Lesung in der Seidlvilla:Im Auge der Betrachterin

Theateraufführung von "Hedda Gabler", 1916

Ibsens "Hedda Gabler" - hier in einer Inszenierung von 1916.

(Foto: SZ Photo)

Die Münchner Autorin Gunna Wendt widmet sich in ihrem neuen Buch dem norwegischen Dramatiker Henrik Ibsen und den Frauen. In der Seidlvilla stellt sie ihren Essay nun vor

Von Yvonne Poppek

Sein analytischer Blick war unbequem, das Publikum für seine Dramen manchmal noch nicht bereit. Bei seinem Stück "Nora oder Ein Puppenheim" sah sich Henrik Ibsen 1880 genötigt, ein anderes, milderes Ende zu schreiben. Die Kritik an "Hedda Gabler" elf Jahre später war so enorm, dass Ibsen daraufhin München verließ, die Stadt, in der er mehr als ein Jahrzehnt gelebt hatte. Im Zentrum beider Stücke stehen Frauen, die durch die gesellschaftlichen Zwänge eingeengt sind. "In der Hauptsache ist es mir darum zu tun gewesen, Menschen, menschliche Stimmungen und Schicksale auf Grund gültiger sozialer Verhältnisse und Anschauungen zu schildern", schrieb Ibsen über Hedda Gabler. Eine nüchterne Einschätzung, wenngleich mit großem Anspruch.

Der bedeutende norwegische Dichter und seine Dramen lassen sich von vielen Seiten her betrachten. Die Münchner Autorin Gunna Wendt hat in ihrem neuen Buch einen spezifischen Zugang gewählt: "Henrik Ibsen und die Frauen. Ein Essay zum Werk von Henrik Ibsen" (Limbus Verlag) lautet der Titel. An diesem Dienstag, 29. September, stellt sie ihn in der Seidlvilla vor. Ebenso kommen auch die Münchner Autorin, Lyrikerin und Librettistin Ursula Haas mit ihren Aufzeichnungen "Zerzauste Tage. Ein Jahr der Wirklichkeiten" (edition bodoni) sowie die Pianistin Masako Ohta mit ihrer Einspielung "My Japanese Heart" (Winter&Winter) in die Seidlvilla.

"Wie ist es möglich, dass ein bis zur Verschrobenheit eigensinniger skandinavischer Dramatiker mittleren Alters aus der norwegischen Provinz gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts Werke schafft, die auf einzigartige Weise weibliche Lebenszusammenhänge darstellen und bis heute nicht an Brisanz verloren haben?", fragt Wendt zu Beginn ihres Essays. Für die Autorin liegt der Schlüssel klar in den Beziehungen Ibsens zu den Frauen. So geht Wendt biografisch an das Thema heran, sichtet wesentliche weibliche Begegnungen des Dramatikers und versucht, in seinem literarischen Werk Parallelen aufzuzeigen.

Gunna Wendt, 2012

Autorin Gunna Wendt ging Henrik Ibsens Vorbildern nach.

(Foto: Catherina Hess)

Da wäre beispielsweise die Schriftstellerin Laura Kieler. Grundzüge ihres Ehelebens stimmen mit dem Schicksal von Ibsens Nora überein, weshalb sie in der Forschung als Inspiration für diese Figur gewertet wurde. Auch Wendt folgt dieser Einschätzung, ebenso wie jener, dass Ibsen die emanzipatorischen Streitschriften von Camilla Collett kannte und einbezog.

Im Wesentlichen konzentriert sich Wendt neben "Nora" auf die Stücke "Die Wildente", "Die Frau am Meer", "Hedda Gabler" und "Baumeister Solness". Sie skizziert und charakterisiert Ibsens Ehefrau, seine Schwägerin, frühe und späte Liebschaften. Die Autorin greift dabei zu ihrem bewährten Mittel, Szenen und Menschen so unmittelbar zu schildern, als entnehme sie ihr Wissen nicht lediglich Primär- und Sekundärliteratur. Insofern ist "Henrik Ibsen und die Frauen" kein wissenschaftlicher Text, sondern eine auf viel Erfahrung, Recherche und Lektüre beruhende Deutung. Wendt hat sich in ihren Büchern auf Frauenschicksale um 1900 spezialisiert, hat sich in viele Biografien eingearbeitet. Bei den Frauen ist sie geblieben, auch bei Ibsen.

Texte & Töne: Wie Leben sich erzählt, Dienstag, 29. September, 19.30 Uhr, Seidlvilla (ausverkauft)

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