Tanzkritik:Die Mühen der Menage à trois

Wenn drei sich ohne Gender-Grenzen lieben: Stephan Herwig inszeniert im neuen Schwere Reiter "The Lovers" und nennt das eine Utopie. Doch was bringt das Ganze an Sinnlichkeit?

Von Sabine Leucht, München

Als "temporäres Utopia" will der Münchner Choreograf sein neues Stück "The Lovers" verstanden wissen. Als Liebes-"Bubble", aus der Geschlechterstereotypen verbannt sind. Die Bilder, die er dafür schafft, bekennen sich zum Kitsch. Der wird allenfalls gebrochen durch die Umständlichkeit der Umschlingungen, mit denen Anima Henn, Alexandre May und Alessandro Sollima ihre Drei-Körper-Symbiose beglaubigen. Wenn sie immer wieder neu Beine unter Arme schieben, sich rücklings und Kopf an Kopf aneinander anlehnen und sich selten weiter als eine Berührungslänge voneinander entfernen, ist das dezidiert unalltäglich und sieht ungemütlich aus.

Sie bedeutet eindeutig Arbeit, diese gleichberechtigte und achtsame Liebe im Dreierpack, die Skulpturen in motion hervorbringt, die nicht nur Gender-Grenzen negieren: Eine Art Menschenblume mit drei Köpfen und enorm wendigen Verästelungen ist es zu Beginn. Die einheitlich schwarzen Hosen verschmelzen optisch. Aber auch obenrum tragen die drei Einheitslook: In rot-goldenen Tuniken, später in weißen Achselshirts winden sie sich im sanften Rot- und im zuckenden Discolicht, zu hämmernden Beats, Pop-Songs oder in der Stille. Diese äußeren Einflüsse machen wenig mit ihnen, so gut geschützt sind sie in ihrer Bubble.

Auch als Zuschauer fühlt man sich bald überflüssig an diesem wenig dynamischen Abend, der nicht zu Herwigs stärksten, aber sicher zu seinen persönlichsten zählt. Schließlich kommen auch die Tänzerpersönlichkeiten hinter den ornamentalen Körperskulpturen hervor und tauschen immer glühendere Blicke. Spätestens da möchte man ihre bislang sehr keusche Intimität nicht mehr stören. Und da gehen sie auch schon ab.

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