Süddeutsche Zeitung

Literatur:Hang zum Dramatischen

Lesezeit: 3 min

Der "Drei Masken Verlag" für Theaterliteratur feiert heuer 111. Geburtstag. Doch die Coronakrise bringt auch das traditionsreiche Münchner Unternehmen in finanzielle Nöte

Von Christiane Lutz

Dirk Olaf Hanke muss überlegen, welches die letzte seiner Premieren war, die er gesehen hat, so lang ist das her. "Meister und Margherita am Schauspiel Leipzig", fällt ihm dann ein, "am 7. März 2020." Danach ging bekanntlich nicht mehr viel. Hanke spricht stets von "unseren Premieren", wenn er Inszenierungen von Texten meint, deren Autoren er mit dem "Drei Masken Verlag" vertritt. Im Falle von "Meister und Margherita" vertritt er nicht Michail Bulgakow, sondern Alexander Nitzberg, der den Roman neu übersetzt hat. Vor April 2021, schätzt Hanke, wird er keine Premiere sehen.

Wenn nicht gespielt, sondern höchstens geprobt wird, sind auch die Autorinnen und Autoren weniger gefragt. Geld verdient der Verlag nur, wenn Vorstellungen stattfinden. Theaterstücke liest niemand gemütlich zu Hause auf der Couch, sie leben von ihrer Aufführung. Anders als viele Buchverlage, die bisher recht glimpflich durch die Krise kommen, leiden Theaterverlage sehr unter den anhaltenden Corona-Maßnahmen und sind auf staatliche Hilfe angewiesen. In den vergangenen Monaten bezog und beantragte der "Drei Masken Verlag" Überbrückungshilfen. Dann sollten die Antragsteller plötzlich einen Nachweis von Verlusten erbringen. Nur: Wie andere hat der Verlag gespart, der Besitzer privates Vermögen beigesteuert, um rote Zahlen zu vermeiden. Doch auch der Beschluss steht wieder in der Diskussion. Kurz: Das bürokratische Durcheinander ist groß, und seit November ist fast keine Unterstützung angekommen. Eine geplante neue Stelle wird der "Drei Masken Verlag" wohl nicht finanzieren können.

Der "Drei Masken Verlag", in einem schmucken Altbau nahe der Theresienwiese untergebracht, ist einer der ältesten Theaterverlage Deutschlands. Der jüdische Komponist Ludwig Friedmann gründete ihn im November 1910 als Bühnen- und Musikverlag. Dirk Olaf Hanke, 58, übernahm die Leitung 2016. Zuvor arbeitete er als Dramaturg an verschiedenen Theatern. Im Grunde, sagt Hanke am Telefon, fühle er sich immer noch wie ein Dramaturg. Das heißt: "Wir sind die Vorsortierer. Wenn ein neues Stück zu uns kommt und wir es an die Theater weiter geben, haben wir oft beratende Funktion inne." Er überlegt,welcher Autor passt zu welchem Theater - und umgekehrt. Hanke kennt die Schreib-Trends, die aus Literaturwerkstätten kommen: "Wenn mir jemand eine Textfläche liefert, in der Migration, Umweltschutz, und Genderthematik vorkommt, da mache ich zu. Da will jemand einfach nur alles richtig machen." Er mag ungewöhnliche Zugriffe auf Stoffe und Debattenstücke.

Das Portfolio des Verlages ist groß: Dramatiker wie Jan Geiger oder Jugendtheater-Autorin Marisa Wendt sind dabei, Fredrik Brattberg, einer der meistgespielten Autoren Norwegens. Theaterstücke der Schwedin Lisa Langseth, deren Netflix-Serie "Liebe und Anarchie" sehr erfolgreich ist. Übersetzer sind dabei, wie Alexander Nitzberg mit Bulgakow. Der Verlag hat die Bühnenlizenz an Drehbüchern, beispielsweise von Fatih Akin und - ein Zuwachs, auf den Hanke sehr stolz ist - die Bühnenrechte am Pumuckl von Ellis Kaut.

In den Dreißigerjahren, nachdem sich der Verlag etabliert hatte, wurde das Unternehmen arisiert und zweigeteilt: "Drei Masken" für Schauspiel, "Dreiklang Drei Masken" als Musikverlag, dann in Berlin. Der Verlagssitz wurde 1943 bei einem Bombenangriff zerstört, 1951 zog das Unternehmen nach München zurück. Man baute das Geschäft damals vor allem mit Werken von Frank Wedekind und Shakespeare-Übersetzungen auf, namhafte Autoren wie Lion Feuchtwanger, Bertolt Brecht, Oscar Maria Graf und Heinrich Mann waren bei der Zerschlagung durch die Nazis verloren gegangen. Heute beschäftigt der "Drei Masken Verlag" vier Mitarbeiter und hat rund 1800 Titel im Angebot. Alle zwei Jahre vergibt er den "Münchner Förderpreis für deutschsprachige Dramatik" zusammen mit den Kammerspielen, so auch 2021. Hanke ist zuversichtlich: "Wir sichten gerade die Stücke, im Juni wird die Preisverleihung stattfinden." Bis mindestens dahin heißt es: durchhalten, nicht mürbe werden. Fast täglich führt Hanke Kummer-Gespräche mit Autoren, die um ihre Existenz bangen. Einige Theater wollen bereits geschlossene Verträge auflösen, weil sie nicht wissen, ob und wann Premieren stattfinden können.

Der 110. Geburtstag des Verlags 2020 musste coronabedingt ausfallen. "Feiern wir eben den 111. Geburtstag", sagt Hanke, "das wäre ohnehin mehr im Sinne von Karl Valentin." Den verlegen sie nämlich auch.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5179036
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 20.01.2021
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.