Lesenswert:Zurück zu Gott

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Hubert Ettls "Abenteuer des Glaubens"

Von Sabine Reithmaier

Hubert Ettl ist nicht vom Pferd gefallen wie Saulus von Tarsus, den ein gleißend helles Licht blendete, bevor ihn die Stimme Jesu zur Umkehr bewog und er sich vom Christenverfolger zum Völkerapostel Paulus wandelte. Den Gründer und langjährigen Chef der Zeitschrift und des Buchverlags Lichtung in Viechtach traf der Ruf nicht urplötzlich. Ihn brachte nach Jahren der Kirchenferne kein spektakuläres Damaskuserlebnis dem katholischen Glauben wieder näher, sondern es brauchte viele kleinere Erlebnisse, die ihn, verbunden mit Nachdenken, Lesen und Auseinandersetzung, nach und nach davon überzeugten, dass neben der sichtbaren Welt noch eine unsichtbare geheimnisvolle Kraft existiert.

Mit "Zweifelnd glauben" hatte Ettl bereits vor vier Jahren ein Buch über seine persönliche Wiederentdeckung der Religiosität geschrieben. Jetzt vertieft der 72-Jährige diese Erfahrungen in einem zweiten Buch. Das "Abenteuer des Glaubens" interpretiert er als einen offenen Prozess, Zweifel und Stolpersteine sind unvermeidbar. Man folgt ihm gern auf den "Erkundungen in unwegsamen Gelände", denn dank seiner Neugier und Offenheit, gepaart mit profundem Wissen, regen die 24 Texte den Leser zum Nachdenken an. Ettl geht es um nichts weniger als die Frage, wie sich Glaube vor der Vernunft verantworten lässt.

Der Autor, 1948 in Nittenau (Oberpfalz) geboren, streng katholisch erzogen, stufte sich als Student der Pädagogik, Psychologie und Soziologie und später als Hauptschullehrer eher links ein. Er engagierte sich für die Grünen und Gewerkschaften, mischte sich ein. Und hatte doch das Gefühl, dass ihm etwas fehlt. Immer öfter, auch aufgrund der Erfahrungen von Geburt und Tod, stellte er sich die Frage, ob neben der materiellen Wirklichkeit eine geistige existiert. Für sich hat er dies inzwischen längst bejaht. Doch es ist ein Vergnügen, ihm bei der klugen, unaufgeregten Suche nach Antworten zu folgen. Er analysiert die Schriften der sehr gegensätzlichen Theologen Joseph Ratzinger, Hans Küng und Eugen Biser, um festzustellen, dass sich die drei in einer Sache ganz einig sind. "Wir reden beim christlichen Gottesverständnis von einem liebenden, barmherzigen, versöhnlichen Gott." Er befasst sich mit den Forschungen der Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker und Hans-Peter Dürr, deren Ergebnisse er als Fingerzeig versteht: "Am Fundament der Wissenschaft steht nicht das, was wir mit dem Begriff der Materie zu begreifen suchen, sondern der eine Geist." Er vertieft sich in die Gedanken der Philosophen Ernst Bloch oder Hans Jonas und macht sich viel Gedanken über die Hybris, mit der die Menschen der letzten 70 Jahre die Erde an ihre Grenze bringen.

Der Kirche gegenüber bleibt er auch weiterhin kritisch. "Meine Kirche ist immer noch zu wenig mutig, um sich der heutigen Zeit zu stellen, sich auf die heutigen Menschen und ihr Leben einzulassen", schreibt er. Und zählt "nur ganz wenige Beispiele" der erstarrten Strukturen auf: das Verhältnis der Kirche zur Sexualität, die Doppelbödigkeit, die Heuchelei, die lang unter der Decke gehaltenen Missbrauchsfälle, die fehlende Anerkennung der Frauen. Die Kirche halte lieber an Dogmen und selbst verfassten Vorschriften fest als an Menschen und ihrem spirituellen Leben, findet er, sie bleibe lieber "besserwisserische Ausgrenzungskirche als eine Einladungskirche".

Aber es gibt auch noch die andere Richtung, die nicht in den Glaubensgehorsam führt, sondern in das Erahnen des Jenseitigen, Heiligen, Göttlichen. "Was wäre das / für eine Welt / wenn die Wirklichkeit / diese Wirklichkeit rund um uns auch die Wahrheit wäre?", zitiert Ettl den Dichter Erich Fried. Und folgert, dass die aktuelle Wirklichkeit eben nicht die Wahrheit sein kann. "Die wahre Wirklichkeit sollte auch gut sein. Und vielleicht sogar schön."

Hubert Ettl: Abenteuer des Glaubens. Verlag Friedrich Pustet, 168 Seiten, 16,95 Euro

© SZ vom 16.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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