Lerchenau:Der Eggarten ist Chefsache

Lerchenau: Deutliches Signal: Mit einem Transparent zeigen Bewohner der Siedlung unmissverständlich, dass sie von den Neubauplänen der Investoren eher wenig bis nichts halten.

Deutliches Signal: Mit einem Transparent zeigen Bewohner der Siedlung unmissverständlich, dass sie von den Neubauplänen der Investoren eher wenig bis nichts halten.

(Foto: Robert Haas)

Planer, Politiker und Investoren stellen sich der Kritik der Bürger. Im nächsten Schritt soll ein städtebaulicher und landschaftsplanerischer Wettbewerb beginnen. Die Stadt hat begleitend ein Verkehrsgutachten bestellt

Von Jerzy Sobotta, Lerchenau

Bei diesem Projekt muss man mehr auftischen als Butterbrezen und Fruchtsaft, das wissen die Eigentümer des Eggartens genau. Sie wollen ein Quartier abreißen, das mitten in München steht und aussieht wie eine Postkarte mit Bauernhöfen aus der Vorkriegszeit. Zur öffentlichen Diskussionsveranstaltung mit den Bürgern kommt der Chef daher persönlich: Der Immobilienunternehmer Ralf Büschl hat gleich auch noch den Enkel des früheren Bundeskanzlers Adenauer mitgebracht. Paul Bauwens-Adenauer, Bauunternehmer aus Köln, hatte im Sommer die Hälfte des Münchner Immobilienunternehmens Büschl gekauft, womit er nun auch bei einem der größten Bauvorhaben der Firma mit an Bord ist: beim Eggarten in der Lerchenau.

Bei der nun anberaumten Infoveranstaltung wollte Bauwens-Adenauer eigentlich lieber unbemerkt bleiben, wurde aber von einem Bürger auf die Bühne gebeten. Die großen Worte überließ er trotzdem seinem Geschäftspartner: Ein großartiges Quartier wolle man bauen und die Wohnungsnot in München lindern, sagte Büschl - unterbrochen von Zwischenrufen aus dem Publikum. Die technischen Details überließ der Chef den Projektentwicklern, Stadtplanern und Fachleuten, die fast ebenso zahlreich erschienen waren wie die Bürger.

"Die große Herausforderung ist, bei den Bürgern Akzeptanz für dieses Projekt herzustellen", sagte Sabine Steger, die zuständige Abteilungsleiterin im städtischen Planungsreferat. Ähnlich sah es auch Rüdiger Kühnle, verantwortlicher Projektentwickler der CA Immo, der auch ein großer Teil des Geländes gehört: "Für viele Menschen ist der Eggarten etwas Besonderes. Da können wir nicht mit einem Nullachtfünfzehn-Projekt ankommen." Trotzdem war der Ton der Investoren erkennbar jovial, was daran liegen mag, dass der Stadtrat dem Projekt bereits im Juli zugestimmt hat.

Lerchenau: Christian Stupka warb bei der Informations- und Dialogveranstaltung zur Auslobung des städtebaulichen Wettbewerbs im Namen der Genossenschaften für das Vorhaben.

Christian Stupka warb bei der Informations- und Dialogveranstaltung zur Auslobung des städtebaulichen Wettbewerbs im Namen der Genossenschaften für das Vorhaben.

(Foto: Robert Haas)

Zu verkünden gab es den Beginn des städtebaulichen und landschaftsplanerischen Wettbewerbs. Die Aufgabenstellung wird in den kommenden Tagen an fünfzehn Architekturbüros verschickt, die bis Ende Februar ihre Modelle zur künftigen Gestalt der Siedlung entwickeln sollen. Das Projekt ist ambitioniert, das sagen nicht nur die Investoren, sondern auch die Stadt und die anwesenden Kommunalpolitiker: erschwinglicher Wohnraum, klimaneutral, mit möglichst wenigen Parkplätzen und einem innovativen Mobilitätskonzept. Leise trotz Bahngleisen im Süden und Osten, Dachbegrünung, Solarzellen und Geothermie. Gewerbe und Geschäfte soll es in bestimmten Bereichen geben. "Wir wollen Natur und Stadt zusammenbringen", sagt Kühnle. Der Eggarten ist Teil eines Biotopverbunds, der auch nach dem Neubau erhalten bleiben soll. Dafür sieht schon das Strukturkonzept vor, dass nur etwa die Hälfte des 21 Hektar großen Eggartens bebaut wird. Allerdings mit bis zu 2000 Wohnungen. Das heißt, hoch und dicht wird es wohl werden, wie Stadtplanerin Steger bestätigt.

Aushängeschild der Neubausiedlung sind die Genossenschaften. Sie sollen die Hälfte aller Wohnungen bauen - vorausgesetzt, es werden insgesamt 2000 Wohnungen entstehen. Das seien zehn Prozent mehr als die städtischen Vorgaben für die Soziale Bodennutzung (Sobon) fordern, betonen die Investoren. Und das mit einer Mietpreisbindung von 60 Jahren.

Kritiker des Bauvorhabens hatten zuvor in einem offenen Brief an den Oberbürgermeister zweifelnd gefragt, ob die Bodenpreise im Eggarten für Genossenschaften nicht viel zu teuer sein würden. Das sei nur ein Gerücht, sagte Christian Stupka, Geschäftsführer der Dachorganisation der Genossenschaften (Gima), der Genossenschaftlichen Immobilienagentur. Er habe mit den Eigentümern bereits die Bodenpreise ausgehandelt, sie seien so hoch wie auf städtischem Boden in Freiham. Dort war der Boden den Genossenschaften anfangs zu teuer gewesen, doch die Stadt hat im Winter nachjustiert. Nun wollten in Freiham sieben Genossenschaften bauen, sagt Stupka. Und auch für den Eggarten gebe es bereits Interessenten. Das Planungsreferat bezieht die Genossenschaften schon jetzt in die Planung ein.

Viel Kritik für ihre Zustimmung zur Neubausiedlung richtete sich gegen Stadträtin Heide Rieke (SPD), die sich gegen die Vorwürfe verteidigte: "Es ist leicht, gegen Neubau zu sein, wenn man in einem Eigenheim in der Lerchenau wohnt. Aber solche Eigenheime sind heute unerschwinglich geworden. Wir brauchen neuen Wohnraum."

Rainer Großmann (CSU), Mitglied im Bezirksausschuss Feldmoching-Hasenbergl, ist einer der Juroren im Architektenwettbewerb. Er sprach ein Dauerärgernis der Bürger an: den Autoverkehr, der durch viele Bauvorhaben im Norden noch weiter steigen wird. Die gute Nachricht überbrachte ein Verkehrsplaner: Die Stadt habe jüngst ein Verkehrsgutachten für den gesamten Münchner Norden in Auftrag gegeben, verkündete er - und erntete Applaus. Auch die Investoren gingen auf eine Forderung der Bebauungsgegner ein: Sie sagten zu, in Kürze alle Gutachten - darunter auch das zum Klimaschutz - zum Eggarten zu veröffentlichen. Bislang konnte diese nur die Stadt einsehen, nicht die Bürger.

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