"Lonely Planet" über München:Funky und sexy

Zur Wiesnzeit sind viele Touristen mit dem bekanntesten englischsprachigen Reiseführer unterwegs. Ein Blick von außen auf die Stadt in 17 Buchstaben.

Michael Tibudd

17 Bilder

Glockenbach

Quelle: SZ

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Zur Wiesnzeit sind viele Touristen mit dem bekanntesten englischsprachigen Reiseführer ausgerüstet. Ein Einblick von außen in 17 Buchstaben.

A lt-flavoured (irgendwie alternativ)

Ein typischer Lonely-Planet-Ausdruck, der so in keinem Wörterbuch vorkommt. Durchaus schwärmerisch verwendet in Zusammenhang mit dem Glockenbachviertel, besonders mit einer bestimmten Spezies von Bar oder Kneipe, die die Gegend zur "aktuellen Hipster-Zone" der Stadt macht. Was soll man sagen? Stimmt wohl immer noch.

Foto: Schellnegger

Sarcletti

Quelle: SZ

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Bustling (belebt, betriebsam, hektisch, voller Leben)

Gleich zwei Ecken in München haben dieses Prädikat aus Sicht des Lonely Planet verdient: Schwabing als Ganzes und Neuhausen an einer Stelle. Ersteres wird man durchgehen lassen müssen, zumindest als lokalhistorisch gebildeter Mensch. Es war ja mal was los in Schwabing, Krawalle, Hort der Bohemiens und so. Das ist natürlich lange her, aber zu Recht verweist der Reiseführer auf das, was daraus geworden ist - speziell das Sehen und Gesehenwerden auf der Leopoldstraße. Bustling, die zweite: Der Rotkreuzplatz, den der Reiseführer auch als "Stachus von Neuhausen" bezeichnet. Fällt wohl unter die Rubrik "Geheimtipp" und zeugt vom Anspruch, dem Leser ein authentisches Stück München zu präsentieren: "Der Platz ist auch Ausgangspunkt zu unauffälligen Restaurants ohne Touristen."

Foto: Haas

Oktoberfest

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Cautious (vorsichtig, behutsam)

Weniger eine Beschreibung als eine Empfehlung für diese Jahreszeit: Besucher, nimm dich in Acht vor den torkelnden Menschen rund um die Theresienwiese! Eindringlich warnen die Autoren vor gewalttätigen Volltrunkenen. Am besten, heißt es, entkomme man ihnen, indem man früh nach Hause geht, generell vorsichtig (cautious) ist - und idealerweise selbst nüchtern bleibt. Womit der Besucher freilich, wie jeder Münchner weiß, keine Chance auf eine authentische Wiesnerfahrung hat. Hier scheitert der Reiseführer eindeutig am eigenen Anspruch.

Foto: Haas

St. Michael

Quelle: SZ

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Dignified (würdevoll, ehrwürdig, gediegen)

Die Michaelskirche, die aus Sicht der Autoren vor allem deswegen viel Würde ausstrahlt, weil sie ein ruhender Pol inmitten all des Kommerzes entlang der Kaufingerstraße ist. Da haben sie gewiss recht, zumal sie nicht den Hinweis auslassen, dass in dieser Kirche sehr wohl dennoch gehuldigt wird. Wenn auch nicht unbedingt Gott oder christlichen Heiligen, sondern dem weltlichen Herrscher, dessen Gebeine hier liegen: Ludwig II., dem "verrückten König".

Foto: Heddergott

Unterfahrt

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Eclectic (auswählend, vielseitig, eine Auswahl darstellend)

All diese deutschen Ausdrücke müssten auf das Publikum im Jazzclub Unterfahrt zutreffen. Denn das, schreibt der Lonely Planet, könnte auch im Wörterbuch unter "eclectic" abgebildet sein, und alles wäre klar. Gleiches gelte für die Musiker und Gruppen, die in dem Laden an der Einsteinstraße auftreten. Das könnte den Münchner Jazz-Freunden schmeicheln, aber andererseits wissen Anhänger spezieller Musik ohnehin, dass sie etwas ganz Besonderes sind. Wir stellen fest: Die Lonely-Planet-Autoren stehen auf Jazz-Musik und fühlen sich im Unterfahrt-Publikum äußerst wohl.

