Literatur:Im Rausch der Gefühle

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Da waren sie noch ein Herz und eine Seele: Erika Mann (links) war in jungen Jahren von Pamela Wedekind hingerissen. (Foto: Erich Sogalla / Münchner Stadtbibliothek / Monacensia)

Ein neues Buch über den turbulenten Kreis um Erika und Klaus Mann

Von Antje Weber, München

Sie sind, so glauben sie im jugendlichen Rausch, unzertrennlich. Die drei Kinder berühmter Schriftsteller sind einander verfallen: Erika Mann, den Frauen mehr zugetan als den Männern, schmachtet Pamela Wedekind an. Ihr Bruder Klaus schwärmt ebenfalls für die Tochter des Dramatikers Frank Wedekind: "Ich fände es auch hübsch, wenn wir uns verlobten", schreibt er ihr 1924, seiner Homosexualität zum Trotz: "Im Ernst."

Im Ernst? So ganz sicher kann man sich nicht immer sein, was die Regungen und Erwägungen des insbesondere in jungen Jahren turbulenten Kreises um Erika und Klaus Mann angeht. In einem neuen Buch beschreibt der Autor Armin Strohmeyr nun die Verstrickungen der "Dichterkinder" (Piper Verlag) um die Manns. Neue Erkenntnisse können Kenner des Mann-Kosmos dabei nicht erwarten, aber doch die ungewohnt breit angelegte und zugleich detaillierte Verknüpfung vieler Schicksale. Die einander sehr verbundenen Geschwister Erika und Klaus Mann pflegten seit ihren ersten wilden Jahren als "Herzogparkbande" einen großen Freundeskreis aus dem Künstlermilieu, von Pamela Wedekind und Ricki Hallgarten über Mopsa Sternheim und Annemarie Schwarzenbach bis zu Therese Giehse. Strohmeyr versucht, allen gerecht zu werden, nimmt neben den Manns aber insbesondere die Familien Wedekind und Sternheim in den Blick. Was da im Laufe der Jahrzehnte an Lebenswirren bis hin zu Skandalen zusammenkommt, ist schwindelerregend - und in manchen Fällen tragisch.

Mopsa Sternheim, zum Beispiel, die Tochter des Dramatikers Carl Sternheim und seiner Frau Thea, verzweifelt an ihrem syphilitisch zunehmend umnachteten Vater, der den Frauen bis hin zur eigenen Tochter nachstellt. Die Bühnenbildnerin liebt hoffnungslos den Dichter Gottfried Benn, versucht sich später an einer Ménage-à-trois mit dem wie sie selbst drogensüchtigen Maler Rudolph von Ripper und dem französischen Schriftsteller René Crevel; letzterer übrigens auch ein Freund und zeitweilig Geliebter von Klaus Mann. Mopsa Sternheim überlebt während des Nationalsozialismus, als Kämpferin der französischen Résistance festgenommen, das KZ Ravensbrück, 1954 stirbt sie mit 49 Jahren an Krebs. Etliche der ehemaligen Gefährten sind zu diesem Zeitpunkt bereits tot; Klaus Mann, René Crevel, Ricki Hallgarten haben sich selbst umgebracht.

Mit den Sternheims ist auch das Leben von Pamela Wedekind eng verknüpft, allerdings zum Missfallen ihrer Freunde. Auf ihre Verlobung mit Klaus ist, wenig verwunderlich, keine Hochzeit gefolgt. Statt dessen heiratet die junge Schauspielerin schließlich den viel älteren und - siehe oben - mit Vorsicht zu genießenden Carl Sternheim, Vater der mit ihr befreundeten Mopsa. Das beschädigt, man ahnt es, auch die Beziehung zu den Mann-Kindern erheblich. Nach dem Krieg werden sich Pamela und Erika zwar wieder versöhnen; der Ernst des Lebens jedoch hat alle Dichterkinder längst eingeholt.

Dichterkinder , Dienstag, 10. März, 19 Uhr, Monacensia, Maria-Theresia-Str. 23, Eintritt frei

© SZ vom 10.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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