Löwen:Weitere Briefe

Vertrauen unter Löwen

Ein Abstieg ist nie leicht. In keiner Stadt, bei keinem Verein gehen Spieler, Fans, Funktionäre gerne den harten Gang in eine untere Liga ("Das Leck-mich-Prinzip" vom 1. Juni). Auch unsere Münchner Löwen sind da keine Ausnahme, aber beim TSV 1860 kommen noch einige erschwerende Dinge hinzu, die jedem bekannt sein dürften, trotzdem kurz aufgezählt werden: Die Abhängigkeit von einem Investor, die zu große Spielstätte in Miete beim übermächtigen Erzrivalen, die Ambivalenz der Fan-Ambitionen (Champions-League-Traum vs. Giesing-Tradition vs. Dritte-Liga-Realität) und die völlig inakzeptable Fluktuation in entscheidenden Positionen (Manager, Trainer, Sportdirektoren, Präsidenten). Wenn wir also in diesen Tagen einen Verein erleben, der ein desolates Bild abgibt (Fan-Randale, Handgemenge im VIP-Bereich), so hat das nichts mehr mit dem "normalen" Frust eines Vereins im Abstiegsstrudel zu tun. Vielmehr ist das Ausdruck einer schieren Verzweiflung und inneren Zerrissenheit. Fans und Funktionäre treibt die Frage um, ob und auf welche Weise der TSV 1860 überhaupt noch vor dem totalen Abgrund zu bewahren ist.

Dabei ist richtig, dass ohne Hasan Ismaik der TSV 1860 schon früher in den Konkurs gestürzt wäre. Richtig ist aber auch, dass seitdem in sechs Jahren rund 70 Millionen Euro in undurchsichtige Kanäle geflossen sind und ein "Erfolg" in keiner Weise sichtbar ist. Im Gegenteil, die sportliche Ahnungslosigkeit, die Führungsschwächen und das völlig fremde Managementgebaren von Hasan Ismaik und seinen Helfern (Power, Pereira) sind ein wesentlicher Grund für den jüngsten Untergang. Das gilt es nicht zu vergessen, denn der Schwarze Peter wird gerade dem Verein und dessen Vertretern untergeschoben . . .

Für viele Beobachter ist die Lage zudem mehr als undurchsichtig. Über "leergeräumte Kassen", "nichtbezahlte Gehälter", "Erpressungsversuche des Investors", "Nicht-Erfüllbare Forderungen" wird in serösen Medien (auch in der SZ) berichtet, aber viele Fans glauben lieber den Twitter- und Facebook-(Fake-)Nachrichten und Dementis des Investors und seiner Blogger. Fassungslos muss ich mit ansehen, wie in dem ganzen Wirrwarr das Vertrauen der Fans vollständig verloren zu gehen scheint. Denn wem soll man da noch glauben? Wem soll man da noch vertrauen? Wer soll zukünftig für den TSV 1860 die richtigen Entscheidungen treffen?

Diese Fragen treiben mich um, gerade weil ich selbst als Vorstand in einem Verein tätig bin. Wie muss es einem ehrenamtlich tätigen Hans Sitzberger und einem Heinz Schmidt (Vizepräsidenten) gerade zu Mute sein? Beide sind ehrenwerte Löwen durch und durch. Das Gleiche trifft auf die Verwaltungsräte und die Abteilungsleitungen im Verein zu. Viele dieser Funktionäre sind seit Jahrzehnten für den TSV 1860 engagiert und aktiv. Sie müssen jetzt die Verantwortung übernehmen - Präsident Cassalette hat sie im Regen stehen lassen. Der Investor hat unerfüllbare Forderungen gestellt und meldet sich nicht wirklich konstruktiv.

Wenn sich jetzt "Ex-Funktionäre" und "Ex-Verwaltungsräte" und andere schlaue Köpfe melden, die eh schon immer alles besser wussten, dann appelliere ich an die Vernunft aller, die den Löwen im Herzen tragen: Vertrauen wir echten Löwen - nicht den Illusionen aus tausendundeiner Nacht! Dann gelingt auch eine Rückkehr, dann bauen wir gemeinsam den TSV 1860 wieder auf. Dr. Andreas Glas, Pfaffing

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