Lichtdesigner:Dieser Mann entwirft Bühnenshows für Phil Collins und die Rolling Stones

Lichttechniker Roland Greil, der die Bühnenshow für das Phil-Collins-Konzert gemacht hat. Olympiastadion

Drei Monitore, ein paar Dutzend Schalter und Regler: Damit kreiert Roland Greil auf den Bühnen der Stars Gänsehautmomente.

(Foto: Florian Peljak)

Roland Greil entfacht große Gefühle im Publikum - mal mit Flammenwerfern, mal mit einem grellbunten Lichtermeer. Dafür ist er bis zu sieben Monate im Jahr unterwegs.

Von Julia Bergmann

Ein Raunen geht durch die Menge im Olympiastadion, als das Publikum die ersten Takte von Phil Collins "In The Air Tonight" erkennt. Diffuses blaues Farbgewitter flackert auf der Bühne. Einzelne weiße Strahler funkeln im Rhythmus der Melodie auf, die Farben gedämpft durch den künstlichen Nebel der Maschinen. Als der erste laut dröhnende Ton des Stücks einsetzt, leuchtet die Bühne einen Moment lang in gleißendem Rot auf, bevor sie wieder zurück in ein kühles, blaues Eismeer kippt. Elegantes Drama. Ein Gänsehautmoment. Inszeniert von Lighting Designer Roland Greil. Der anders als Collins auf der Bühne für die 50 000 Augenpaare im Stadion verborgen bleibt.

Wenige Stunden zuvor, an einem knallheißen Nachmittag Ende Juni. Der 38-Jährige schlendert durch die leeren Reihen im Stadion. Die letzten ruhigen Stunden, bevor Phil Collins der Stadt sein emotionsgeschwängertes "Against all Odds" entgegenraunt. Noch liegt über dem Gelände eine träge Stille. Niemand, der nicht muss, hält sich bei der Hitze auf der Fläche auf. Aber Greil, ganz in schwarz gekleidet, bleibt stehen. "Man gewöhnt sich in diesem Job an vieles. Das Arbeiten in der Hitze, die vielen Reisen", sagt er. Anstrengend sei das schon mal, ja. Aber er wolle sich nicht beklagen. Er wirft einen Blick auf die Bühne, dann auf das sogenannte "Front of House", von wo aus Ton-, Licht-, und Kameratechnik während des Konzerts gesteuert werden. Greil lächelt jetzt. Plötzlich ist da diese Erinnerung an den Nachmittag vor 21 Jahren.

Mit Tina Turner hat es angefangen. 1998 stand Roland Greil zum ersten Mal fast allein vor einer großen Bühne, damals auf dem Königsplatz, wenige Stunden vor Turners Gastauftritt bei "Eros Ramazotti & Friends". Die letzten Klappstühle waren aufgestellt. Greil, zu dieser Zeit noch Schüler, hatte beim Aufbau geholfen. Er war gerade 17 Jahre alt, hatte den Kopf voller Träume. "Ich habe zu den Technikern geschaut und mir gedacht: Das wär's. Einmal so ein riesiges Konzert machen." Greil wusste: In ein paar Stunden würden die Lichter auf der Bühne angehen, Tina Turner Tausende im Publikum mit ihrer Stimme betören. Die Scheinwerfer im Takt ihrer Musik durch die Nacht tanzen. Und Greil wollte der sein, der sie zum Tanzen brachte.

Greil erzählt, schlägt dann die Sicherheitsabsperrung zum Technikbereich zurück und setzt sich auf seinen Stuhl vor die Monitore, die Dutzenden Regler und Schalter. Er ist da angekommen, wo er mit 17 Jahren unbedingt sein wollte. Durch Learning-by-doing. "Nach meinem Abitur habe ich mein Hobby zum Beruf gemacht und habe angefangen, in der Branche zu arbeiten und zu lernen", sagt er. Keine klassische Ausbildung, kein Studium. "Ja, keine Frage, man ist schon ein bisschen stolz." Ein gewagter Satz für Greil. Auch nach fast 20 Jahren als Lighting Designer, ist er vor allem bescheiden, diskret, professionell.

Daran ändern auch die Shows für die Rolling Stones, Adele, James Last, Spandau Ballett und die Ärzte nichts. Auch nicht die für Rammstein. Die Mega-Show, das Licht-und-Feuer-Spektakel, das dem Publikum allein beim Hinsehen den Adrenalinspiegel in die Höhe treibt, wenn plötzlich meterhohe Flammen in den Nachthimmel schießen. Greil hat sie mitentworfen. Visuelle Dekadenz von Feinsten. Und jetzt, in wenigen Stunden, wird er dafür sorgen, dass Phil Collins und seine Band im Olympiastadion im besten Licht dastehen. Wird Farbwelten kreieren und Lichtexplosionen durch das Stadion schicken. Es wird anders sein, als bei Rammstein, versteht sich. "Jeder Künstler hat da seine eigenen Vorstellungen und Vorlieben." Wie die Show am Ende aussieht, darüber entscheiden auch die Bühnenpräsenz der Interpreten, ihre Geschichte, ihr Genre, die Zeit, aus der die Songs stammen, die Stimmung und Lyrics jedes einzelnen Titels.

Bei Collins gibt es keine auf die Spitze getriebene Opulenz, kein Flammeninferno. "Rammstein ist fast wie Theater. Der Fokus liegt auf der Inszenierung", sagt Greil. Bei Collins steht nicht die Show im Vordergrund, sondern die Musik. Greil wird das mit seiner Lichtshow unterstreichen. Sie wird mit darüber entscheiden, ob das Publikum einen guten Abend hat. "Wir retten keine Leben", sagt Greil. "Aber wir können Spaß zu den Menschen bringen."

