Wettbewerb an der LMU:Hände, Füße und Gejohle

Wettbewerb an der LMU: Chem Araz setzte sich in der Kategorie Freestyle durch.

Chem Araz setzte sich in der Kategorie Freestyle durch.

(Foto: Stephan Rumpf)

Mit einem Science-Slam versucht die Münchener Universitätsgesellschaft, junge Leute für die Wissenschaft zu gewinnen.

Von Sabine Buchwald, München

Wahrscheinlich war es noch nie zuvor in diesem Hörsaal so laut wie an diesem Donnerstagabend. Die Münchener Universitätsgesellschaft (MUG) hatte zum Science-Slam geladen und das Publikum war aufgefordert, die Teilnehmer zu beklatschen. Anhand der Lautstärke wurden die Sieger ermittelt. Manche hatten ihre Freunde und Kommilitonen mitgebracht, entsprechend frenetisch war die Resonanz.

Mit Händen, Füßen und großem Gejohle goutierten sie ihre Favoriten im gut gefüllten Hörsaal des Walther-Straub-Instituts an der Nußbaumstraße. Manche rieben sich ihre Hände vor Schmerz nach den sieben Sekunden, die Moderator Vincent Courtens für den Applaus pro Teilnehmer Zeit ließ. Julia Strasser-Garnies, Vorstandsmitglied der MUG, maß die Dezibelzahl auf ihrem Handy. Der höchste Durchschnittswert war entscheidend für die Platzierung. Nach jedem Bewertungsintervall folgte großes Gelächter.

In dem abgedunkelten Hörsaal herrschte gut zweieinhalb Stunden lang Hochspannung und viel Spaß, was vielleicht auch daran lag, dass endlich wieder eine Veranstaltung in Präsenz stattfinden konnte. Am Ende versprach MUG-Vorstandsvorsitzender Peter Höppe begeistert: "Diese Veranstaltung werden wir jetzt jährlich machen." So wolle man junge Leute für die Universitätsgesellschaft gewinnen, die vor 100 Jahren zur Unterstützung der LMU gegründet worden ist.

Wettbewerb an der LMU: Wer erhält den meisten Beifall? Der Lärm wird per Handy gemessen.

Wer erhält den meisten Beifall? Der Lärm wird per Handy gemessen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Der Wettbewerb war in drei Kategorien aufgeteilt. Ted Talk, Freestyle und Poetry Slam. Die Themen der Vorträge sollten sich möglichst um Studieninhalte oder den Studentenalltag drehen. Nur in einem Fall war diese Vorgabe nicht erfüllt: Birgit Hufnagl bekannte, dass sie nie an einer Uni war. Die 53-Jährige bewies aber als Poetry-Slammerin viel Wissen über Ernährung und Zahnhygiene. Das ließ sie gereimt mit zahlreichen Zischlauten durch ihre Zahnreihen zwitschern. Nicht immer ganz verständlich, aber es wurde klar, dass sie den Birkenzucker Xylit, Kieselerde und Kokosöl als gut fürs Zahnfleisch hält.

Für einen der mit 1000, 500 und 250 Euro dotierten, von der Stadtsparkasse und Roche spendierten ersten drei Preise reichte es nicht für sie. Dafür war dieser Kategorie zu stark besetzt. Die Sprachtherapeutin und Drittplatzierte Laura Schiffl philosophierte über Sprache als "feine Seele" und als etwas, das uns enger zusammenbringe. Die Zweite, Elena Natroshvili, hielt auf Deutsch und Englisch ein Plädoyer für Sprachwissenschaften und echauffierte sich über das neue Hochschulgesetz. Kürzungen bei den Geisteswissenschaften, das gehe gar nicht: "I say it loud and proud: I love my faculty", reimte sie. Mit großer Geste warf sie am Ende ihr Skript von sich, das sie erst zwei Tage vorher verfasst hatte, und fiel in die Arme ihrer Freundinnen.

Publikumsliebling, weil umwerfend ehrlich und komisch, war der Poetry-Slam-Sieger Felix Metzger. Ein 22-jähriger Tiermedizinstudent, der von den Nöten in seinem Fach erzählte, in dem die Frauenquote bei 90 Prozent liegt. Er sprechreimte über sein Studium zwischen strebsamen Pferdemädchen, Hundefrauen und Katzenliebhaberinnen. Er beklagte die fehlende Toleranz gegenüber 1,88 Meter großen American-Football-spielenden Männern wie ihn.

In der Kategorie Freestyle ging Cem Araz mit 1000 Euro nach Hause. Der Doktorand in Neurowissenschaften trat wie ein Profi-Rapper auf. Den Rücken manchmal gekrümmt, seine Beine im Takt der Worte schwingend, rappte er über den Tod als "eine Folge von Mutation und Gas", beschrieb den Homo sapiens als "rätselhaftes Tier" und bat diese Spezies, doch zusammenzuhalten: "Einer für alle, alle für einen."

Wettbewerb an der LMU: Magdalena Mittermeier setzt sich in der Kategorie Ted Talk durch.

Magdalena Mittermeier setzt sich in der Kategorie Ted Talk durch.

(Foto: Stephan Rumpf)

Bei den Ted Talks, die nicht länger als fünf Minuten dauern durften, setzte sich Magdalena Mittermeier, 29, durch. Die Geografie-Doktorandin sprach über Sommer, Sonne und extreme Wetterereignisse wie Hochwasser und Dürre. Vor drei Wochen erst hat sie ihre Doktorarbeit abgegeben. Mit ihrem Städtevergleich München versus Berlin traf sie den Spaßnerv der Zuhörer. Hier sei man im Wasser, dort am Wasser, sagte sie. Mit einem Hoffnungsschimmer beendete Mittermeier ihren Vortrag - und der Aufforderung, etwas für den Planeten zu tun. Sie wolle ihr Preisgeld für den Klimafonds von Plan International spenden, erzählt sie tags drauf am Telefon.

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