Literatur:Die Schwabinger Südkurve

Michael Lemling in der Buchhandlung Lehmkuhl in München, 2012

Bald wieder offen: Am Montag, 27. April, kann Geschäftsführer Michael Lemling die Buchhandlung Lehmkuhl in Schwabing wieder aufsperren.

(Foto: Stephan Rumpf)

Buchhändler Michael Lemling fühlt sich zu Höchstleistungen angefeuert

Protokoll von Antje Weber

Das Kulturleben steht still - zumindest äußerlich. Innerlich, in den Stuben und Köpfen geht es natürlich weiter. Die Serie "Kunst der Pause" befragt die Kreativen ohne Bühne, die Dirigenten ohne Orchester, die Schauspieler ohne Set, die Kuratoren ohne Galerien, was sie nun tun. Der Germanist und Politikwissenschaftler Michael Lemling leitet seit 2006 als Geschäftsführer die Buchhandlung Lehmkuhl.

SZ: Ihre Buchhandlung ist geschlossen - wie sieht die Lage für Sie und die Mitarbeiter derzeit konkret aus?

Michael Lemling: Wir haben gut zu tun, da wir die direkte Verbindung zu unseren Kunden über das Telefon und das Netz halten können. Das ist ein großes Glück in der Krise. Derzeit arbeiten wir in täglich wechselnden Kleingruppen. Jeden Morgen gibt es eine Besprechung, in der die anstehenden Aufgaben verteilt und überraschend viele neue Ideen entwickelt werden, die wir dann ausprobieren. Die einen bringen dann unsere stiefmütterlichen Social-Media-Kanäle auf Touren, andere zeigen Qualitäten als Logistiker oder Verpackungskünstler. Trotz Kurzarbeit: Die Stimmung im Team ist gut und zuversichtlich.

Mit welchen Mitteln stemmen Sie sich gegen die Krise?

Aus eigener Kraft kämpfen wir um jeden Euro, den wir "retten" können. Deshalb sind wir täglich von 10 bis 17 Uhr telefonisch und per E-Mail für unsere Kunden erreichbar, beraten, bestellen, verpacken die Bücher, bringen sie zur Post oder liefern von 80801 bis 80803 direkt in den Briefkasten. Unser zweites Standbein ist unser Onlineshop, dessen Umsätze sich seit dem Lockdown verzehnfacht haben. Wir erfahren derzeit eine großartige Unterstützung von vielen Kunden. Mir kommt es vor wie im Stadion: Unsere Schwabinger "Südkurve" feuert uns kräftig an und treibt uns zu Höchstleistungen. Tatsächlich ist der Job gerade sehr sportlich. Trotz alledem: In der Kasse klafft ein großes Loch. Deshalb haben auch wir Kurzarbeit eingeführt und werden absehbar Soforthilfen und Kredite benötigen.

Welche Form von Unterstützung würde Ihnen zusätzlich helfen?

In den letzten Wochen ist eine große "Luftbrücke" zum Buchhandel entstanden, an der viele mitgebaut haben und weiter benötigt werden: unsere Kunden mit ihrer Treue - und auch Geduld, wenn die bestellten Bücher mal etwas länger unterwegs sind; der Staat, mit seinen finanziellen Mitteln; die Verlage mit vielen kreativen Ideen und langen Zahlungszielen, der Börsenverein mit Rat und Beratung; die Feuilletons, die keinen Zweifel an der kulturellen Bedeutung des Buchhandels gelassen haben. Dieses Gemeinschaftswerk muss auf Dauer fortbestehen, weil ein noch größerer Kraftakt vor uns liegt, wenn die Buchhandlungen wieder öffnen dürfen. Buy local ist das Gebot der Stunde und wird es lange bleiben.

Was hilft Ihnen gegen triste Gedanken in diesen Tagen?

Die mir rätselhafte gute Laune meiner Kinder, denen ein Leben ohne Schule locker gelingt. Meine Wette lautet: Solange es ausreichend Nutella im Supermarkt gibt, ist mit Meutereien von deren Seite aus nicht zu rechnen.

Haben Sie einen besonderen Buch- oder sonstigen Tipp für uns Stubenhocker?

Ja, lesen Sie Peter Kurzeck. Erst seinen gerade aus dem Nachlass erschienenen Roman "Der vorige Sommer und der Sommer davor" und dann sein ganzes Werk. Kurzeck ist ein überwältigender Chronist der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Wer übers Hörbuch zu ihm finden möchte, der greife zu "Ein Sommer, der bleibt - Peter Kurzeck erzählt das Dorf seiner Kindheit". Das macht süchtig.

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