Der Markt legt sich zur Ruhe. Manche Händler haben ihre Planen schon über die Standl gezogen, andere verkaufen noch, Meersalz für zwei Euro, Kräuterseitlinge für zwei Euro und 90 Cent. Vorne auf den Bänken klirren die Gläser, Anstoßen zum Feierabend, die Sonne ist noch da.
Man könnte jetzt die Augen schließen und laufen, man würde riechen, was in den Vitrinen liegt, die Oliven, den Bergkäse. Vorne an der Frauenstraße aber fährt gerade die Konkurrenz vorbei, ein Wagen voller Pakete. Einer von diesen Lieferdiensten, die so manche fürchten, die um ihre Supermärkte bangen, vielleicht auch um ihre Marktplätze. Dabei könnte eine Stadt voller Lieferwege eine bessere sein.
Mehr und mehr bestellen sich die Münchner nach Hause, schon lange nicht mehr nur Bücher und Turnschuhe, sondern auch Mahlzeiten, manchmal selbst die Wocheneinkäufe. Die Supermärkte Edeka und Rewe bieten unter anderem an, Milch und Brot und Joghurt zu liefern. Auch Amazon hat für manche seiner Kunden einen Supermarkt im Internet eröffnet, solche Premium-Mitglieder zahlen 8,99 Euro im Monat.
Amazon liefert schon seit längerem Lebensmittel. Vom Sommer an will der Konzern mit "Amazon Fresh" auch leicht verderbliche Waren an die Haustüre bringen, innerhalb von ein bis zwei Stunden geliefert aus den Kühlregalen aus einer neuen Halle in Daglfing, im Osten der Stadt.
Noch bestellen die Münchner nicht einmal ein Prozent aller verkauften Lebensmittel im Netz, doch gerade weil die Zahl so niedrig liegt, rechnen Marktforscher mit einem Anstieg auf bis zu zehn Prozent in den kommenden Jahren. In anderen Sparten beträgt der Anteil längst um die 20 Prozent, bei Technik oder bei Mode zum Beispiel; die Konzerne wissen also, wo noch Potenzial liegt. Bei den ermatteten Großstädtern zum Beispiel, die am Abend nur noch Tasten drücken müssten statt den Einkaufswagen durch die Gänge zu schieben; auch wenn Nostalgiker gerne behaupten, ein solcher Einkauf sei doch bewahrenswert.
Nun ist an Orten wie dem Viktualienmarkt der Einkauf wirklich noch ein Erlebnis, so wie die Supermärkte das gerne hätten und in ihrer Werbung versprechen. Selbst der Discounter Aldi Süd hat im vergangenen Jahr in Unterhaching "eine Filiale der Zukunft" vorgestellt, mit Sitzbank und Kaffeeautomat statt Paletten, trotzdem wird das wohl kein Ort der großen Erlebnisse sein.
Selbst einkaufen oder bestellen - diese Frage wird für viele Münchner immer bedeutsamer. Collage: Dennis Schmidt/Foto: Robert Haas
Einkauf am Feierabend bedeutet meist eben nicht über den Markt zu flanieren und am Standl zu probieren, sondern sich mit anderen zwischen Regalen zu drängen wie an heißen Tagen auf der Wiese bei der Reichenbachbrücke, es gibt da einige Parallelen: schwitzende Körper, lautes Fluchen, Gespräche am Handy, die niemand hören will und jeder hören muss.
In einem Discounter hat der Herr an der Kasse stets schon alle Waren über das Band gezogen, bevor man es selbst bis zum Kartenlesegerät geschafft hat, Einkauf ist hier vor allem ein schnelles Erlebnis. 30, 40, 50 Artikel schieben Kassierer mittlerweile in einer Minute über den Scanner. Nicht mehr in den Supermarkt zu müssen, wäre also durchaus entspannend.
Nicht nur für die Münchner im Übrigen, auch für ihre Umwelt. Vor drei Jahren haben Ingenieure an der Washington University einmal verglichen, ob mehr Kohlenstoffdioxid in die Luft geht, wenn ein Lieferwagen unterwegs ist oder die Leute jeweils mit ihren Autos einkaufen. Die Transporter konnten den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid um mindestens die Hälfte reduzieren, je nach Route.