Hier geben, kein Wunder bei dem Thema, erst einmal die Frauen den Ton an. "FEMale*Society" wird ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern, Künstlern und Journalisten des zunächst auf fünf Jahre angelegten Forschungsprojekts "#femaleheritage - Neue Formen der Erinnerungskultur" des Literaturarchivs Monacensia im Hildebrandhaus in Kooperation mit den Münchner Kammerspielen sein.
Dabei sind aber, erkennbar am doppeldeutigen Titel, ausdrücklich auch Männer dazu aufgerufen, tatkräftig mitzumischen. Also kann man in diesem Fall das politisch korrekte Gendersternchen im ideologisch wasserdichten Neudeutsch nicht einfach weglassen. Die von Beginn an frauendominierte Monacensia ist jetzt also nicht mehr allein. Münchens traditionsreiches Schauspielhaus verpflichtet sich, nunmehr ganz in Frauenhänden mit Barbara Mundel als Intendantin und Viola Hasselberg als deren Stellvertreterin an der Spitze, explizit feministischen Themen.
Geleitet wird die als Netzwerk konzipierte Society von vier Frauen und einem Mann. Treibende Kraft bei der Monacensia ist Anke Buettner. Die will mit "#femaleheritage" nach "Lücken im literarischen Gedächtnis der Stadt" suchen und versuchen, diese mit frischem Blick auf die Dinge zu füllen. Die jeweils zeitbedingte, ideologisch orientierte Fixierung auf eine beschränkte Auswahl an Personen und deren Werk erscheint ihr als reichlich überholt. Buettner hat ja in den ersten gut zwei Jahren als Chefin des Münchner Literaturarchivs nicht nur mit der Erika-Mann-Ausstellung eine bedeutende Wegmarke gesetzt für ein neues Verständnis von Historie in ihrer Institution.
Denn das in einer Ausstellung Gezeigte soll künftig nicht als vollendetes Recherche-Resultat begriffen werden, sondern als Basis für weitere Forschungsbeiträge und somit inhaltliche Ergänzungen. Die Kommunikation darüber passiert im Internet, in Blogs, welche, ebenso wie die digitalisierten Ausstellungen selbst, dauerhaft dort stehen bleiben und beständig erweitert werden können. Wenn die Erika-Mann-Ausstellung also demnächst in Tschechien halt macht, erwartet Buettner durchaus Erhellendes zu Manns (Exil-)Kabarett "Die Pfeffermühle", das ja auch in der Tschechoslowakei gastiert hat.
Buettner fordert in ihrem Monacensia-Manifest eine "Erinnerungskultur der Vielen". Und das bedeutet nicht nur, zurück zu schauen und zu Unrecht Vergessenes auszugraben. Es gilt die Zukunft mitzudenken, um zum Beispiel mit Vorlässen zeitgenössischer Literaten und Literatinnen eine Recherche-Basis für künftige Generationen zu erarbeiten. Geschichte und eine neue Sicht darauf spielen demnach auch für die "FEMale*Society" eine entscheidende Rolle. Will heißen, man überprüft, was von den Idealen der Frauenbewegung von vor 120 Jahren noch relevant und gegenwartstauglich ist. Dazu hat Jessica Glause das Stück "Bayerische Suffragetten" für die Kammerspiele erarbeitet, das die frühen Kämpferinnen für Frauenrechte zu Wort kommen lässt (Premiere am 27. Juni). Es ist der sinnliche Beitrag zum "#Femaleheritage"-Projekt - einem besonders aufregenden, vielversprechenden Vorhaben, in einer gemeinsamen Anstrengung brandneues Wissen aus dem bislang Dunklen zu fischen.