Lieblingsdings:Nicht ohne meine Kuh

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Viktoria Raith mag die geschnitzte Kuh neben ihrem Zelt. (Foto: Florian Peljak)

Für Viktoria Raith, Wirtin des Andechser Zelts bei Tollwood, ist das geschnitzte, 1,2 Tonnen schwere Tier unverzichtbar. Wen wundert das bei einer, die im Allgäu aufgewachsen ist?

Von Clara Löffler, München

Man könnte meinen, ein Festzelt wie das Andechser Zelt auf dem Tollwood ist dann bereit, seine Tore zu öffnen, wenn Bier fließt. Oder die Bühne steht für die ersten Musiker. Nein, für Viktoria Raith, 70, läutet etwas anderes die Sommersaison Ende Juni ein. Kühe. "Wenn die Kühe liegen, kann das Festival beginnen", sagt die Chefin des Andechser Zelts. Was sie meint, sind zwei hölzerne Tiere. Eine Kuh und ein Kalb, um genau zu sein, die es sich draußen vor dem Veranstaltungsort mit ausgestreckten Hufen gemütlich gemacht haben. Und zwar Jahr für Jahr. Seit mehr als 20 Jahren.

Am Anfang, da hatte das Andechser Zelt wechselnde Mottos. Eines lautete: das Zelt der glücklichen Tiere. Und Raith bat ihren Mann, den australischen Künstler Patrick Brennan, eine geschnitzte Kuh beizusteuern. Davor hatten zwei Dackel neben dem Eingang gethront, in Anlehnung an die bayerischen Löwen. Rex und Linx, wie rechts und links. "Die waren nicht so groß, und die Besucher haben gerne mal versucht, sie wegzutragen", erzählt Raith. Das dürfte schwierig werden bei den Kühen, die größere allein wiegt 1,2 Tonnen. Das Holz stammt von einer 1999 im Sturm "Lothar" gefallenen Eiche. 300 Jahre war der Baum alt. Mit Handseilzug zogen Raith und Brennan ihn von einer Wiese.

Die Liebe Raiths zu den Tieren reicht weit zurück, bis in ihre Kindheit. Die verbrachte sie nämlich im Allgäu. "Da ist man auf dem Melkschemel gesessen oder mit den Kuhherden mitgelaufen, die jeden Tag durchs Dorf getrieben worden sind", erinnert sie sich. Heute wohnt Raith gemeinsam mit ihrem Mann in Niedersonthofen. Die Kühe sind das erste, was die beiden dort in den Tollwood-Lkw laden und das letzte, was in München den Platz verlässt.

Wenn Raith und Brennan im Olympiapark ankommen, erwartet sie erst einmal ein nahezu flaches Gelände. Mit Podesten und Pyramiden aus Paletten versuchen sie dann, Atmosphäre zu schaffen. Und auf der höchsten Pyramide werden Kuh und Kalb platziert. "Das ist immer ein kleines Ritual, zu entscheiden, in welche Richtung die Kuh schauen und wo dahinter ihr Kalb liegen soll", sagt Raith. Sie spricht von einer Millimeterarbeit und fügt hinzu: "Das nimmt der Besucher vielleicht gar nicht bewusst wahr, aber es schlägt sich in einer Art von Ruhegefühl nieder."

Heuer feierte das Andechser Zelt sein 25. Jubiläum. Mit zwei Jahren pandemiebedingter Verspätung sozusagen. Das Festival diesen Sommer hat Raith als besonders intensiv empfunden: "Die Leute haben am Nachmittag im Biergarten getanzt. Im Zelt war jeden Abend eine außergewöhnlich tolle Stimmung." Anfangs waren es nur Münchner Künstler, mittlerweile liefern Bands aus ganz Deutschland den "Soundtrack" dazu. Mindestens 300 Bewerbungen erhält Raith jedes Jahr. Früher kamen die noch im Kuvert, jetzt via E-Mail. Es hat sich einiges verändert seit 1995. Die Kühe aber, sie sind geblieben.

Bei "Lieblingsdings" erzählen Menschen, woran ihr Herz hängt, was sie durchs Leben begleitet, ihnen Glück bringt und wovon sie sich niemals trennen würden.

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