Lesung in München:Lothar Matthäus spricht Dacheles

Zwischen Verehrung und Veräppelung: Lothar Matthäus stellt in einem Münchner Buchladen seine Biographie vor und erntet durchaus Respekt. Immer wieder aber lässt sich der Rekordnationalspieler zu Witzen über sein Privatleben hinreißen - ohne dass ihn jemand dazu drängen würde.

Lisa Sonnabend

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Lothar Matthäus signiert in München seine Biographie.

(Foto: Lisa Sonnabend)

Diesmal sind es nicht die Journalisten, die zu weit gehen, sondern es ist Lothar Matthäus selbst. Gerade war von dem Berliner Bordell die Rede, das er eines Nachts Ende der Achtziger mit ein paar Kollegen aus der Nationalmannschaft aufsuchte, und Matthäus hat mit den Redakteuren geschimpft, die dieser Nacht weit mehr Beachtung schenken als seinen sportlichen Erfolgen.

Nun erkundigt sich Matthäus beim Publikum: "Ein Bordellbesuch - das ist doch nichts Außergewöhnliches, oder?" Statt Zustimmung erntet er Schweigen. Der Fußballrekordnationalspieler nimmt noch einen Anlauf. Mit dem Finger zeigt er auf zwei junge Männer, die in der zweiten Reihe sitzen. "Ihr seid doch bestimmt schon einmal..." Die Frauen neben den Männern sind alles andere als amüsiert.

Lothar Matthäus sitzt an diesem Freitagabend auf einer Bühne in der Buchhandlung Hugendubel am Stachus in München. Buchpräsentation. Seit einem Monat ist seine Biographie "Ganz oder gar nicht" zu kaufen, der 51-Jährige hat sie bereits in Frankfurt, Berlin und Erlangen vorgestellt. Nun ist München an der Reihe. Die Stadt, in der er jahrelang lebte, als er beim FC Bayern unter Vetrag war. Ein Heimspiel?

Zumindest ausverkauft. Allerdings liest Matthäus nicht wie vor einem Jahr Philipp Lahm in einem großen Theater, sondern nach Ladenschluss in einer Buchhandlung. Links neben der Bühne beginnt die Abteilung mit Erotikliteratur, rechts daneben stehen Klassiker. Etwa 80 Zuschauer haben auf den Plastikstühlen Platz genommen, die Eintrittskarte hat nur acht Euro gekostet.

Vor Beginn der Lesung diskutieren die Besucher, ob Matthäus nun bald einen Trainerjob in der Bundesliga bekommen wird, oder warum es ihm nicht gelingt, sein Privatleben endlich ein wenig privater zu halten. Einer imitiert Matthäus und spricht ein paar Sätze in fränkischem Dialekt. Ein Radioreporter vom Bayerischen Rundfunk hält zwei Zuschauern das Mikrophon unter die Nase: "Findet ihr Lothar peinlich?"

Finden sie nicht. Nicht wenige Menschen in der Buchhandlung haben Respekt vor Matthäus, nicht wenige bewundern ihn auch heute noch. "Er kommt bestimmt gleich durch diesen Aufzug", sagt ein Mann aufgeregt, ja geradezu ehrfurchtsvoll.

Pünktlich um 20.30 Uhr kommt Matthäus dann tatsächlich durch den Aufzug. Dunkle Jeans, dunkles Hemd. So strahlend, als wäre er der erste Sportler, der in seiner zweiten Karriere Autor geworden ist. Doch das ist er natürlich nicht. Auch die Effenbergs, Kahns, Bierhoffs haben schon Bücher geschrieben. Und zuletzt Theo Zwanziger. Während der ehemalige DFB-Präsident "Die Zwanziger Jahre" nutzt, um mit ehemaligen Weggenossen abzurechnen, will Matthäus in seinem Buch einfach nur ein bisschen von sich erzählen. "Ich will vermitteln, wie mein Leben wirklich ist", sagt er in München. "Ob ich glücklich oder nicht glücklich bin, wann ich mal weine." Das Buch verkauft sich ordentlich, ein Bestseller ist es allerdings nicht geworden.

Gekichere im Zuschauerraum

Viel gelesen wird an dem Abend in der Buchhandlung nicht, lediglich zwei kurze Passagen trägt TV-Moderator Peter Großmann vor, der neben Matthäus auf der Bühne sitzt und durch den Abend führt. Stattdessen wird geredet. Immerhin geht das Gespräch über nichtssagende Interviews mit Sportlern hinaus, wie sie täglich im Fernsehen zu sehen sind.

Welche Charakterzüge Matthäus von seinem Vater übernommen habe, will Großmann wissen. "Ehrlichkeit und die Eigenschaft, nicht um den heißen Brei herumzureden." Ob er noch mit anderen ehemaligen Fußballern befreundet sei? "Ich habe keine Freundschaften mehr aus meiner aktiver Zeit." Jeder sei seines Weges gegangen.

Doch immer wieder lässt sich Matthäus zu Witzen über sein Privatleben hinreißen, ohne dass ihn jemand dazu drängen würde. "Meine engen Freunden geben mir viele nützliche Tipps", sagt er. "Zum Beispiel: 'Heirate nicht immer so schnell, denk an dein Konto.'"

Im Zuschauerraum wird gekichert. Ebenso, wenn Matthäus den Loddar heraushängen lässt und auf Grund seines ausgeprägten fränkischen Dialekts die Wörter ein wenig anders klingen. Wenn er "Dacheles" statt "Tacheles" redet. Einige lachen auch laut auf, wenn der ehemalige Fußballer sich bei dem Wort "perspektivisch" verhaspelt. Er blickt immer wieder misstrauisch ins Publikum, manchmal gar ein wenig verunsichert.

Nach einer guten Stunde hat Lothar Matthäus fertig. "Lothar, Lothar"-Sprechchöre hallen durch den Raum. Ob sie ernst oder ironisch gemeint sind? Rasch bildet sich eine lange Schlange vor dem Signierstand, fast jeder will eine persönliche Widmung - und bitte auch noch ein Erinnerungsfoto. Matthäus strahlt.

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