Foto: Haas

Atomic Café

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Funky (irre, unkonventionell; übel riechend)

Schon wieder was mit Musik. Das Interieur des Atomic Cafés, wobei die Autoren die orangefarbene Wand, das Hellblau von Bar und Hockern oder den Glitzervorhang auf der Bühne in erster Linie angenehm unkonventionell finden dürften. Man würdigt die Gabe der Betreiber, vielversprechende Bands in den Laden zu holen, kurz bevor sie den ganz großen Durchbruch schaffen. Eine dicke Empfehlung ist das. Freilich lässt das Buch einen wichtigen Hinweis an die Leserschaft einfach aus: dass man im Atomic Café nämlich wenig Lust hat auf touristische Laufkundschaft, die im Hofbräuhaus vorgeglüht hat - und an der Tür entsprechend aussiebt.

Foto: sueddeutsche.de

Olympiaberg

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Handy (griffig, handlich, praktisch)

Der ultimative Beleg: Der Engländer meint nicht sein Mobiltelefon, wenn er das Wort "handy" verwendet. Im Lonely Planet über München taucht es vielmehr auf bei einem Tipp für gediegenes Schnorren im Kreise Einheimischer. Man besorge sich eine Decke und ein paar Getränke und erklimme den Olympiaberg - wenn im benachbarten Stadion gerade ein Open-Air-Konzert stattfindet. Nicht ohne Begeisterung verrät der Reiseführer, dass man so die Rolling Stones oder Robbie Williams gratis live erleben könne. "How handy is that?"

Foto: Rumpf

Marienplatz

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Infectious (ansteckend)

München als Ganzes und die Stimmung unter den Menschen. Angeblich hat der Münchner viele Gründe, sich stets zu freuen - und zeigt das auch häufig mit einem Lächeln auf den Lippen. In der Stadt herrsche ein gegenteiliger Geist zu bekannten Deutschen-Klischees von stets überernsten und fleißigen Arbeitskräften. Nun ist bekannt, dass der Münchner es versteht zu genießen. Aber ob er sich das mit dem steten Lächeln wirklich nachsagen lassen will? Ein Reiseführer, der auf sich hält, sollte einen so wesentlichen Grundzug wie den Grant nicht einfach ignorieren. Ein nett gemeinter Annäherungsversuch, den der Münchner mit einem dahingemaulten "Schleich di" abwehrt.

Foto: Schellnegger

Kultfabrik

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Libidinous (lüstern, triebhaft)

Das Partyvolk in der Kultfabrik am Ostbahnhof. Interessierte sollen sich auf ein "Spaß-Ghetto" mit Musik für den Massengeschmack einstellen. Die Empfehlung also für all jene, die keine Lust auf das verkopfte Jazz-Publikum in der Unterfahrt oder die verschrobenen Typen im Atomic Café haben. Das zeugt von einiger Kenntnis ebenso wie vom Anspruch des Buches, den Lesern das eher Abseitige nahezulegen.

Foto: Heddergott

Stachus

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Magic (zauberhaft)

Der Stachus zur Winterzeit. Sonst lediglich ein verkehrsreicher Platz, an dem sich die Münchner zudem gerne treffen, mutiert er bei tiefen Temperaturen angeblich zu einem Ort voller Magie: Der Eiszauber hat es den Autoren angetan, jene Schlittschuhlauffläche, umgeben von Glühwein- und Bratwurst-Standln. Einen solchen Hang zum Kitsch hätte man der Reihe gar nicht zugetraut.

Foto: Heddergott

Jagd- und Fischereimuseum

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Old-school (altmodisch)

Da werden sich die Waidmänner nicht freuen: Das Jagd- und Fischereimuseum in der Fußgängerzone zählt aus der Sicht des Reiseführers nicht zu den empfehlenswertesten Einrichtungen in der Stadt. Erwähnt wird es wohl vor allem der Vollständigkeit halber. Allenfalls den bronzenen Eber vor dem Eingang solle man ein wenig streicheln und dann aber gleich weiter zur Frauenkirche gehen, heißt es. Es sei denn, man finde den Anblick von Trophäen, Waffen und ausgestopften Tieren faszinierend. Wofür man in der Lonely-Planet-Redaktion nicht das geringste Verständnis hat.

