München:Zeitmaschine mit Anhängerkupplung

Nach einem Jahr Pause - und räumlich verkleinert - hat das "LowTech Instruments Museum" wieder geöffnet. Die Kinetik-Künstlerin Charly-Ann Cobdak zeigt in dieser Saison muntere Apparate mit Therapieansatz

Von Jutta Czeguhn

Riesig, geradezu hysterisch war unlängst die globale Aufregung über das erste Bild von einem Schwarzen Loch. Eine Zeitenwende, jubelte nicht nur die Forscher-Elite. Gänzlich unbemerkt geblieben ist hingegen eine andere Entdeckung, die man aktuell in der Aventinstraße in Gärtnerplatz-Nähe bestaunen kann: Dort, in der kleinen Galerie von Gerhard Grabsdorf, ist der weltweit einzige bislang bekannte Wurmlochbohrer ausgestellt. Ein Gerät, mit dem es gelingen soll, Raum und Zeit zu überwinden, ohne dabei spaghettisiert zu werden. Albert Einstein wäre hingerissen, und Ministerpräsident Markus Söder - um die beiden mal in einem Satz unterzubringen - könnte die Erfindung in das bayerische Raumfahrtprogramm "Bavaria One" aufnehmen. Auch wenn der Wurmlochbohrer aussieht wie der simple Knethaken-Aufsatz eines Handrührers. Nur nicht täuschen lassen!

Das spiralförmige Objekt sitzt auf der Kühlerhaube der "Zeitmaschine". Das Opus Magnum der Künstlerin Charly-Ann Cobdak hat eine derart starke optische Sogwirkung, dass Passanten vor den großen Galeriefenstern immer wieder scharf abbremsen und fasziniert hereinstarren. Was, um alles in der Welt, ist das denn? Über zehn Jahre hat Cobdak an dieser Skulptur herumgetüftelt. Es braucht jedoch kaum mehr als eine Nanosekunde, um von diesem dynamischen Gebilde vollständig eingenommen zu sein. Denn in seiner absurden Mechanik fügen sich Dinge so zwanglos zu einer Anatomie, als hätten sie schon immer zusammengehört: Zahnräder, Reifen, Hupen, Handbohrer, ein antiker Rollstuhl, ein Grammophon, der Kühler eines Mercedes-Oldtimers oder die Flügel eines Deckenventilators rattern und knarren in einer sauber geregelten Beziehung. Quasi H. G. Wells multipliziert mit dem Fluxkompensator aus "Zurück in die Zukunft", dividiert durch das flugtaugliche Tschitti Tschitti Bäng Bäng.

Seit 2014 öffnen Charly-Ann Cobdak und Gerhard Grabsdorf einmal jährlich für ein paar Wochen ihr LowTech Instruments Museum an der Aventinstraße. 2018 wurde pausiert, weil die Künstlerin zu viel um die Ohren hatte mit der Teilnahme an Ausstellungen, unter anderem in Montreux bei der "Hommage à Jean Tinguely", jenem Schweizer Papst der Kinetik-Kunst, der in seinem Manifest einst verkündet hat: "Es bewegt sich alles, Stillstand gibt es nicht." Den gab es auch bei Charly-Ann Cobdak nicht, denn ihre Maschinen, die sie in ihrer 50-Quadratmeter-Wohnung (im dritten Stock!) lagert, benötigen konstante Wartung. Ausgeleierte Gummiriemen müssen erneuert werden, ect., ect., ect. Zudem ist die 54-Jährige ständig dabei, neue bewegliche Skulpturen zu erfinden. Sie sind nun in der 2019er-Saison des LowTech Instruments Museums zu sehen. "Klein aber fein" lautet das Motto heuer, denn Gerhard Grabsdorf ist ein Keller abhanden gekommen, den er sonst für die Ausstellung der Kinetik-Kunst hatte nutzen können.

So müssen die Maschinen etwas zusammenrücken in den beiden nicht sehr großen Galerieräumen, was sie ohne großes Murren tun. Neben älteren Werken wie der Zeitmaschine animieren also Neuproduktionen zu gedanklicher Beweglichkeit: "Indoor Sommerfrische XXL" experimentiert beispielsweise mit dem Verhalten des Menschen bei kognitiver Dissonanz. "Sich etwas schön reden", so übersetzt Charly-Ann Cobdak diesen Begriff aus der Sozialpsychologie in eine quasi therapeutische Maschine, die einem humorvoll jede Lust auf Urlaub austreibt, indem sie das maximal Schreckliche vorführt, das unterwegs passieren kann: Cholera, Schiffbruch, Flugzeugabsturz, hungrige Löwen... Alles musikalisch unterlegt mit dem temperamentvollen Ungeziefer-Ohrwurm "La Cucaracha". Unser Leben ein klein wenig verbessern will sie auch mit der Paartherapiemaschine "Brooms & Duster", schließlich spielen Besen und Staubwedel nachweislich eine gewisse Rolle, was Beziehungskatastrophen und die hohe Scheidungsrate angeht.

Cobdaks Maschinen produzieren nichts außer Heiterkeit, sie sind ganz dem zweckfreien Spiel gewidmet. Gerne, sagt die Künstlerin, würde sie mit ihrer Zeitmaschine in die Siebziger-, Achtzigerjahre reisen, um Jean Tinguely, der 1991 starb, kennen zu lernen. Unlängst hat sie eine Anhängerkupplung an die Zeitmaschine geschraubt. "Schließlich kann man ja nie wissen", sagt Charly-Ann Cobdak.

Das LowTech Instruments Museum, Galerie Gerhard Grabsdorf, Aventinstraße 10, bis Ende Juli, Öffnungszeiten: Donnerstag, 15 bis 19 Uhr, Samstag, 15 bis 20 Uhr, sowie nach Vereinbarung unter Telefon 21 03 13 01.

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