Schon sein Name ist eine Hymne auf den Fußball. Er endet auf Tor, und die zwei Buchstaben davor kann man durchaus als kleines Ass interpretieren. Sportlich übersetzt könnte Astor also bedeuten: der beste Verwerter. Der Budenkönig. Eins-a-Abstauber.
Im Olympiastadion ragen Rugby-Tore in den Himmel, aber das ist Willy Astor herzlich wurscht. Der Kabarettist und Musiker hat nur Augen für den Fußball, den der Fotograf als Requisit mitgebracht hat. Mit einem passablen Steilpass bringt er seine Buben ins Spiel, die aufs Feld flitzen wie Schalker Stürmer, die eine Meisterschaft bejubeln, die dann doch keine wird. Luis und Lenn, drei und sechs Jahre alt, dürften ihren Papa an diesem Augusttag noch ein bisserl mehr lieb haben als sonst.
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Der FC Bayern eröffnet seinen 70 Millionen teuren Nachwuchs-Campus, der "die Antwort auf die Entwicklung im Weltfußball" sein soll. Präsident Hoeneß weiß: Die Nachwuchsarbeit kam zuletzt zu kurz.
Einmal dort Bälle kicken, wo Beckenbauer & Co. Fußballgeschichte geschrieben haben, das elektrisiert generationenübergreifend. Garantiert. Dass der Rasen, auf dem sich die Astorsche Dreierkette gerade bewegt, längst nicht mehr heilig ist, geschenkt. In ein paar Wochen, zur Wiesn, werden hier bei einem Länder-Turnier Rugby-Eier getreten, während der FC Bayern in Fröttmaning das Gewinnen perfektioniert.
Der 55-Jährige schnauft durch und lässt den Blick hinüber zur Südkurve des Stadions schweifen. Die Sonne strahlt, der Himmel so blau wie der andere Verein. "Hier haben wir den Stern zur Saisoneröffnung 1998 zum ersten Mal vor Publikum gespielt. Ich war nervös, aber er wurde sofort angenommen. Nicht ekstatisch gefeiert, aber angenommen."
Willy Astor wird noch öfter "der Stern" sagen, wenn er vom "Stern des Südens" erzählt. Jenem Lied, das er vor beinahe 20 Jahren geschrieben hat. Jenem Lied, das in ein Dutzend Sprachen übersetzt wurde und dessen Zeilen Hunderttausende Fans, wenn nicht gar Millionen kennen. Jenem Lied, das er zehn Mal auf dem Münchner Rathausbalkon und bei Geburtstagsfeiern des FC Bayern anstimmen durfte.
"Der Stern" ist der einzige Chart-Hit seiner Karriere, er verkaufte sich im ersten halben Jahr etwa 100 000 Mal. Kein Wunder, dass Willy Astor den Song als "Geschenk in meiner Künstlerkarriere" bezeichnet. Er sagt: "Das ist ein Teil meiner Kunst, für den ich mich nicht schämen muss."
Gut, da dürften die Meinungen auseinandergehen, zumindest unter Fußballfans, weil Fußballfans nun mal gerne giften. Fakt ist aber, dass Astor eines der populärsten München-Lieder und ein zeitloses Stück Fan-Kultur gelungen ist. "FC Bayern, Stern des Südens, du wirst niemals untergehen. Weil wir in guten wie in schlechten Zeiten zueinander stehen."
Der Refrain war als erstes da, die Melodie schnell gefunden. Eine Eigeninitiative war das, keine Auftragsarbeit, wie hier und da zu lesen ist. "Man darf nicht nach Glanz und Ruhm schielen", sagt der Komponist, "man macht es einfach". Der FC Bayern hatte ja in den Neunzigerjahren bereits "Forever Number One", das andere Stück. "Aber mir war die alte Hymne zu langsam, ich habe mich gelangweilt. Ich wollte was Rockiges", erzählt Astor, der schon ein Roter war, als er als Straßenfußballknirps im Hasenbergl einen auf Karl-Heinz Rummenigge machte.
