleiters Helmut Deutsch bei den Münchner Opernfestspielen im Prinzregententheater einen Liederabend geben darf. Tézier ist Franzose, und deutsche Konsonanten gehen ihm bei Robert Schumanns "Dichterliebe" oft eher sanft von den Lippen. Die Schlusssilben spricht er kräftig ab, das allein macht aber noch keine präzise Artikulation. "Trauriger blasser Mann" im zwölften Lied könnte klanglich auch ein "trauriger Wassermann" sein. Otfried Preußler statt Heinrich Heine.

Warum es dennoch ein wunderbarer Liederabend ist - nicht erst beim französischen Repertoire nach der Pause, sondern bereits beim Schumann? Nun, andere Texte gelingen Tézier sehr wohl mit überzeugender Prägnanz. Gleich auf den "blassen Mann" folgt etwa "Ich hab' im Traum geweinet", und hier ist die Deklamation - dazu eine wundervoll mürbe Klavierbegleitung - plastisch und intensiv.

Außerdem ist Téziers Bariton einfach vorzüglich disponiert. Sein Metier, der stimmlich große Operngesang, ist dabei stets erkennbar. Das passt nicht zu allen Liedern; ist aber Strahlkraft erforderlich, kann Tézier sie mit starkem Leuchten abrufen. Hinzu kommt Helmut Deutschs Art der Liedbegleitung, die in ihrer Diskretion ein fein nuanciertes Erlebnis für sich ist. Sein großer Moment ist das ausgedehnte Nachspiel zum letzten Schumann-Lied, das dem dunklen Ende der Gesangsstimme einen freundlichen Gedankengang beifügt.

Wie Tézier nach der Pause die französischen Lieder von Gabriel Fauré, Jacques Ibert und Henri Duparc koloriert, ist betörend schön. Der Farbfluss ist homogen - dies beherrscht Tézier perfekt. Dennoch tut es der Konzertdramaturgie gut, dass mit den drei Maurice-Ravel-Liedern "Don Quichotte à Dulcinée" wieder griffigere Konturen, akzentuierte Dissonanzen und rhythmische Finesse ins Gesamtbild kommen.

Mit den schönsten Moment gibt es aber ganz am Ende. Bei der vierten Zugabe streikt Téziers Tablet, von dem er die Noten abliest. Deutsch hat Noten auf Papier dabei. So stellt sich der Sänger neben den Pianisten, und der Festspiel-Liederabend geht mit einer Anmutung von Hausmusik zu Ende.

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