Erzählungen von Ofelia Huamanchumo de la CubaWas München und Lima verbindet

Lesezeit: 2 Min.

Schriftstellerin, Hispanistin, Übersetzerin: Ofelia Huamanchumo de la Cuba.
Schriftstellerin, Hispanistin, Übersetzerin: Ofelia Huamanchumo de la Cuba. (Foto: privat)

Die Autorin Ofelia Huamanchumo de la Cuba ist in Peru geboren und lebt seit vielen Jahren in München. Ihrem Erzählband „Nachtschichten“ merkt man an, wie sehr beide Welten sie prägen.

Von Antje Weber

Eine Frau läuft um zwei Uhr nachts allein auf Stöckelschuhen durch München, geflohen vor einem unheimlichen Blind Date. Und während sie im Herbstnebel am Stadtrand dahinstakst, überfällt sie plötzlich die Wehmut: „Die Sehnsucht nach Risiko und Action. Nostalgie für die extrem feuchten, überfüllten Straßen meiner Heimatstadt Lima“.

München und Lima – diese beiden geografisch und kulturell weit entfernten Städte setzt Ofelia Huamanchumo de la Cuba immer wieder in Bezug in ihrem Erzählband „Nachtschichten“. Es ist das erste in einem deutschen Verlag erschienene Buch der 1971 in Peru geborenen Schriftstellerin und Hispanistin, die seit mehr als zwanzig Jahren in München lebt. Und der Maro Verlag hat es liebevoll gestaltet mit wunderbaren Illustrationen von Larissa Martins Gerich, die auf dem Umschlag so üppig farbig wuchern, dass die Nachtschwärze des Inhalts fröhlich in den Hintergrund rückt.

Buchcover von Ofelia Huamanchumo de la Cubas Band „Nachtschichten“.
Buchcover von Ofelia Huamanchumo de la Cubas Band „Nachtschichten“. (Foto: Maro Verlag)

Sie ist aber mal mehr, mal weniger immer zu spüren in den zwischen Tag und Nacht oszillierenden, schnörkellos kurzen Texten. Die Erinnerung an Lima zum Beispiel, die in der Erzählung „Allein“ bei der einsam durch München laufenden vierzigjährigen Frau aufploppt, ist nicht ungetrübt. „Ein Taxi, in dem man ausgeraubt werden könnte“, kommt ihr aus ihrer Jugend in den Sinn. „Ein anderes Taxi mit einem religiösen Fanatiker als Chauffeur. Ein Minivan ohne Fahrgäste, aber mit zwei Vergewaltigern: dem Fahrer und seinem Komplizen. Der qualvolle Hunger eines nackten Verrückten, der mitten auf der Straße lief.“

Wie es sich in verschiedenen Lebenswelten lebt, einer realen und einer im Kopf, führen diese Geschichten anschaulich vor. Hier wird mal explizit, mal zwischen den Zeilen deutlich, was beim Schamrock-Festival der Dichterinnen im vergangenen Herbst auch in den Gedichten von Ofelia Huamanchumo de la Cuba aufschien: ein viele Emigranten begleitendes Verlustgefühl, eine unauflösbare Orientierungslosigkeit.

„Ausländische Dichter sind nicht wie Kastanien, / denn sie schlagen keine Wurzeln“, hieß es da etwa in einem Gedicht. „Entwurzelt kehre ich meiner Sprache, / meiner heimatlichen Landschaft den Rücken zu / und sitze nun auf einer Bank am Mangfallplatz, / die jetzt auch mir gehört / und Ahmed und Yusuf /  und Rui und Ibrahima gehört sie auch.“ All jenen, die „nur aus Zufall“ nicht in einem Meer ertranken. Und die nun von den Einheimischen hören: „Genießen Sie den Wald, das Grüne, den bayerischen Himmel!“

Programm-Überblick
:Auf Liebe bauen – was das Literaturfest München bietet

„Sprachen der Liebe. Wie wollen wir leben?“ Unter diesem Motto steht das vom Herbst ins Frühjahr verlegte Literaturfest München 2025. Diskussionen, Lesungen, ein Symposium über Leidenschaften, eine „Münchner Schiene“ und etliche Extra-Formate sollen das Wir-Gefühl stärken.

Von Antje Weber

Zum Genießen haben zumindest die Figuren aus den Erzählungen von Ofelia Huamanchumo de la Cuba aber wenig Zeit. Sie arbeiten als Sanitäter in Nachtschichten, sie putzen Tische in Cafés, sie malen nachts in der Münchner Kunstakademie an Aktbildern oder treffen einen Liebhaber in einem billigen Stundenhotel in Limas Altstadt. Es sind höchst unterschiedliche Figuren und Orte, die die Autorin aufruft. Und auch Tiere haben hier ihren Platz: Mal folgt sie den Spuren eines Gürteltiers in den peruanischen Dschungel, mal entwickelt sie märchenhaft düstere Visionen eines diktatorischen Gockels. Oder sie erzählt von den magischen Kräften eines Meerschweinchens, von denen die deutsche Austauschfamilie einer jungen Peruanerin ziemlich überfordert ist.

Sehr verschiedene Welten prallen hier aufeinander oder schieben sich selbstverständlich ineinander. Die Sehnsucht, sei es bei Tag oder Nacht, schwingt jedenfalls immer mit. So groß wird sie manchmal, dass eine Hauptfigur sich nicht etwa eine Flasche Pisco oder edle Schokolade wünscht, als ein Peru-Reisender ihr etwas aus ihrem Heimatland mitbringen will: Sie wünscht sich, weil sie den Geruch Limas vergessen hat, „ein leeres Glas mit Luft aus ihrer Stadt“.

Ofelia Huamanchumo de la Cuba: Nachtschichten. Erzählungen. Maro Verlag 2025, 120 Seiten. Die Autorin ist beim Literaturfest München zu erleben: „Übersetzungen: München Beyond München“, Lyrik Kabinett, Donnerstag, 3. April, 19.30 Uhr

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Schriftsteller Jonas Lüscher über KI und Maschinen
:"Wir können nicht ohne die Technik. Aber auch nicht ohne die Liebe"

Mensch und Maschine – eine konfliktreiche Beziehung. Jonas Lüscher hat darüber einen Roman geschrieben und ist sich bei aller Kritik an KI-Entwicklungen und Elon Musk bewusst: Maschinen retteten ihm während einer Corona-Erkrankung das Leben.

SZ PlusInterview von Antje Weber

Lesen Sie mehr zum Thema

  • Medizin, Gesundheit & Soziales
  • Tech. Entwicklung & Konstruktion
  • Consulting & Beratung
  • Marketing, PR & Werbung
  • Fahrzeugbau & Zulieferer
  • IT/TK Softwareentwicklung
  • Tech. Management & Projektplanung
  • Vertrieb, Verkauf & Handel
  • Forschung & Entwicklung
Jetzt entdecken

Gutscheine: