LKA hebt Kokain-Dealerring aus:Tod in Kapseln

Das Rauschgift wird in Folien verpackt und dann geschluckt - Fahnder nehmen 19 Verdächtige fest.

Susi Wimmer

,,Kaltschnäuzig und menschenverachtend", das sind die Worte, die Josef Geißdörfer vom Landeskriminalamt zu dieser Geschichte einfallen. LKA und Zoll haben einen nigerianischen Drogendealer-Ring ausgehoben, der jahrelang die Münchner Szene mit Koks versorgt hat.

LKA hebt Kokain-Dealerring aus
(Foto: Foto: dpa)

Das Besondere an dem Fall: Der Stoff wurde nicht im Gepäck von Südamerika über Afrika gen Deutschland geschmuggelt, sondern im Körper der Drogenkuriere.

Wenn ein einziger dieser schlecht verpackten Pads sich in Magen oder Darm löst, ist der Schmuggler binnen fünf Minuten tot. Die Gier nach dem schnellen Geld ließ die Akteure aber offenbar das tödliche Risiko vergessen.

Mario Huber, Leiter des LKA-Rauschgiftdezernats, erzählt von der monatelangen kriminalistischen Puzzlearbeit und von sichergestelltem Kokain im Wert von etwa einer halben Million Euro. Gestern gab das LKA in einer Pressekonferenz die Festnahme von insgesamt 19 Drogenkurieren und -händlern bekannt, 15 von ihnen befinden sich derzeit in Haft.

Die Männer und Frauen stammen hauptsächlich aus Nigeria, sind arbeitslos, wohnen in München und haben sich hier einen florierenden Kokain-Handel aufgebaut. Acht Kilogramm des weißen Pulvers wurden in gut einem Jahr von den Polizisten sichergestellt, ,,aber das ist sicher nur die Spitze des Eisberges'', sagt Staatsanwalt Stefan Weickert.

Der aufputschende ,,Schnee'' aus Blättern des Kokastrauchs stammt vor allem aus Kolumbien, Peru und Bolivien. Allerdings sind diese Länder nur Zulieferer: Kontrolliert wird der Handel von Mexikanern. Der Stoff gelangt entweder per Schiff nach Westafrika oder per Flugzeug in Richtung Europa.

Über Schiffscontainer war auch die eben verhaftete Bande aus Nigeria mit Stoff versorgt worden. In Westafrika wird das Kokain zwischengelagert und unter anderem zu etwa vier Zentimeter langen Pads gepresst. Diese werden dann von Kurieren geschluckt.

Und das wird trainiert: In speziellen ,,Schulen'' üben die Nigerianer mit Holzpads und jeder Menge Wasser das Überwinden des Brechreizes und das Schlucken der ,,Ladung''. Doch auch anal und vaginal werden die Pads im Körper versteckt. Rudolf Pfab, Toxikologe am Klinikum Rechts der Isar, hat beobachtet, dass auch hier der Trend zur Billigware geht.

Tod in Kapseln

Waren früher die Pads noch gut verschweißt, ,,trennen jetzt oft nur zwei dünne Haushaltsfolien den Schmuggler vom Tod''. Es sei erstaunlich, ,,dass es so oft gut geht."

Auf die nigerianische Drogenbande war das Bundeskriminalamt erstmals Anfang 2005 aufmerksam geworden: Damals wurde am Flughafen in Lagos eine 25-jährige Nigerianerin mit 500 Gramm Kokain im Gepäck verhaftet. Da die Frau hochschwanger war, durfte sie in Afrika nicht vor Gericht gestellt werden und kam wieder frei.

Das Bundeskriminalamt schaltete die Kollegen in München ein, zumal die 25-Jährige hier gemeldet ist. Das LKA zapfte 65 Telefone an, wertete gut 50 000 Telefonate aus, teilweise im afrikanischen Dialekt Ibo. Nach und nach gingen die Händler und Kuriere ins Netz.

Beispielsweise ein 38-jähriger Nigerianer aus dem Landkreis Dachau, der Anfang Juli 2006 mit einem Kilogramm Kokain, abgepackt in 67 Body-Packs, am Frankfurter Flughafen verhaftet wurde. Ein 31-jähriger Nigerianer kam auf die Idee, gut ein Kilogramm Kokain in seinen Schuhsohlen zu verstecken. Der Mann wurde nach Observationen in Oberschleißheim verhaftet. Er hatte Schuhgröße 46.

Schon seit einiger Zeit beobachtet Mario Huber vom LKA eine echte Kokainschwemme in Deutschland. ,,Aufputschende Drogen entsprechen dem Zeitgeist'', sagt er.

Den Fang von acht Kilo Kokain sieht er als Erfolg, dass aber ganz andere Mengen in Umlauf sind - in Europa wird von einem jährlichen Konsum von etwa 250 Tonnen pro Jahr ausgegangen - weiß er natürlich. ,,Stoff?, sagt Huber, ,,ist leider genug verfügbar''.

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