Das Wohnzimmer ist seit Wochen von einem Elefanten besetzt. Kein lebender, aber ein Elefant in Lebensgröße, gute drei Meter hoch und fast ebenso lang. Er besteht aus einigen Tausend Leuchtdioden und ist das Werk von Christian Felix, der seit Monaten daran bastelt. Im Herbst soll er fertig sein, zur internationalen Artenschutz-Konferenz. Dann wird der leuchtende Elefant an das Schicksal der Wildtiere erinnern und die Verantwortlichen mahnen, der Wilderei endlich ein Ende zu setzen. "Wenn es so weitergeht wie bisher, gibt es in zehn Jahren keine Elefanten mehr", sagt Felix. Das will er verhindern und mit seiner Lichtinstallation zum Protest aufrufen.
Von seinem Wohnzimmer hat Christian Felix einen schönen Blick auf den Gärtnerplatz. Die Einrichtung der Altbauwohnung zeugt von Stil, aber zur Zeit ist alles von Arbeitsmaterial überlagert: Kupferrollen, Klebeband, Spraydosen und Bänder mit Leuchtdioden. Seit Februar sitzt er jeden Tag an einem großen Werktisch, schneidet Kupferbahnen zurecht, klebt sie auf schwarz lackierte Alu-Rasterplatten und fixiert darauf dann die Leuchtdioden.
Alles muss nach einem komplizierten Plan geschehen, den der Physiker vorher ausgetüftelt hat. Jeweils acht Leuchtpunkte werden durch winzige Chips gesteuert, kleiner als Flöhe, die zwischen die Bahnen gelötet werden. Ein Spannungsmesser kontrolliert, ob ausreichend und an der richtigen Stelle Strom fließt. Fingerspitzengefühl ist da gefragt, und unendliche Geduld. Mindestens 900 Stunden Arbeit, so schätzt Felix, wird es wohl brauchen, bis sein Werk vollendet ist.
Der promovierte Physiker unterrichtet Mathematik und Physik am Garchinger Werner-Heisenberg-Gymnasium. Im Nebenberuf entwickelt er Lampen und Leuchtsysteme. Da lag es nahe, sein Engagement für Elefanten mit seiner Leidenschaft für Licht zu verbinden.
Die Idee stammt ursprünglich aus den USA. Dort wurden im vergangenen Jahr beim "Global March for Elephants and Rhinos" berühmte Bauwerke illuminiert. Der illegale Handel mit Wildtieren und ihren Körperteilen wie Elfenbein oder Rhinozeroshorn sei so lukrativ, sagt Felix, dass er den Profiteuren jährlich viele Milliarden Euro einbringe. Im kommenden September findet der weltweite Marsch wieder statt, im Vorfeld der internationalen Artenschutz-Konferenz in Johannesburg. Tierschützer wollen erreichen, dass dort der Schutz der Elefanten auf Rang eins gerückt und der Handel mit Elfenbein weltweit und ohne Ausnahmen verboten wird. Felix will seine Lichtinstallation deshalb am 15. September in der Münchner Fußgängerzone und vier Tage später in Berlin am Brandenburger Tor aufstellen.
Sein Herz für Dickhäuter hat Felix schon vor längerer Zeit entdeckt. "Elefanten sind intelligente Wesen mit einem komplexen Sozialverhalten", sagt der 53-Jährige. Seit er vor Jahren eine Fernsehdokumentation über einen sterbenden Elefanten in Afrika gesehen hat, ließ ihn das Schicksal dieser Tiere nicht mehr los.
"Das Abschlachten der Elefanten hat ungeheure Ausmaße angenommen", sagt er, "die Wilderei ist außer Rand und Band." Den Tieren werden bei lebendigem Leib die Stoßzähne abgehackt, sie werden abgeschossen, treten in Fußfallen und verenden kläglich, ihre Wasserstellen werden mit Zyankali vergiftet. Mütter werden vor den Augen ihrer Babys getötet, die dann oft hilflos umherirren und verhungern. "Es gibt Bilder von kleinen Elefanten, die ihre sterbende Mutter mit dem Rüssel abtasten und so traumatisiert sind, dass sie keinem Menschen mehr trauen und keine Hilfe annehmen."
