Minister Wolfgang Heubisch:Kunst und Karies

Wegen der Querelen an der Staatsoper steht Staatsminister Wolfgang Heubisch vor der ersten großen Bewährungsprobe: Er muss Nachfolger für Peters, Nagano und Decron finden.

Franz Kotteder und Christian Mayer

Solche Karrieren kann man wirklich nur als FDP-Mitglied machen. Im Oktober 2008 stand der damals 62-jährige Wolfgang Heubisch noch in seiner Bogenhausener Zahnarztpraxis, füllte Löcher, bekämpfte Zahnstein und Karies, kümmerte sich um Inlays. Ein paar Tage später, am 30. Oktober, wurde er dann vereidigt, als Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst.

Tosca-Premiere bei Münchner Opernfestspielen, 2010

Wolfgagng Heubisch, hier mit seiner Frau und der Modedesignerin Susanne Wiebe (links) auf dem Roten Teppich bei der Festspielpremiere von "Tosca" in München

(Foto: Stephan Rumpf)

In diesem Amt geht es im weitesten Sinne immerhin auch ums Brückenbauen, sicher. Aber gerade auf diesem Gebiet tut sich Heubisch in letzter Zeit etwas schwer. Bei den Querelen an der Staatsoper und beim mehr oder weniger freiwilligen Verzicht von Generalmusikdirektor Kent Nagano hat er nicht die beste Figur gemacht, auch wenn das in diesem Fall vielleicht auch nicht so ganz einfach gewesen wäre.

Vermutlich dürfte Wolfgang Heubisch gerade in den letzten Wochen und Monaten erst so richtig klargeworden sein, auf was er sich da eingelassen hat, als er das Ministeramt übernahm. Das hatte damals ohnehin fast alle überrascht. Denn als Kultur- und Wissenschaftspolitiker war er nie besonders hervorgetreten.

Der gebürtige Großhaderner Heubisch, der später nach Schwabing zog, hatte eine Banklehre gemacht, danach an der Ludwig-Maximilians-Universität Betriebswirtschaftslehre und Zahnheilkunde studiert. Es folgte viel Verbandsarbeit: Heubisch war im Vorstand der Landeszahnärztekammer, war Landesvorsitzender des Verbands Deutscher Zahnärzte in Bayern, Präsident des Verbands Freier Berufe in Bayern, Vizepräsident der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft und dergleichen.

Und als die FDP im Juli 2008 ihre Landtagskandidaten vorstellte, sprach Heubisch viel über Wirtschafts- und Schulpolitik, hatte natürlich auch einiges zum Gesundheitsfonds beizutragen - Wissenschafts- und Kulturpolitik aber waren ersichtlich nicht seine Themen.

Heubisch erarbeitete sich Respekt

Das änderte sich aber schnell in den Koalitionsverhandlungen mit der CSU. Die wollte die Bildungspolitik weiterhin selbst bestimmen, trat den Liberalen dafür aber das Kunst- und Wissenschaftsministerium ab. Und weil Heubisch in der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft für Bildung und Hochschulpolitik zuständig war, bekam er den Posten zugesprochen.

Die Beamten vermeiden Witze über kunstsinnige Zahnärzte.

"Über sowas habe ich nie nachgedacht", räumte er damals recht freimütig ein, aber er kenne sich ja immerhin etwas in der Hochschulpolitik aus. Was die Kunst angehe, gebe es immerhin eine familiäre Vorbelastung. Seine beiden Onkel Lothar und Elmar Dietz waren Bildhauer (Elmar hat unter anderem die neu aufgestellte Quadriga auf dem Siegestor gestaltet), Tante Gertrud Fusenegger war eine nicht unumstrittene österreichische Schriftstellerin, und Cousine Ricarda Dietz ist eine bekannte Malerin, die unter anderem den U-Bahnhof Thalkirchen verzierte. Er selbst, so Heubisch damals wie heute, sei ein großer Freund der Oper: "Ich lasse nach Möglichkeit keine Premiere aus."

"Wir mussten anfangs erst einmal aufpassen", so ein höherer Beamter im Kunstministerium, "dass uns keine Witze mehr über kunstsinnige Zahnärzte mit ihren Aquarell-Ausstellungen im Wartezimmer rausrutschten." Dann aber habe sich der Neue im Amt doch recht schnell auch Respekt erworben - durch sein unaufgeregtes, fast schon bescheidenes Auftreten und die Art, wie er sich einarbeitete.

