Süddeutsche Zeitung

Sausalitos-Chef Hirschberger:Wahre Liebe

Der Gastronom Thomas Hirschberger hat 30 Sausalitos-Filialen eröffnet, doch sein Traum ist ein anderer: Er will eines Tages Präsident von 1860 München sein.

Gerhard Fischer

Wäre Thomas Hirschberger Fußballprofi, er wäre sicher Stürmer. Ein kraftvoller Angreifer, ein Wühler wie Ulf Kirsten oder Gerhard Schröder beim TuS Talle. Hirschberger hat sehr kurze Haare, er ist viril, er hat was von Jörg Hube. Solche Männer werfen sich im Strafraum ins Getümmel, sie wagen etwas.

Thomas Hirschberger ist Chef der Restaurant-Kette "Sausalitos". Er teilt sich das schlichte Büro am Tassiloplatz mit seiner Frau Gunilla, einer Schwedin. Ein Besucher, der 1860 München und zugleich Schweden liebt, fühlt sich sofort zu Hause: Hier hängen Wimpel der Meisterlöwen von 1966, Kalender mit roten Holzhäuschen, ein Löwen-Trikot, eine blau-gelbe Schirmmütze, ein Poster der legendären Mannschaft, die 1999 den FC Bayern 1:0 bezwungen hat - das Siegtor schoss Thomas "Fußballgott" Riedl, es war ein Fernschuss, Kahn hatte keine Chance, jeder Löwe weiß das.

Thomas Hirschberger hat ein großes Ziel in seinem Leben schon erreicht, ein zweites, ebenso großes noch nicht. Der gelernte Koch hat eine Restaurant-Kette gegründet und ausgebaut, er ist selbständig und unabhängig. Aber er will noch Präsident von 1860 München werden.

Einmal hat er es schon versucht. Hirschberger trat vor fünf Jahren gegen Karl Auer an, es war eine günstige Gelegenheit. Auer, das war der Mann, der nach Karl-Heinz Wildmoser Präsident geworden war. Wildmoser war über die sogenannte Stadionaffäre gestolpert und zurückgetreten, sein Sohn musste sogar ins Gefängnis. Als Wildmoser senior nach seinem Rücktritt das Vereinsgelände verließ, pinkelten Fans auf sein Auto.

Dann kam Auer. Dem Metzgermeister merkte man an, dass er sich in seinem Amt nicht wohlfühlte. Er sah immer traurig aus. Und überfordert. "Auer betrachtete die Präsidentschaft als gottgegebene Strafe, er war der Leidenspräsident", sagt Hirschberger. Er trat gegen Auer an - und verlor. Hirschberger hatte keine Lobby im Verein. Er war dann zwei Jahre lang Sponsor bei 1860.

Sicher, Thomas Hirschberger ist ehrgeizig und vielleicht auch ein bisschen eitel, wie fast jeder Mensch; aber 1860-Präsident: Das wäre vor allem eine Herzensangelegenheit. Er ist seit den sechziger Jahren Anhänger der Sechziger. Seine Familie besteht aus Löwenfans, und 1966, Thomas Hirschberger war vier Jahre alt, saß er erstmals im Grünwalder Stadion, "auf dem Schoß meines Vaters". 1966 waren die Löwen Meister, sie hatten eine Mannschaft zum Verlieben.

Er hat dann alles mitgemacht: die aufreibenden Aufstiegsspiele gegen Bielefeld 1978; die Zeit in der Bayernliga, als die Gegner Plattling und Helmbrechts hießen und der Klub übergewichtige Isländer und alternde Serben verpflichtete; die Zeit unter Schuldenmacher Riedl; die Zeit unter Alleinherrscher Wildmoser. Er hatte immer Jahreskarten. Heute ist er Mitglied auf Lebenszeit, 1860 Euro musste er dafür bezahlen.