Anderen kann man noch helfen. Darum kümmert sich unter anderem der Verein "Rettet die Elefanten Afrikas", dem Felix angehört. Die Organisation sammelt Spenden und vergibt Patenschaften. Mit dem Geld werden Schutzprogramme finanziert und Wildhütern ein angemessenes Gehalt bezahlt, damit die Wilderei eingedämmt wird. Felix hat auch eine Online-Petition auf change.org gegen Großwildjagd gestartet. "Es ist doch Wahnsinn", sagt er, "dass es im 21. Jahrhundert immer noch Menschen gibt, die damit prahlen, eines der letzten unter Artenschutz stehenden Tiere geschossen zu haben." Noch sind Großwildjägerei und die Einfuhr von Trophäen nicht gänzlich verboten.
Der schlanke, groß gewachsene Mann spricht mit ruhiger Stimme und wählt seine Worte mit Bedacht. Schon lange ist er Vegetarier, und seit er eine Dokumentation über das Bienensterben gesehen hat, mag er auch keinen Honig mehr essen. Aber er jammert oder resigniert nicht, sondern handelt. Und wenn er eine Sache anfängt, dann hat er sich das gut überlegt und bleibt dran. Dass man als Einzelner durchaus etwas bewirken kann, das hat er schon einmal bewiesen. Innerhalb weniger Wochen hat er - unterstützt von prominenten Mitstreitern - im Jahr 2000 ein Bürgerbegehren gegen den Umbau des Olympiastadions initiiert und mehr als 40 000 Unterschriften gesammelt. Mit Erfolg, wenig später wurde der Bau der Allianz-Arena beschlossen.
Diesen Gedanken - es lohnt sich, für eine Sache zu kämpfen - will der Lehrer auch seinen Schülern vermitteln. "Man kann immer wieder etwas bewegen. Zumindest muss man es versuchen, und oft wird man dafür belohnt." Es könne im Leben ja nicht nur darum gehen, das schnellste Auto, das neueste Handy zu besitzen. "Unsere Gesellschaft ist technologisch auf einem sehr hohen Niveau, aber sozial und ökologisch sind wir unterentwickelt", sagt er, während er Tee und Kekse serviert.
Als Student war er das erste Mal in Kenia und besuchte seine Tante, die dort eine Blindenschule leitete. Das war in den Achtziger Jahren und prägte seinen ersten Eindruck von Afrika, abseits des Tourismus. Ein paar Mal ist er noch nach Südafrika geflogen, aber jetzt konzentriert er sich ganz auf seine Aktionen zu Hause, um hierzulande die Menschen wach zu rütteln. "Die meisten Leute wissen überhaupt nichts von der grausamen Wilderei."
Die Wilderer lockt das schnelle Geld. Vor allem in China besteht eine große Nachfrage nach Rhinozeros-Hörnern, die, zu Pulver zermahlen, angeblich die Potenz der Männer fördern, und nach Elfenbein, dem "weißen Gold". Aber auch Deutschland hat nach Angaben der Tierschützer immer noch den fünftgrößten Elfenbeinmarkt weltweit. "Wenn die internationale Gemeinschaft jetzt nicht die Weichen stellt für ein komplettes, weltweites Handelsverbot, dann sind die Elefanten bald ausgerottet", sagt Felix.
Dabei war der Schutz schon einmal besser: Nachdem die Elefanten in den 1980er-Jahren erstmals von der Ausrottung bedroht waren, sorgte ein totales Handelsverbot dafür, dass sich die Populationen wieder erholten. Inzwischen gibt es aber für zahlreiche Länder Ausnahmen. "Nur Kenia hält sich streng an das Ausfuhrverbot und schützt seine Elefanten."
Jeder Leuchtpunkt in Felix' Installation symbolisiert eine Herde. Sie werden Stück für Stück ausgeschaltet. Das soll das Töten anschaulich machen. "Jedes Jahr werden in Afrika zehn Herden ausgelöscht, das sind etwa 35 000 Tiere". Dabei sind die Dickhäuter nicht nur eindrucksvolle Tiere, die die Menschen seit je fasziniert haben. "Sie sind auch hoch sensible Wesen", sagt Felix. Forscher berichten von den differenzierten Emotionen, zu denen sie fähig sind, und ihrer Fürsorge für Artgenossen. "Sie können auch weinen", sagt der Physiker. Deshalb wird er seinen Leucht-Elefanten so programmieren, dass ihm am Ende eine Träne aus dem Auge rinnen wird.