Foto: dpa

Fünf Höfe

Quelle: SZ

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Ritzy (nobel, feudal, stinkvornehm)

Eine Erfahrung, der der München-Besucher angeblich eher selten ausgesetzt sein wird. An sich fühle sich München nämlich vor allem behaglich und lauschig an. Als große Ausnahme weist Lonely Planet auf die "ritzy" Fünf Höfe hin, wo ein kosmopolitisches Einkaufserlebnis warten soll. Die "Flagship-Stores" internationaler Modeketten, der hängende Garten, das modernistische Design aus Glas und Stahl - alles gleichermaßen "interessant".

Foto: Haas

Dirndl

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Sexy (...)

Also doch: Was innerhalb Deutschlands immer nur Berlin zugeschrieben wird, gilt in der großen Welt der internationalen Reiseführer auch für München. "Die Stadt ist sexy", heißt es, weil sie Besucher und Bewohner mit unwiderstehlicher Lebensfreude verführe. Das zeugt zwar ein weiteres Mal von Ignoranz gegenüber dem Grant. Weil es dem Lokalpatrioten aber sehr schmeichelt, ist das hier lässlich.

Foto: Haas

Schrannenhalle

Quelle: SZ

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Tacky (billig, geschmacklos, schäbig)

Tatsächlich: das Innenleben der Schrannenhalle. Genauer gesagt dessen Vergangenheit, denn als schäbig empfinden die Autoren insbesondere die "überteuerten Läden und Cafés". Die gibt es so nicht mehr, mit dem nächsten und übernächsten Konzept soll bekanntlich alles besser werden. Stoff also für eine Neubewertung in der nächsten Auflage, in der dann auch gleich ein Recherchefehler korrigiert werden kann: Denn 400 Meter lang, wie der Reiseführer behauptet, war nur das historische Original.

Foto: Rumpf

Schlachthofviertel

Quelle: SZ

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Up-and-coming (aufstrebend)

Internationaler Beitrag zur häufig diskutierten Frage: Welches ist das nächste In-Viertel der Stadt? Bis vor einiger Zeit hieß es das über das Westend, aktuell gilt die Maxvorstadt als demnächst aber so richtig in. Das Thema beschäftigt Hipster genauso wie die Immobilienmakler, die ihnen die nächste Wohnung vermitteln wollen. Lonely Planet legt sich fest: Das Schlachthofviertel wird es sein. Völlig klar: Jetzt müssen dort die Mietpreise explodieren.

Foto: Haas

Theatinerkirche

Quelle: SZ

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Voluptuous (üppig, sinnlich, ausschweifend)

Natürlich ein Gotteshaus. Auch wenn die Theatinerkirche den Namen des männlichen Heiligen Kajetan trägt, überkommt es die Autoren: Sie beschreiben das Bauwerk mit einem Begriff, der im Englischen eigentlich für Frauen reserviert ist. Ob das angemessen ist für die vielen Schnörkel und architektonischen Kapriolen der Fassade? Egal, die Münchner ereifern sich sowieso lieber über oberflächliche Dinge. Als Beleg sei hier an den Wind erinnert, der entstand, als lustfeindliche Denkmalschützer der Theatinerkirche angeblich einmal einen grauen Anstrich verpassen wollten. Was natürlich nicht gestimmt hat. Die Theatinerkirche, völlig klar, bleibt auf ewig sinnenfroh-ockergelb.

Foto: Heddergott

Hofbräuhaus

Quelle: SZ

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Writhing (sich windend)

Die Touristen im Hofbräuhaus. Zwei Dinge lernt der Leser über diese sich windende Menge: Sie verderben einem den schönen Anblick auf die gediegene Einrichtung der Bierstätte. Und man wird zwangsläufig selbst zum Teil dieser Masse, "denn kein München-Besuch wäre vollständig ohne einen Abstecher hierher". Oans, zwoa, gs... - aber halt, getrunken wird in diesen Tagen ja eh schon genug auf der Wiesn. Da verhält man sich doch wenigstens hier: siehe c wie cautious.

Foto: Schellnegger

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