Video gibt Anlass zur Kritik:Klimaaktivisten protestieren am Stachus und auf Autobahnen

Wie angekündigt kleben sich Mitglieder der "Letzten Generation" am Montagmorgen in der Innenstadt fest. Auf der A 9 und der A 96 kommt es derweil zu unangekündigten Verkehrsblockaden.

Von Joachim Mölter

Für ein paar Augenblicke hatte man am Montagmorgen das Gefühl, es könnte einen Klimawandel gegeben haben im zuletzt frostigen Verhältnis der Münchner Polizei und den Aktivistinnen und Aktivisten der "Letzten Generation". Die hatten ja nach diversen Verkehrsblockaden durch Klebe-Aktionen und daran anschließenden Haftmaßnahmen quasi eine Besinnungswoche ausgerufen, damit sich die allseits erhitzten Gemüter etwas beruhigen. Als die Aktivisten nun, wie bei einer Pressekonferenz am Freitag angekündigt, an diesem Montagmorgen um acht Uhr am Stachus ihren Protest gegen die mangelnden Klimaschutzmaßnahmen der Regierung fortsetzten, ließen die Polizeibeamten sie gewähren, und das sogar erstaunlich lang. Erst nach zwei Stunden begannen sie, die neun Männer und Frauen abzulösen, die sich auf der Straße und teilweise auch an den Händen aneinander festgeklebt hatten. Polizeisprecher Andreas Franken betonte nicht zu Unrecht, dass die Ordnungshüter diesmal "versammlungsfreundlich agiert" hätten.

Im Gegensatz dazu standen unangekündigte Aktionen auf zwei Autobahnen rund um München, die wenig später folgten und den Verkehr stärker beeinträchtigten als in der Innenstadt. Auf der A9 in der Nähe des Fröttmaninger Stadions sowie auf der A96 nahe der Ausfahrt Blumenau kletterten Aktivisten auf Schilderbrücken und klebten sich dort fest. Nach Angaben von Polizeisprecher Franken besetzten die Aktivisten auf der A9 drei Schilderbrücken stadteinwärts und eine stadtauswärts. Dort wurde der Verkehr in beiden Richtung gestoppt und jeweils vorher abgeleitet; der Polizeieinsatz zog sich bis in den Nachmittag. Auf der Lindauer Autobahn, der A96, waren zwei Brücken betroffen, dort wurde der Verkehr aber nicht angehalten, nur verlangsamt.

Vermutlich dort wurde auch ein Video aufgenommen, das die "Letzte Generation" am Vormittag über Twitter verbreitete: Darin ist zu sehen, wie eine Frau sich auf der Autobahn festkleben will, von einem herbeieilenden Polizisten jedoch rabiat am Kragen gepackt und über den Asphalt weggezerrt wird bis zum Grünstreifen neben der Leitplanke. Weder von der Polizei noch von der "Letzten Generation" war eine Bestätigung zu erhalten, wo die Aufnahme tatsächlich entstand, aber wenn die Aktivistin tatsächlich das Risiko eingegangen sein sollte, sich in einen zwar heruntergebremsten, aber dennoch fließenden Autobahnverkehr zu setzen, dann wäre das geneigt, die Kritik an den bislang nur angeblich lebensgefährlichen Protestmaßnahmen zu bestätigen.

Dabei genießen die Klimaaktivisten derzeit offenkundig Sympathien in der Bevölkerung. Am Stachus wurden sie jedenfalls immer wieder von vorbeikommenden Passanten bestärkt in ihrem Tun. "Bravo", riefen sie, und: "Ihr seid nicht allein." Neben Beifall wurde den neun Männern und Frauen auch Tee und Kaffee gespendet, eine Frau reichte sogar einen Handschuh weiter, für die freie Hand. Zeitweise waren die Aktivisten nicht nur von Polizisten umringt, sondern auch von Dutzenden von Sympathisanten. Einer gesellte sich am Ende sogar zu ihnen und ließ sich von der Polizei aufs Präsidium mitnehmen zur Identitätsfeststellung. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite, vor dem Justizpalast, kamen derweil erst fünf, später sieben Gegendemonstranten zusammen, offenkundig Anhänger der AfD. Jedenfalls forderte deren Bundestagsabgeordneter Wolfgang Wiehle per Megafon "ein härteres Eingreifen der Behörden gegen die Klima-Extremisten".

Video gibt Anlass zur Kritik: Am Montagmorgen klebten sich Klimaaktivisten am Stachus fest.

Am Montagmorgen klebten sich Klimaaktivisten am Stachus fest.

(Foto: Sachelle Babbar/Imago)

Zu dem sah sich die Polizei diesmal allerdings nicht veranlasst. Das Kreisverwaltungsreferat (KVR) als Sicherheitsbehörde hatte aus eigenem Antrieb einen Versammlungsbescheid erlassen, nachdem es von der Absicht der "Letzten Generation" erfahren hatte, die Proteste am Montag wieder aufzunehmen. Der Bescheid wurde an eine allgemein bekannte E-Mail-Adresse der Organisation geschickt, eine Kopie erhielt auch die Polizei. Basierend auf deren Gefahrenanalyse wurde den Aktivisten vom KVR sogar gewährt, ihre Kundgebung für eine kurze Zeit auch auf der Fahrbahn am Stachus abzuhalten. "Ein Ankleben oder ähnliche feste Verbindungen mit der Straße waren jedoch explizit untersagt", teilte das KVR auf SZ-Anfrage mit.

Wegen dieser Voraussetzungen ermittelt die Polizei nun lediglich wegen eines Verstoßes gegen die Versammlungsauflagen gegen die neun Aktivisten vom Stachus. Eine Gewahrsamnahme, wie sie zuletzt mehrmals von der Münchner Polizei mit Erfolg beantragt worden war, sei nicht beabsichtigt, erklärte Andreas Franken: "Das war heute keine Straftat, also gibt es auch keine Wiederholungsgefahr." Bei den Aktionen auf den Autobahnen sieht das anders aus. Dort wurden sieben Personen festgenommen, gegen die nun wegen Hausfriedensbruch und teilweise wegen Sachbeschädigung ermittelt wird. Für vier Menschen beantragte die Münchner Polizei beim Amtsgericht, einen Gewahrsam anzuordnen, um weitere Straftaten zu verhindern.

Trotz dieser Umstände kam es bereits am frühen Abend gegen 18.00 Uhr zum nächsten Vorfall. Vier Aktivisten der "Letzten Generation" starteten den Versuch, sich erneut am Stachus auf die Fahrbahn zu kleben. Aufgrund einer kurz zuvor ausgefallenen Ampelanlage hielten sich vor Ort jedoch mehrere Verkehrspolizisten auf, die die Aktion stoppten, bevor die Aktivisten ihr Vorhaben in die Tat umsetzen konnten. Den Aktivisten wurde anschließend eine Örtlichkeit zugewiesen, an der sie ihre spontane Versammlung durchführen konnten, ohne dabei den Verkehr weiter zu behindern.

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