Drei Jahre fehlte er entschuldigt, weil er sich im Ausland aufhielt. Mit Anfang 20 war er in Afrika, in den USA, im Mittleren Osten und in der Karibik. Einmal bildete er in einem Hotel in Simbabwe einheimische Köche aus. Es war ein Projekt der Weltbank und des Vatikan; und es war ein riesiges Hotel, in dem er arbeitete, es sollte zum größten Veranstaltungszentrum Afrikas ausgebaut werden. 200 Köche wurden ausgebildet, es waren zum Teil ehemalige Guerilla-Kämpfer von Robert Mugabe. Hirschberger war 24. "Das war schon ein großer Verantwortungsbereich für einen jungen Menschen", sagt er. Was er damit meint: Er hat schon früh gelernt, mit Mitarbeitern umzugehen.

Das Projekt war fast abgeschlossen, da kam heraus, dass sich Hirschberger zuvor in Südafrika aufgehalten hatte; Südafrika war zu dieser Zeit ein Apartheidsstaat. Die Leute in Simbabwe verstanden keinen Spaß: Hirschberger wurde ausgewiesen, er zog weiter nach Syrien.

Bei einer Kalifornien-Tour blieb er in Sausalitos hängen, dem Vergnügungsviertel von San Francisco. Dieses Lebensgefühl, diese Atmosphäre wollte er nach Deutschland transportieren - mit all den Tortilla Chips und Nachos, Buffalo Wings und Chicken Nuggets.

1994 gründeten Gunilla und Thomas Hirschberger das erste Sausalitos-Restaurant in Ingolstadt. Er stand in der Küche, sie führte Buch und bediente. Das Unternehmen wuchs stetig, 1995 kamen Restaurants in Erlangen und Garmisch dazu, 1997 das erste in München; heute gibt es 30 in Deutschland. "Gunilla ist die Macherin, sie leitet das operative Geschäft, ich bin der Unternehmer, der Vordenker", sagt er. Gunilla Hirschberger hat Betriebswirtschaft studiert.

Sie haben in 16 Jahren viel verändert: Ein Lifestyle-Magazin hat die Speisekarte ersetzt, die Einrichtung wurde modernisiert, in allen Filialen wird die gleiche Musik gespielt, Essen und Trinken wurden kreativ überarbeitet. Heute gibt es auch Blütenmond (mit japanischer Kirschblüte) oder Flying Kangaroo. Zielgruppe sind die 20- bis 35-Jährigen.

Sausalitos stellt viele Jugendliche ein, die sich in sozialen Schwierigkeiten befinden. "Es kommt uns nicht auf gute Noten an, sondern darauf, dass sie charakterlich zu uns passen und Engagement zeigen", sagt Thomas Hirschberger. Er habe damit "eher positive Erfahrungen gemacht". Die Jugendlichen, die diese Chance erhalten, sagt er, hätten "eine starke emotionale Bindung zum Unternehmen".

Alle Sausalitos-Mitarbeiter duzen sich. Das ist wie in Schweden. Dort sind die Hierarchien in den Unternehmen flach, alle Schweden sagen Du zueinander, gesiezt wird nur der König. Das ist lustig, denn derzeit ist er eine Witzfigur, dessen Hirn in die Hose gerutscht ist.

Einerseits ist Thomas Hirschberger zufrieden mit dem, was er erreicht hat; andererseits wirkt er wie ein Mann, der Stillstand nur schwer ertragen kann. Das mit den Löwen, das treibt ihn um, das treibt ihn an. Zwar sieht er derzeit - trotz der Turbulenzen bei 1860 - "keinen Bedarf", als Präsident zu kandidieren; er traut Vize Schneider, dem neuen starken Mann, die Sanierung zu. "Aber sollte es sich irgendwann ergeben, ich bin bereit." Er sei es gewohnt, größere Organisationen zu führen, "eine kleine Firma wie 1860, mit 30 oder 40 Mitarbeitern ohne die Profifußballer: Das traue ich mir zu".

Bei Sausalitos arbeiten 850 Menschen. Da darf man nicht nur Abenteurer sein, einer, der etwas riskiert und sich ins Getümmel stürzt. Da muss man auch den Überblick haben, sozial sein, absichern.

Als Thomas Hirschberger früher Fußball spielte, als Amateur beim TSV Allach, da war er linker Verteidiger.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1037730
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 18.12.2010/isa
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.