Liedermacher:Konstantin Wecker: "Die Bühne hält mich lebendig"

Liedermacher: Auch mit 70 Jahren denkt Konstantin Wecker nicht ans Aufhören.

Auch mit 70 Jahren denkt Konstantin Wecker nicht ans Aufhören.

(Foto: Maximilian Lottmann)

Ein üppiges Münchner Leben zwischen Musik, Politik und Rausch: Konstantin Wecker wird 70 Jahre alt - und ruft im Circus Krone zu "Poesie und Widerstand" auf.

Von Oliver Hochkeppel

Zum Liedermacher-Bühnenjubiläum vor drei Jahren betitelte Konstantin Wecker seine Tour "40 Jahre Wahnsinn". Jetzt, zu seinem runden Geburtstag, bräuchte er eigentlich nur die 40 gegen die 70 austauschen, stimmen würde es nach wie vor. War doch das Leben des schillernden Fürsten der deutschen Liedermacher, der auf so vielen Hochzeiten tanzte, so bewegt, wechselhaft und "uferlos" wie kaum eines.

Bayerischer Barock ist das, was sich da 70 Jahre lang abgespielt hat zwischen Schwabing und der Toskana, zwischen Lyrik und Bodybuilding, zwischen Musik und Film, zwischen Kabarett und Internet, zwischen Anarchismus und Spiritualität, zwischen Gedankenstrenge und Drogenrausch.

"Wie meine Lieder, so war mein Schicksal immer klüger als ich selbst", sagt Wecker. "Wie man ein Hündchen in sein Häufchen stupst, wenn es in die Wohnung gemacht hat, so hat es mich oft hineingetunkt. Wofür ich im Nachhinein dankbar bin." Das begann schon mit 18, als Wecker seinen Freiheitsdrang und seine geplante Dichterkarriere aus der Kasse der Riemer Rennbahn finanzieren wollte.

Mit einem Schulfreund, dem Sohn des Rennbahndirektors, stahl er das Wechselgeld des Pfingstrennens aus dem Tresor. Erstmals schlossen sich Zellentüren hinter ihm - "was mich in eine andere Realität beförderte", wie er sich erinnert. Doch dank des energischen Einsatzes seiner Eltern konnte er bald darauf das Abitur am Theresiengymnasium machen.

Oder sein Intermezzo als Versicherungsvertreter, das dadurch endete, dass sein bester Freund ihn fragte, warum er so ein Arschloch geworden wäre. Dann natürlich sein schon Ende der Siebziger begonnener, immer extensiverer Kokainkonsum, der im Jahr 1995 mit Weckers von allen Medien weidlich ausgeschlachteten Verhaftung endete. Mit 20 Monaten auf Bewährung - nach einem ersten Urteil auf zweieinhalb Jahre ohne Bewährung - ging die Sache Jahre später halbwegs glimpflich aus, zumal er von der Sucht wegkam.

Immer wieder vor dem Neubeginn

Doch menschlich, künstlerisch wie finanziell stand er wieder einmal vor einem Neuanfang. All diese Krisen überstand er durch die zwei Säulen, auf denen sein Leben ruht: Lyrik und Musik. Mitbekommen hat er beides von seinen Eltern. Den Sinn für Poesie erbte er von der Mutter: "Sie liebte Gedichte, besonders Balladen, und hatte immer eines auf den Lippen, Goethe, Schiller, Fontane. Das hat mir schon als Bub gefallen. Ich habe das erst nachgesprochen und dann angefangen, selbst Gedichte zu schreiben."

Die Musik kam vom Vater, einem Opernsänger. "Keiner von den berühmten; er war nicht auf den Bühnen der Welt zuhause, er war zu Hause," berichtet Wecker. "Immer hat er Opernarien oder Lieder geträllert, und ich habe das nachgesungen." Früh kam der kleine Wecker in den Rudolf-Lamy-Chor, er sang im Gärtnerplatztheater in Benjamin Brittens "Der kleine Schornsteinfeger"; Klavierunterricht vom sechsten Lebensjahr an, später Geige und Gitarre komplettierten die solide musikalische Ausbildung.

Eine solide musikalische Ausbildung

Zunächst wollte Wecker denn auch Opernkomponist werden. "Aber da kam mir Puccini dazwischen. Als ich die ,Tosca' sah, wurde mir klar, dass ich so etwas nie schaffen würde." Also begnügte er sich fortan mit der kleineren Form, bestärkt von der klassischen Pianistin Gitti Pirner, bei der er Unterricht nahm: "Die war so klasse zu sagen: Konstantin, warum sollen wir dich zum Pianisten machen? Das, was du so machst, ist doch viel spannender. Dafür werde ich ihr mein Leben lang dankbar sein."