Und es ist ja so: Um eine Hymne zu schreiben, eine echte Hymne und nicht etwas, das Schalke-vorschnell nur so bezeichnet wird, muss einiges zusammenkommen: Musikalität, Textsicherheit, Vereinsliebe und dreimal so viel Glück. Willy Astor hatte das, also alles. Bereits damals war er der Wortspielführer im Ensemble der bayerischen Kabarettisten.
Und mit "The Sound Of Islands" hatte er Mitte der Neunzigerjahre klargestellt, dass aus dem gelernten Maschinenbautechniker nicht nur ein kompetenter Gaudibursch, sondern auch ein prima Gitarrist geworden ist (seine neue, sechste Instrumental-CD erscheint Ende September). Außerdem hatte er das Glück, die richtigen Leute zu kennen.
Fredl Fesl:"Mach irgendwas, Hauptsache, du bleibst möglichst lange auf der Bühne"
Die Liedermacher-Karriere von Fredl Fesl begann in Garching-Hochbrück - durch einen Zufall. Sein Lied über den Glockenlärm im Viertel tat das Übrige.
Willy Astor arbeitete seinerzeit mit Stephan Lehmann beim Radiosender Antenne Bayern. Seinem Kollegen sagte er: "Du, ich glaube, ich habe eine Hymne geschrieben." Die beiden vollendeten den Text gemeinsam, Astor kümmerte sich um das Sound-Gewand. Und weil Lehmann damals schon Stadionsprecher beim FC Bayern war, dauerte es nicht lange, bis sie einen Termin bei Uli Hoeneß bekamen, dem damaligen Manager. "Das war im Juli 1998", erinnert sich der Münchner. "Nach zwei Minuten hat Hoeneß den CD-Player ausgemacht und gesagt: Das machen wir!"
Spaziert man mit Willy Astor und seinen Buben durch das Olympiastadion, wird nicht nur der Fußballer in ihm geweckt sowie das Spielkind (den Ball fürs Foto auf den Händen zu balancieren scheitert an der Länge der Gitarristenfingernägel), sondern ein bisschen auch der Nostalgiker. Zwei Mark habe die Stehplatzkarte als Jugendlicher gekostet, erinnert er sich an die Siebziger. Ein paar Mal im Jahr habe er sich Spiele live angeschaut.
"Fußball war mein Leben", sagt er und lächelt. "Wenn ich vom Stern erzähle, dann werde ich temperamentvoll, dann ist das alles wieder so nah." Kurz neigt er dazu, sentimental zu werden, dann erzählt er lieber lustige Anekdoten aus der Bayern-Familie. Zum Beispiel die, wie er dem damaligen Single Oliver Kahn geraten habe, sich bloß keine Christine zu angeln. "Da musst du aufpassen, die heißt sonst Kahn-Tine."
Zur Bayern-Familie zu gehören, dafür ist Astor sehr dankbar. Er schwärmt vom Charme eines Gerd Müller und erinnert sich, wie Giovane Elber im Chor sang, damals bei der Produktion der Single. Als Hauptsänger hatten sie Claus Lessmann engagiert, den Frontmann der Ingolstädter Hardrock-Band Bonfire.
Mit der Hymne im Rücken wurde Bayern gleich Meister
Der wurde inzwischen hier wie da ausgewechselt, aber das ist eine andere Geschichte. Vor ein paar Jahren gab es jedenfalls eine neue Aufnahme vom "Stern des Südens", sozusagen ein Update mit einer anderen Stimme. Auch die Interpretation von Lang Lang hat Astor noch im Ohr. Der weltberühmte Pianist spielte sein Stück auf einem Steinway-Flügel bei der Saisoneröffnung im Sommer 2015 in der Allianz-Arena. Das war einer dieser großen Momente.
Fast so einer wie 1998. Nach der Live-Premiere der neuen Hymne vor der Südkurve im Olympiastadion gewannen die Bayern übrigens 3:1 gegen den MSV Duisburg. Am Ende der Saison wurden sie Deutscher Meister. In der Spielzeit davor, als die Fans noch "Forever Number One" grölten, hieß der Erstplatzierte 1. FC Kaiserslautern.
Alle Folgen der Serie finden Sie hier. Die Songs und weitere München-Lieder gibt es bei Spotify auf der Playlist "Lieder der Stadt München".
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