Süddeutsche Zeitung

Love Scamming:"Die kriechen einem in die Seele"

  • Vor Gericht müssen sich seit Donnerstag zwei Männer verantworten, die den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zufolge 485 247 Euro ergaunert haben sollen.
  • Am meisten betroffen ist eine Adlige aus Starnberg, die sie mit der Masche des Love-Scammings dazu brachten, ihnen 380 900 Euro zu geben.
  • Vor Gericht erzählt die Rentnerin, wie sie zum Opfer der Liebesschwindler wurde.

Aus dem Gericht von Andreas Salch

An jenen Abend im Oktober 2016, an dem "die Katastrophe" kam, kann sich die Zeugin noch genau erinnern. Im Fernsehen lief die Sendung "Aktenzeichen XY ... ungelöst". Es ging um Love-Scamming, Liebesschwindel. Mit dieser betrügerischen Masche bringen die Täter ihre meist weiblichen Opfer mit Chats im Internet dazu, hohe Geldsummen an sie zu überweisen. Während der Sendung, "gingen bei mir die Lichter aus", sagt die Rentnerin aus Starnberg am Landgericht München I. Ihr sei bewusst geworden, dass auch sie Opfer von Liebesschwindlern geworden war. Die mutmaßlichen Täter sitzen nur eineinhalb Meter links von ihrem Platz im Zeugenstand: ein Koch und ein Elektroingenieur aus Ghana. Sie sollen Teil einer Bande sein, die von dem westafrikanischen Land aus operiert.

Desmond T. und sein mutmaßlicher Komplize Samuel E. sollen die Starnbergerin um fast 400 000 Euro gebracht haben. "Ich kann es jetzt wirklich nur noch mit Humor nehmen, sonst verliere ich den Verstand", sagt die Rentnerin zu Richter Philipp Stoll. Während sie spricht, wird schnell klar: Es handelt sich um eine intelligente Frau, die sich sehr gut artikulieren kann und bestimmt nicht naiv ist. Nach dem Tod ihres Mannes habe sie den "Mut gefasst", sich bei einem Dating-Portal anzumelden, erzählt sie. Eine Bekannte habe ihr dazu geraten. Diese habe einen Mann kennengelernt, mit dem sie inzwischen verheiratet sei.

Doch dieses Glück hatte die Rentnerin nicht. Sie gelangte in einem Chat an einen angeblich im Jemen stationierten vermeintlichen US-Soldaten, von dem die Staatsanwaltschaft ausgeht, dass er "nicht existent" ist. Der Soldat namens Thomas Stabler habe ein "sehr inniges Vertrauensverhältnis aufgebaut", sagt die Rentnerin und wundert sich, wie "die virtuelle Welt einen manipulieren kann". Sie habe sich einsam gefühlt. "Die Einsamkeit nimmt einem den Verstand, und dann kommt jemand, der immer liebe Worte hat." Ob sie die Angaben des vermeintlichen US-Soldaten überprüft habe, fragt Richter Stoll. Ja, habe sie. Doch wenn ihr Widersprüche aufgefallen seien, habe ihr Chat-Partner "ein neues Lügenkonstrukt aufgebaut, auf das ich prompt reingefallen bin".

Im Laufe der Zeit zahlte die Starnbergerin immer wieder Geld an den Chat-Partner oder dessen mutmaßliche Komplizen. Als sie sich sogar Geld leihen sollte, um es zu überweisen, habe sie geschrieben: "Kein Mensch leiht mir Geld für eine Internetbekanntschaft." Daraufhin habe Thomas Stabler mit neuen "Liebesschwüren" geantwortet. Es sei wie eine "Gehirnwäsche" gewesen, sagt die Frau. "Die kriechen einem in die Seele", man werde süchtig nach den Mails. Am Ende habe sie doch wieder Geld überwiesen.

Nach dem Beitrag in "Aktenzeichen XY... ungelöst" brach die Rentnerin den Chat-Kontakt ab. Sie wollte sich das Leben nehmen, wie sie berichtet, ließ sich dann aber für eine Therapie in eine psychiatrische Klinik einweisen. Am schlimmsten sei der emotionale Betrug, sagt die Frau. "Das war so furchtbar. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man so betrogen wird."

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SZ vom 02.02.2019/smb
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