Das Elternhaus war aber auch auf andere Weise prägend: "Das war der Antifaschismus. Mein Vater war einer der wenigen Kriegsdienstverweigerer in der Nazizeit, und er hat das überlebt." Früh wurde Wecker dadurch zum politischen Menschen, allerdings zunächst eher aus dem Bauch heraus: "Auch wenn ich mich damals in einem politischen Umfeld bewegt habe, war ich selbst politisch nicht wirklich informiert und klar. Ich wollte auch nie politischer Liedermacher sein."

Gefeiert wird auf der Bühne - wie immer

Auch das wurde er mehr oder weniger durch einen Nasenstüber des Schicksals. Denn seine eigenwilligen frühen Songs ("Die sadopoetischen Gesänge des Konstantin Amadeus Wecker" hieß seine erste LP von 1973) waren kein durchschlagender Erfolg: "Das kam in den Kleinkunstbühnen wie dem Song Parnaß" nicht so gut an. Aber in der Schwulenbar der Chansonette Micaela. Die habe ich begleitet, und sie hat mich intensiv zu Brecht und Hollaender geführt."

Bald darauf ist ihm dann "Der Willy" passiert. Das Lied über den totgeschlagenen Querdenker, gleichzeitig ein Abgesang auf das, was aus der Achtundsechziger-Bewegung geworden war, ist bis heute Weckers berühmtestes. Entstanden während einer Probe mit seinem Team Musikon in einem Nebenraum an einem alten Klavier, binnen einer Viertelstunde. "Meine Musiker haben mich dann gezwungen, das eigentlich private, für mich atypische Lied mit auf die Platte zu nehmen." Fortan war Wecker auch ein politischer Sänger.

Doch wenn ihn bis heute viele für einen radikalen Linken oder einen Kommunisten halten, ist das ein Missverständnis. "Meine großen Feinde waren damals ja nicht die Konservativen, sondern die Linken, also KPD/ML und wie die alle hießen. Die haben die Bühne gestürmt." Das war damals auch der Grund, sich in der Toskana ein Refugium zu schaffen, wo er bis heute seine kreativsten Schübe hat.

Nie war Wecker in einer Partei, und trotz seiner langjährigen Verbundenheit zur Lach- und Schießgesellschaft oder dem "Scheibenwischer" sieht er sich auch nicht als politischer Kabarettist: "Beim Kabarett war ich nur wegen meiner Freundschaft zu Dieter Hildebrandt, der meine Lieder mochte und mich als musikalischen Beitrag eingebaut hat." Vielmehr war der - von der Lektüre Henry Millers befeuerte - Anarchismus früh Weckers Grundhaltung, die Sehnsucht nach einer "herrschaftsfreien Gesellschaft", verbunden mit einem radikalen Pazifismus und einer zunehmenden Hinwendung zum Mystizismus.

So scheint Wecker seinen Frieden mit sich gemacht zu haben, was sich auch in seiner Gefühlslage äußert: "Der 50. Geburtstag war furchtbar für mich. Das war irgendwie das Ende der Jugend, alles ist vorbei, dachte ich. Der sechzigste war genauso schrecklich. Die Zahl hältst du nicht aus, dachte ich mir. Beim siebzigsten ist es jetzt anders: Irgendwann nimmt man sein Alter an und freut sich, dass man noch fit ist. Dieses Problem der entschwundenen Jugend stellt sich nicht mehr."

Wie schon so oft feiert Wecker seinen Geburtstag nicht zu Hause oder mit einer Party, sondern auf der Bühne des mit so vielen Triumphen verbundenen Circus Krone. Gleich an drei Abenden rund um seinen Ehrentag am 1. Juni (plus einem Zusatztermin am 21. Juli) schart er seine Musiker, sein Publikum und viele befreundete Kollegen um sich.

Beschenkt hat er sich schon selbst, mit der im April erschienenen Autobiografie "Das ganze schrecklich schöne Leben" und der neuen Doppel-CD "Poesie und Widerstand", die auch den Stamm des Repertoires der Konzerte bildet. "Das ist nicht nur ein Best-of mit zwei neuen Liedern", betont Wecker, "wir haben meine Lieblingstitel, über 30, nach dem heutigen Stand komplett neu eingeübt und aufgenommen."

Auch nach 2500 Konzerten, 25 Studio- und 17 Live-Alben, 52 Film- und Fernsehmusiken, 28 Musicals, zwölf Bühnenmusiken, 31 Büchern und zwölf Hörbüchern bleibt Wecker unermüdlich: "Die Bühne hält mich lebendig. Das ist ein enormer Antrieb. Ich werde nie vergessen, wie ich zwei Jahre vor seinem Tod, also so 1997, bei August Everding in seinem Büro im Prinzregententheater war und in seinen Terminkalender schauen konnte: Da waren Eintragungen bis 2014 drin."

Konstantin Wecker: "Poesie und Widerstand", Donnerstag und Freitag, 1. und 2. Juni, und Freitag, 21. Juli, Circus Krone, Marsstraße 43

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