Wie erklärt man einem Außerirdischen, was Bayern ist, wie es riecht, wie es sich anfühlt? Oliver Pötzsch würde den fremden Gast einfach auf den Hohen Peißenberg stellen und ihn bitten, sich einmal um sich selbst zu drehen und die Landschaft, "bunt wie ein deftiges bayerisches Barockgemälde", auf sich wirken zu lassen. Diese Empfehlung, die vermutlich auch mit Touristen funktioniert, die von weniger weit herkommen, findet sich im jüngsten Buch des Schriftstellers, einem sehr persönlich gehaltenen und vom Hirschkäfer-Verlag liebevoll gestalteten Reiseführer durch Bayern respektive zu den Schauplätzen, an denen Pötzschs Romane spielen.
Der Titel überrascht nicht. Pötzsch radelt, wandert, reist "auf den Spuren der Henkerstochter", der Titelfigur seiner inzwischen acht Bände umfassenden, historischen Krimi-Reihe. Manche Ahnen des Autors, allesamt Nachfahren der bayerischen Henkersdynastie Kuisl, lernt man sogar auf Schwarz-Weiß-Fotos kennen. Auf die historischen Stadtpläne sollte man sich besser nicht unbedingt stützen, dann schon lieber auf Pötzschs Empfehlungen. Auch wenn es an Eigenwerbung nicht mangelt in dem Buch, ist eine lesenswerte Mischung aus privaten Erfahrungen, historischen Fakten, Anekdoten und aktuellen Tipps gelungen.
Los geht es in Schongau, der Heimat seiner Vorfahren. Dort übernahm der historische Jakob Kuisl im 17. Jahrhundert die Scharfrichterstelle, dort spielt der erste Roman, in dem Jakob und seine Tochter Magdalena ein Verbrechen aufklären. Der Henker ist so geartet, wie anscheinend Pötzsch die Menschen in dieser Gegend empfindet: sturschädelig, brummig und maulfaul. "Aber wenn Sie sich ihnen in Demut nähern, den lieben Herrgott grüßen und in der Kirche immer schön den Hut abnehmen, wird Ihnen schon nichts passieren", empfiehlt er dem Leser.
Es ist beileibe nicht so, dass man mit ihm an Orte wandert, die man bis dahin noch nicht entdeckt hatte. Aber Pötzsch lotst seine Leser mit Hilfe von persönlichen Erlebnissen und konkreten Empfehlungen geschickt durch die Landschaft oder die Städte Regensburg, München und Bamberg. Oder lässt sie den Weg zum Kloster Andechs erklimmen, Schauplatz des vierten Romans, der zu der Zeit entstand, als den rastlosen Pötzsch ein Beinahe-Herzinfarkt und eine Bypass-Operation ziemlich ausbremste.
Bis dahin hatte er nicht nur Romane geschrieben, sondern auch als BR-Journalist gearbeitet, erst fürs Radio, später in erster Linie für das Fernsehmagazin "quer, daneben noch Reisefilme gedreht. Nach dieser Erfahrung entschied er 2013, sich auf seine schriftstellerische Tätigkeit zu beschränken. Nicht dass er als Freiberufler weniger arbeiten würde, er macht auch jetzt viel Zusätzliches, bietet auch Originalschauplatzführungen an, die vermutlich eine gute Basis für den Reiseführer waren. In dem erwähnten vierten Band wallfahrten die Kuisls zum Kloster Andechs, Poetzsch pilgerte ihren Weg erst nach seiner Genesung nach, "in sengender Hitze, mit glühend rotem Sonnenbrand, trotzdem hab ich jeden Meter genossen."
Oliver Pötzsch: Auf den Spuren der Henkerstochter. Reiseführer zu den Stätten meiner Romane. Hirschkäfer Verlag München, 16,90 Euro