Weltraumforschung:Cimon, der Roboter-Kumpel für Astronauten

Der Astronaut Alexander Gerst mit dem Roboter Cimon.

"Wach auf!", sagte der deutsche Astronaut Alexander Gerst zu Cimon. Der Roboter antwortete: "Was kann ich für dich tun?"

(Foto: LMU)

Münchner Forscher haben einen schwebenden Roboter für Astronauten mitentwickelt. Die Superkugel wurde nun auf der ISS getestet.

Von Sabine Buchwald

Oberflächlich betrachtet ist Cimon eine 3-D-gedruckte, weiße Kunststoffkugel mit einem Durchmesser von 32 Zentimetern. Er wiegt fünf Kilogramm und ist randvoll mit Technik, wie man sie heutzutage für sogenannte Künstliche Intelligenzen (KI) verbaut. Er hatte seinen großen Auftritt bereits Mitte November zusammen mit dem deutschen Astronauten Alexander Gerst auf der Internationalen Raumstation ISS.

Und das hat er gut gemacht. Mit großer Spannung haben Alexander Choukèr und Judith-Irina Buchheim am Großhaderner Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München jede seiner Bewegungen beobachtet. Die beiden Wissenschaftler vom Labor für Translationale Forschung Stress und Immunität an der Klinik für Anästhesiologie der LMU haben Anteil daran, dass es soweit kommen konnte.

Auch Comicautor Mort Weisinger hätte an Cimons Existenz seine Freude gehabt, hätte er sie noch erlebt. Denn der medizinballgroße Roboter erinnert - zumindest äußerlich - stark an "Professor Simon Wright", das "fliegende Gehirn" aus der US-Serie "Captain Future".

Der New Yorker Autor und Chefredakteur Weisinger hatte Ende der 1930er-Jahre die Idee dazu und beschäftigte sich zeitlebens mit Superhelden und Fiktionen der Wissenschaft. Vieles, was er sich an Erleichterungen und Spielereien für die Zukunft ausgedacht hatte, ist nach seinem Tod 1978 in der Gegenwart angekommen. Dazu gehört auch der Astronauten-Assistent Cimon, dessen Name nicht zufällig ein Akronym aus den Worten Crew Interactive Mobile Companion ist - und wie Simon klingt.

Cimon ist nun erfolgreich als eine Art Astro-Begleiter getestet worden. Er verfügt über sieben Kameras, neun Mikrofone und zwölf Ventilatoren, mit deren Hilfe er sich im Raum halten und bewegen kann. Wesentlich an Cimon: Er ist in der Lage, Sprache (im Augenblick nur Englisch) zu verstehen und zu bewerten. Außerdem vermag er nicht nur zu hören, sondern auch zu sprechen und zu sehen. Das alles hat die Superkugel im Test mit Gerst bewiesen. 90 Minuten standen den beiden für das Rendezvous im Columbus-Modul der Raumstation zur Verfügung. Gerst holte Cimon aus seiner Box und belebte ihn mit den Worten "Wach auf!", worauf dieser zur Freude aller beobachtenden Erdlinge antwortete: "Was kann ich für dich tun?"

Zweieinhalb Jahre hat die Entwicklung von Cimon gedauert

Cimon soll langfristig die Arbeit der Astronauten im All unterstützen und ihnen in ihrer nicht immer komfortablen Situation ein motivierender Partner sein. Über seinem Monitor könnten etwa Pläne für das tägliche Muskeltraining kommen, zudem Arbeitsanleitungen oder allgemeine Informationen dargestellt werden. Das vermag Cimon auch sprachlich auszudrücken, was dem Astronauten Bewegung erlaubt, denn er muss nicht zwingend auf das Display schauen. Außerdem kann Cimon Gesichter erkennen. "Er soll aus den Worten die Situation begreifen, die Gemütslage herauslesen und die adäquaten Worte finden", erklärt Buchheim.

Die Medizinerin spricht fast zärtlich über das Gerät mit dem Strichmännchengesicht. Mögliche Missstimmungen wie Wut könne Cimon ausbalancieren, erklärt sie. Auch Alexander Gerst hat die Session mit dem kugeligen Gefährten gefallen, der bewusst nicht menschenähnlich gebaut wurde. Er soll spontan nach einer nächsten Begegnung gefragt haben. Ein Lob, über das man sich in München besonders freut.

Zweieinhalb Jahre hat die Entwicklung von Cimon gedauert. Eine relativ kurze Zeit für ein Projekt dieser Art, an dem neben den Münchner Wissenschaftlern zahlreiche andere Partner beteiligt sind. Maßgeblich mitgearbeitet haben das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie IBM, die mit der KI Watson den Charakter von Cimon entwickelt haben, außerdem Airbus in Friedrichshafen und Bremen.

"Wir haben viel Erfahrung mit Studien", sagt Buchheim. Ein guter Grund, die Münchner einzubinden. Ihre Arbeit fange jetzt erst richtig an. Denn nun könne man sich überlegen, was man Cimon alles zutrauen könne und ihn mit Hilfe der Astronauten perfektionieren. Die Erkenntnisse aus dem All sollen auf der Erde genutzt werden. Was in der Extremlage Raumstation hilft, könnte allgemein für die Stressbewältigung nützlich sein.

Cimon ist übrigens nicht selbstlernend. Was er kann, müssen ihm Menschen zuvor eingeben. Die ISS könne er nie übernehmen, betont Buchheim. Als Kumpel aber taugt er. Möchte nicht jeder von einem freundlichen Gesicht geweckt werden?

Zur SZ-Startseite

SZ PlusRoboter und Arbeit
:Der Mensch, das komplexe Wesen

Nehmen uns Roboter und schlaue Software die Jobs weg? Diese Angst geistert schon lange umher. Aber viele Experten glauben, dass es mit Super-Robotern so schnell nichts wird.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: