Süddeutsche Zeitung

Literatur für Kinder:"Meerchen" erleben

Zum Auftakt von "Lesestart" geht Clowness Glucks mit Dreijährigen in der Stadtbibliothek auf Schatzsuche

Von Barbara Hordych

Diese Clowness hat es faustdick hinter den Ohren: Erst einmal rekrutiert sie "Frau Kursawe" aus dem Publikum, um ihr aus Stühlen einen Schiffssteg zu bauen. Ein ums andere Mal muss die Helferin die beiden roten Stühle voreinander stellen, damit Kirstie Handel alias "Clowness Glucks" über das Meer balancieren kann. Das liegt ihr in Form eines blauen Tuchs zu Füßen und wurde von Glucks zuvor "gesalzen". Schließlich heißt es doch "Meersalz", oder? Ihre Zuschauer, rund 25 Kinder, die in Begleitung von etwa doppelt so vielen Erwachsenen an diesem Vormittag in die Stadtbibliothek im Gasteig zum Auftakt des Aktionsprogramms "Lesestart" erschienen sind, quietschen vor Vergnügen.

Diana Kursawe ist nur ausnahmsweise als Stühlerückerin für Clowness Glucks tätig, hauptberuflich leitet sie den Arbeitskreis des "Lesestart"-Programms der Stadtbibliothek. Schon 2013, als das Bundesministerium für Bildung und Forschung das frühkindliche Leseförderprogramm gemeinsam mit der Stiftung Lesen ins Leben rief, war Clowness Glucks dabei. "Mit ihrer Geschichte erreicht sie die Kinder auf Anhieb. Extra für unser Format und die kleinen Kinder hat sie noch ein großes Klapp-Buch gebastelt", sagt Kursawe. Wie das ausschaut, kann man jetzt auf der Bühne erleben: Dort hat Kirstie Handel mit der roten Clownsnase, dem blau-weiß geringelten T-Shirt und dem blauen Glockenrock das überdimensionierte Buch aufgeschlagen: Auf den Innenseiten sind ein blaues Meer, Vögel, Fische und Wolken zu sehen. "Seht ihr, auf der einen Wolke, das bin ich!" zeigt sie den Kindern das Miniatur-Figürchen, das angezogen ist wie sie.

Für ihre "Geschichte vom Meer" fördert sie die unterschiedlichsten Meeresbewohner aus ihrem großen braunen Koffer zutage: Ein rosa Plüschferkel stellt ein "Meer-Schweinchen" vor, eine Plüschbulldogge einen "See-Hund", ein Plüschpony ein "See-Pferd", ein schwarz-weiß geflecktes Kälbchen eine "See-Kuh"; als Proviant hat sie sich Bananen und Äpfel, eben "Meeres-Früchte", eingesteckt und um den "Meeres-Spiegel" zu messen, nimmt Glucks einen Handspiegel zur Hand.

Die Kinder haben sichtlich Spaß an diesem "Unsinn", der sich aus den Ungereimtheiten zwischen Gegenständen und ihren Bezeichnungen ergibt. "Schon die ganz Kleinen lieben solche Sprachspielereien und den Wortwitz", sagt Kursawe. Das hat sich auch unter den Münchner Familien und Kitas herumgesprochen, die die Lesestart-Aktionen vormittags in ganzen Gruppen oder nachmittags in Eigeninitiative besuchen. Noch bis 22. Februar gibt es in allen 22 Münchner Stadtbibliotheken kostenlose Angebote für Dreijährige, die Freude an Geschichten, an Reimen, an Illustrationen, am Sprechen und Entdecken wecken sollen. Im ersten Jahr waren es noch 120 Veranstaltungen, im sechsten Jahr ist das Programm auf 190 angewachsen. Es wird gesungen, getanzt, gelacht und gespielt, analog wie digital. "Die Kinder sollen die Bilderbücher mit allen Sinnen erleben", sagt Kursawe. Deshalb habe sie auch wieder die Tanzpädagogin Sabine Krenn mit ins Boot geholt, "sie macht das ganz toll, bei ihr können die Kinder mit Orff-Instrumenten die Geschichten und Gefühle vertonen, von denen die Bilderbücher erzählen".

Beim reinen Zuhören und Zuschauen bleibt es auch bei Glucks nicht. Denn Kirstie Handel fordert ihr junges Publikum auf, einen "Fischschwarm" zu bilden und mit ihr in der Bibliothek auf Schatzsuche zu gehen, immer den kleinen Papierfischschen nach, die den Weg weisen.

"Sie machen tatsächlich mit", sagt Matthias Mück. Er verfolgt vom Rand aus, wie seine dreijährige Tochter Julia aufsteht, um sich dem "Schwarm" anzuschließen. Seine Tochter wachse sogar mit zwei Sprachen auf, weil seine Frau Spanierin sei, erzählt er. Wie funktioniert das im Alltag? "Wir beherzigen konsequent die Regel: eine Person, eine Sprache." Mit ihrer kleinen Tochter waren die Eltern im vergangenen Dezember schon beim interkulturellen Märchenfest in der Stadtbibliothek, "dieser Ansatz, die Sprachenvielfalt zu vermitteln, hat mir so gut gefallen, dass ich jetzt wieder gekommen bin". In der deutsch-spanischen Kita seiner Tochter hat er auch deren Freundin Lotta mit ihrer Mutter Ulrike Wißmeier für die Auftaktveranstaltung im Gasteig gewinnen können. "Mein Mann ist Mexikaner, auch wir sprechen zu Hause zwei Sprachen", sagt Wißmeier.

Derweil haben Julia und Lotta mit dem "Fischschwarm" den Schatz gehoben: Jedes Kind erhält eine gelbe Stofftasche mit Malbüchern und Stiften. Zusätzlich gibt es einen Satz bunter Flyer mit Informationen zu weiteren Veranstaltungen. Wer etwa Clowness Glucks und ihr vieldeutiges "Meerchen" erleben möchte, hat dazu am 19. Februar um 16 Uhr in der Stadtbibliothek Bogenhausen Gelegenheit.

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SZ vom 15.02.2019
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