Loretta Bar:Insel im Strom

Loretta Bar: Frühstück, Kaffee, Feierabendbier: Die Loretta kann alles.

Frühstück, Kaffee, Feierabendbier: Die Loretta kann alles.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Loretta Bar in der Müllerstraße ist größer geworden, aber immer noch genauso locker wie früher. Hier kann man entspannt die Protagonisten des Viertels, die draußen vorbeirauschen, beobachten: Stöckelschuh-Ladies, Glockenbach-Gockel, Pimpernel-Nachteulen und Radrennfahrer auf ihren Super-Bikes.

Von Christian Mayer

Schön ist sie nicht, die Müllerstraße, außerdem ziemlich laut, sehr extrovertiert und hektisch, vor allem am Wochenende, wenn am oberen Ende, kurz vor dem Sendlinger Tor, die Horden einfallen: Die Dichte an Szenelokalen, Clubs, Designerläden und Kuriositätenhändlern ist ja auch wirklich beeindruckend, das Viertel lebt - zumindest solange man es leben lässt und nicht den Veredelungsexperten und Luxussanierern überlässt.

Andererseits ist die Müllerstraße auch erstaunlich normal und angenehm unaufgeregt geblieben: Wer diese Seite des Viertels erleben will, ist in der Loretta Bar ganz gut aufgehoben. Schon bisher konnte man in diesem Lokal sehr entspannt den Tag mit einem ausgedehnten Frühstück beginnen und einen anständigen Kaffee genießen - fast schon zu entspannt, denn die Loretta-Stammgäste neigen gelegentlich zu langen Sitzungen und einer recht genauen Lektüre der Zeitungen, die wie in jeder guten Bar zuverlässig und in ausreichender Anzahl ausliegen. Ob das gut für den Umsatz ist?

Offenbar schon, sonst hätten die Betreiber das Lokal nicht deutlich vergrößert. Das neue Loretta wirkt deutlich geräumiger, es bietet Platz für doppelt so viele Gäste wie früher, was sich offenbar noch nicht ganz herumgesprochen hat. Geblieben ist der leicht verlebte dunkle Steinboden, die puristischen Lampen, die rohen Holztische, das Heizungsrohr und die schlichten Hocker. Die Gäste wissen die Werkstatt-Atmosphäre zu schätzen, und so beschwert sich auch keiner über das nicht immer üppige Angebot auf der Speisekarte - einen Koch kann sich die Bar wohl nicht leisten, dafür gibt es morgens ein gesundes Müsli und am frühen Abend einen guten Whisky. Man befindet sich übrigens in guter Nachbarschaft: Gleich nebenan, im Hinterhof, überlebt eine fast schon antike Autowerkstatt, die sich auf britische Modelle spezialisiert hat. Kaum zu glauben, in diesem schnelllebigen Viertel.

Das Beste an der Loretta Bar ist aber doch der Müllerstraßen-Verkehr, dem man sich an den gelben Bistrotischen gerne aussetzt. Und man fragt sich nach einer Weile, wo diese Leute alle hinwollen: Die laut klackenden Frauen im Business-Gewand, die Glockenbach-Gockel mit ihren Bärten und dicken Brillen, die Vorstadt-Grazien, die sich wieder viel zu sehr aufgebrezelt haben, wenn sie später noch im Pimpernel abstürzen wollen, vor allem aber die Radrennfahrer auf ihren Super-Bikes. Das richtige Fahrrad ist hier ein Statussymbol, ein Bekenntnis. Ab und zu rauscht dann noch die Straßenbahn direkt vor einem vorbei, und die Blicke treffen sich: Auf der einen Seite die leicht ermatteten Fahrgäste auf dem Weg nach Hause, auf der anderen das treue Loretta-Publikum, das mitten im Strom eine Insel gefunden hat.

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