Er hörte von Anfang aufmerksam zu und wusste, dass er auf die Ratschläge seiner Mitarbeiter angewiesen war. In den ersten Wochen nutzte er nahezu jede Gelegenheit, die Einrichtungen, für die er jetzt zuständig war, zu besuchen.

Der Kunstminister zählt keineswegs zu den ausgebufften Politprofis, die im Stil seines wortmächtigen Vorvorgängers Hans Zehetmair (CSU) eher großspurig oder patriarchalisch auftreten. Vor Künstlern von Rang hat er großen Respekt, er begegnet ihnen mit einer Mischung aus Neugier und Demut, was beispielsweise bei der Eröffnung der Neo-Rauch-Ausstellung in der Pinakothek der Moderne auch komische Seiten hatte.

"Die Tore Münchens stehen immer für Sie offen, wenn Sie glauben, die Hauptstadt des Freistaates Bayern besuchen zu müssen", begrüßte er zur Erheiterung der Gäste den Leipziger Künstler. Was Rauch zu der süffisanten Entgegnung verleitete: "Sie mögen mir glauben, dass ich einigermaßen überwältigt bin - aber es beruhigt mich außerordentlich, dass mir die Tore Münchens auch künftig nicht verschlossen werden."

Probleme mit den Personalien

Andererseits ist er an bildender Kunst wirklich interessiert. Man spürt die Begeisterung für die Sache, wenn er sich etwa bei Vernissagen im Haus der Kunst unter Förderer und Freunde des Museums mischt. Dann ist Heubisch auf einmal wieder Privatmann, alles Ministerielle, Staatstragende fällt von ihm ab; er kann sich stundenlang für den chinesischen Künstler Ai Weiwei begeistern. Seine Vergleiche ("der erinnert mich an Beuys") sind manchmal etwas hochtrabend, aber nicht ohne Sachkenntnis.

Im Vergleich zu seinem direkten Vorgänger Thomas Goppel jedenfalls fasst sich der Minister in Begrüßungsreden eher kurz - und er wirkt auch nicht ganz so konfus in seinem Enthusiasmus. Wolfgang Heubisch erinnert in vielem an die Sympathischeren unter den Honoratioren in Lion Feuchtwangers großem München-Roman "Erfolg": gebildet und zugleich leutselig, oft ein bisschen jovial, bodenständig, geradeheraus.

Auch bei der Personalie um Kent Nagano wirkt er seltsam unentschieden.

Die Devise "leben und leben lassen" würde er unterschreiben. Und angesprochen auf die früher oft alles andere als unfallfreie Kommunikation zwischen Stadt und Freistaat beim Thema Museumsareal und Pinakotheken sagt er einen für ihn typischen Satz: "Der Ude und ich, wir sind doch beide Schwabinger, da werden wir uns schon verständigen können."

Unter Schwabingern mag das zutreffen. Schwieriger ist das aber, wenn man sich in der Welt der Oper und des Theaters oder gar auf internationalem Kulturparkett bewegen muss. Schon als die Kunde an die Öffentlichkeit drang, Heubisch wolle den Vertrag von Gärtnerplatz-Intendant Ulrich Peters nicht verlängern, wofür es gute Gründe gibt, war er nicht restlos überzeugend und souverän, obwohl er formal alles richtig machte.

Auch bei der aktuellen Personalie um Kent Nagano wirkt er seltsam unentschieden. Es scheint fast so zu sein, als habe da eher Staatsopernintendant Nikolaus Bachler die Fäden gesponnen. Die hehre Welt der Künste, sie schrumpft oft auf einen banalen Intrigantenstadl zusammen, aber der ist erkennbar nicht die Welt von Heubisch. Bloß muss er leider damit umgehen.

So warten nun, nach gut eineinhalb Jahren im Amt, die ersten großen Bewährungsproben auf Heubisch. Er muss Nachfolger für Peters und Nagano präsentieren. Das ist schon nicht einfach. Noch vertrackter aber ist die dritte Personalie. Vor kurzem hat die Londoner Tate Modern nämlich Chris Dercon abgeworben, den Direktor des Hauses der Kunst. Einen Nachfolger von annähernd ähnlichem Format zu finden dürfte sehr, sehr schwierig werden.

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