Literaturfestival:Mehr als Elena Ferrante

Elio Vittorini e Maria Luisa Spaziani

Eleganter als ihre deutschen Kollegen von der Gruppe 47: Der Schriftsteller Elio Vittorini mit der Dichterin Maria Luisa Spaziani 1954.

(Foto: Mario De Biasi/Mondadori/oh)

Was lesen die Italiener? Antworten gibt es beim deutschlandweit ersten Festival für italienische Literatur in der Pasinger Fabrik

Von Jutta Czeguhn

Francesco Magris stammt aus der Literatenstadt Triest, von der die Schriftstellerin Jan Morris sagt, sie liege etwas eingeklemmt in einem Knick auf der europäischen Landkarte. Und dennoch, oder gerade deswegen, wurde in der Metropole an der Adria die noble Utopie eines toleranten, humanistischen Europas selbstverständlicher als anderswo gelebt. "Al margine" nennt Magris sein Buch, das unter dem Titel "Die Grenze" auf deutsch erschienen ist. Der Ökonom, Sohn des berühmten Claudio Magris, untersucht in diesem Essay das Phänomen der Randständigkeit. Magris ist eine der Stimmen, die beim ersten italienischen Literaturfestival in Deutschland zu hören sein wird. Gastgeber für "ILfest", wie es die Veranstalter nennen, ist vom 24. bis 26. Mai die Pasinger Fabrik.

Ist es Zufall, dass dieses Festival auf das Wochenende der Europawahl fällt, bei der den Rechtspopulisten, auch der italienische Lega mit ihrer Politik der geschlossenen Häfen ("Prima gli italiani!" -"Italiener zuerst"), Erdrutscherfolge vorausgesagt werden? "Es ist ein absoluter Zufall", beteuert Elisabetta Cavani. Das Organisationsteam habe schlicht keinen anderen Termin gefunden für das ambitionierte Projekt. "Aber natürlich, unser Festival ist ein Ja zu Europa, ein Ja zum Austausch zwischen den Ländern."

Die Menschen durch Literatur zusammenbringen, nichts anderes hat Cavani auch bislang getan. Sie stammt aus Bologna, kam Anfang der Achtzigerjahre nach Deutschland und hat in München Buchwissenschaften studiert. Schon damals spukte in ihrem Kopf die Idee herum, eine Buchhandlung mit italienischer Literatur zu eröffnen. Auch weil sie es enorm satt hatte, kofferweise Bücher über den Brenner zu ihren lesehungrigen Landsleuten zu schleppen. Und auch die vielen italienvernarrten Münchner damit zu versorgen. 25 Jahre hat ihr Laden "Ital-Libri" existiert. Es gab gute und zuletzt weniger gute Jahre. 2016 kam dann das Aus für die kleine Buchhandlung an der Nordendstraße, nicht aber für Cavanis Mission, die italienischen Bücher an die Leser zu bringen. Ital-Libri lebt nun online weiter. Und Elisabetta Cavani hat mehr Zeit für neue Projekte.

ILfest, eine schöne Wortspielerei mit dem männlichen italienischen Artikel "il" und der Abkürzung für italienische Literatur - ist so ein Projekt. Als Frau vom Fach registriert Cavani, dass zwar die Buchverkäufe sinken und die Menschen weniger zu lesen scheinen, dass aber gleichzeitig die Buchmessen Besucherrekorde verzeichnen. "Es gibt mittlerweile italienische Literaturfestivals in New York, Bordeaux oder London", erzählt sie. Die Leser suchen die Nähe zu den Autoren. "Und sie wollen Geschichten hören, das wird immer so bleiben", ist Cavani überzeugt. Für die Idee vom ersten Festival der Italienischen Literatur in Deutschland hat sie Francesco Ziosi gewonnen, den jungen, engagierten Leiter des Istituto Italiano di Cultura München, und Thomas Linsmayer, Kurator der Pasinger Fabrik. Der hat in Ferrara studiert und spricht fließend Italienisch. Unterstützung kommt auch vom Kulturreferat der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia und privaten Sponsoren. Schirmherrin ist das Italienische Generalkonsulat.

In Zeiten, in denen Italiens Vizepremier Matteo Salvini den Bestseller-Autor Roberto Saviano wegen Verleumdung vor Gericht zerrt und die Lega aus ihrer Verachtung gegenüber den Kulturschaffenden keinen Hehl macht, gibt es gewiss viele Fragen an die Literaten, die in der Fabrik auftreten werden, auch wenn das Festival, zumindest vordergründig, nicht politisch ausgerichtet ist. "Ich wollte auch Autorinnen und Autoren einladen, die nicht unbedingt alle schon ins Deutsche übersetzt sind", sagt Caviani. Da ist Fabiano Alborghetti, geboren 1970, der über das schwere Leben einer italienischen Familie schreibt, die in den Fünfzigerjahren ins Schweizer Tessin auswandert. Alborghetti findet dafür eine ungewöhnliche Sprache, er schreibt in Versform, ebenso wie Franceso Targhetta (Jahrgang 1980). Die beiden werden miteinander über ihre Poetik sprechen. Aber wohl nicht nur darüber. Kaum bekannt sein dürfte deutschsprachigen Lesern auch der apulischer Autor Omar di Monopoli. Er sieht sich in der Tradition William Faulkners. Ebenfalls aus Apulien kommt Antonella Lattanzi, deren Erstling, das düstere Familiendrama "Una storia nera" krimihafte Züge trägt. Unter dem Titel "Noch war es Nacht" ist es bei Kindler erschienen.

Das Festival bringt auch jene an einen Tisch, die das Scharnier sind zwischen italienischer und deutscher Literatur, die Verlagslektoren und Übersetzer. Dazu sind zwei Podiumsgespräche geplant. Und Cavani und Co. wissen nur zu gut, dass ein Bücherfestival so gar keinen Sinn hat ohne eine eigene Sektion für den Lesernachwuchs. So gibt es Samstag wie Sonntag auch ein Programm für Kinder und Jugendliche. Studenten der italienischen Philologie der LMU wiederum hatten die Idee zu einer Fotoausstellung, die jene Autorinnen und Autoren zeigt, die das Bild der italienischen Literatur des 20. Jahrhunderts im Ausland geprägt haben.

Im Jahr 2023 wird Italien erneut Gastland bei der Frankfurter Buchmesse sein. Bis dahin, so hofft Elisabetta Cavani, werde das Münchner ILfest wachsen und gedeihen. Der Flyer zum Festival zeigt ein zartes, aus einer Buchseite gefaltetes Papierschiff, einzige Passagierin ist eine junge Frau, die sich mit einem Megafon Gehör verschafft. Wohl mehr als ein schönes, poetisches Bild, denn Origami-Bötchen sollen erstaunlich stabil sein.

ILfest, Italienisches Literaturfest München, 24. bis 26. Mai, mit Übersetzung ins Deutsche, Pasinger Fabrik, August-Exter-Straße 1. Näheres zum Programm und zu Tickets unter www.ilfest.de

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