"Wenn sie am Ende nicht stehen, haben wir etwas falsch gemacht"

Das ist Greil bewusst, seit er selbst im Grundschulalter sein erstes Konzert gesehen hat. Eine Countryshow. Sein Vater hatte ihn dorthin mitgenommen. Was da auf der Bühne los war, die Musik, die Scheinwerfer, das Bühnenbild - das hat ihn völlig in seinen Bann gezogen. "Ich war dann vielleicht elf oder zwölf, als ich angefangen habe, mir meine ersten Scheinwerfer und Lautsprecher im Baumarkt zu kaufen", sagt er. Zum Einsatz kamen diese anschließend auf seinen ersten Partys am Ammersee, wo er aufgewachsen ist. Früher haben die Geräte locker in einen Kofferraum gepasst. Heute braucht es 20 Lastwagen, um die Bühnentechnik zu transportieren. Darunter allein 353 Einzelscheinwerfer, die jetzt vor Greils Augen im Stadion hängen.

Kurz vor 17 Uhr, der Platz vor der Bühne füllt sich, die Vorband Wet Wet Wet wird bald zu spielen beginnen. Um deren Show kümmern sich andere. Die letzten Momente vor dem Konzert sind für Greils Familie reserviert. Bevor Phil Collins im Olympiastadion eintrifft, geht der Lighting Designer mit seiner Frau und der neun Monate alten Tochter essen. Jeder gemeinsame Moment zählt. Einer wie Greil ist schon mal sieben Monate pro Jahr auf Achse, früher sogar zehn bis elf Monate. Immer mit unterschiedlichen Bands, die mal mehr, mal weniger seinem ohnehin breit gefächerten Musikgeschmack entsprechen. "Ich höre fast alles, außer deutschen Schlager und schlechten Hip-Hop", sagt er. Zusammengearbeitet hat er aber auch schon mit den Zillertaler Schürzenjägern. "Sehr angenehme Männer", sagt Greil. Man lerne die Künstler auf Tour ja gut kennen. Mehr erzählt er nicht. Diskretion.

In wenigen Tagen wird Greil zwei Monate lang mit den Rolling Stones durch die USA und Kanada touren. An der Show hat er - wie auch an dem Collins-Konzert - gemeinsam mit dem Kollektiv Woodroffe-Basset-Design gearbeitet. Ein Name in der Branche. Zu ihren Klienten zählen auch AC/DC, Black Sabbath, Lady Gaga, Ozzy Osbourne und Elton John.

Als Wet Wet Wet die letzten Töne ihres Auftritts anschlägt, ist Greil längst zurück. Die Band verabschiedet sich, die Crew wechselt, Equipment wird ausgetauscht. Eine Gruppe junger Männer - lange Seile um die Schultern, Helme in den Händen - bekommt letzte Anweisungen, bevor sie sich sichern und die meterhohen Türme besteigen, von denen aus sie die Verfolgungsscheinwerfer manuell bedienen. Greil drückt ein paar Knöpfe. Check. Er verschiebt Regler, spricht ins Walkie-Talkie - alles funktioniert. Ein Griff zur Zigarette, noch ein paar Züge, bevor es losgeht.

Die Show für Phil Collins "Still not dead yet"-Tour hat 2017 Premiere gefeiert. Ein halbes Jahr Designarbeit steckt darin, Zeichnungen, Entwürfe, Programmierung. Drei bis vier Wochen Probephasen allein für die Bühnenshow. Gezeigt wurde sie schon viele Male. Man sei da ein Stück weit routiniert. Ein Hauch von Anspannung liegt jetzt trotzdem in der Luft. "Wir wollen die Besucher mit einem Bild nach Hause schicken, das sie nicht so schnell vergessen", sagt Greil. Die Show wird sich auch visuell nach und nach steigern, zum Schluss hin einen Höhepunkt setzen. "Ending on a high note" nennt man das in der Branche. Er schaut ins Publikum. Vorne sitzen die wartenden Besucher auf den Stühlen. "Wenn sie am Ende nicht stehen, haben wir etwas falsch gemacht", sagt Greil. Dann geht es los.

Vor sanftem blauen Farbverlauf stimmt Collins ein samtiges "Against All Odds" an. Die Show beginnt dezent, zurückhaltend, nimmt langsam an Fahrt auf. Während der schnelleren Stücke schickt Greil Lichtblitze über die Bühne, lässt die Strahler rotieren, flackern und erzittern, immer im Takt der Musik. Die ersten Konzertbesucher springen auf. Weiter hinten, wo das Publikum ohnehin steht, wird schon lange getanzt, die Augen auf die Bühne geheftet, wo Collins gerade vor knallbuntem Hintergrund "Who Said I Would" anstimmt.

Nur ein paar Stücke später dann der Höhepunkt. Für "Sussudio" zündet Greil eine - im besten Sinne völlig übertriebene - Eighties-Disco-Bombe. Grellbunte Visuals auf den Leinwänden, grafische Animationen, die an die Achtzigerjahre erinnern. Scheinwerferspiele in Gelb, Grün, Blau, Rot, Pink. Und dann, mit einem kräftigen Schlag auf die Drums, werden tonnenweise bunter Flitter und Luftschlangen in den Nachthimmel katapultiert. Freudenjauchzer aus dem Publikum. Ending on a high note. 50 000 Menschen stehen, tanzen, klatschen. Am Ende sitzt niemand mehr. Alles richtig gemacht.

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