Es gab ein zähes Ringen, ein Abwägen aller Argumente, dann gab die Stadt München Gas und stellte im Februar 2023 auf der Leopoldstraße zwischen Franz-Joseph-Straße und Münchner Tor Tempo-30-Schilder auf. Mit der Maßnahme sollten Anwohner vor Lärm und Feinstaub geschützt werden. Doch das Verwaltungsgericht hat nun das Mobilitätsreferat ausgebremst. Ein Münchner klagte erfolgreich gegen die Geschwindigkeitsreduzierung, jetzt soll laut dem Urteil künftig wieder Tempo 50 gelten – aber nur auf der Spur stadtauswärts.
Die 23. Kammer des Bayerischen Verwaltungsgerichts sprach ihr Urteil mit einem Ost-West-Gefälle: Auf besagtem 2,3 Kilometer langen Straßenabschnitt dürfen Verkehrsteilnehmer stadtauswärts mit 50 km/h über die Leopoldstraße fahren, stadteinwärts allerdings soll weiterhin die Reduzierung auf 30 km/h gelten. Warum das so ist, bleibt abzuwarten. Denn bislang haben die Prozessbeteiligten nur den Urteilsspruch erhalten. Die ausführliche Begründung wird im schriftlichen Urteil zu lesen sein, bis das abgefasst ist, werden „voraussichtlich noch einige Wochen“ vergehen, sagt Joel Hollaender, Pressesprecher am Verwaltungsgericht.
„Normalerweise“, so setzte der Vorsitzende Richter Dietmar Wolff in der Verhandlung an, habe die Kammer mit Anwohnern zu tun, die für eine Temporeduzierung in ihrer Straße klagen würden. Also weniger Lärm und weniger Schadstoffe. Diesmal ist die Sache andersherum: Ein Anwohner rief das Verwaltungsgericht an, damit man auf der Schwabinger Ausfallstraße wieder schneller fahren darf.
Die Stadt will die Urteilsbegründung abwarten, ob sie gegen das Urteil vorgeht
Er wolle sich „als Prozesshansel“, wie der Kläger ironisch anführte, auch zu Wort melden. Er und seine Bekannten hätten den Eindruck, die Stadt installiere „unter dem Deckmantel der Lärmbelästigung“ immer mehr Tempo-30-Zonen in München. „Durch den erheblichen Verkehr konnte man früher auf der Leopoldstraße eh nicht mit 50 fahren“, sagte er, „deshalb finden die Lärmimmissionen nicht statt.“ Die Regelgeschwindigkeit sei in Deutschland innerhalb geschlossener Orte nun mal 50 km/h.
Das Gericht erging sich in Ausführungen über Wohn- oder Mischgebiete auf besagter Strecke, über zulässige Geräuschpegel laut der bundesweiten Immissionsschutzverordnung und ob es in München andere Ausfallstraßen gäbe, auf denen Tempo 30 gelte. Aber am Ende sei es bei den bisherigen Entscheidungen immer „ein reines Grenzwerterechnen“ gewesen, meinte der Vorsitzende Richter. Letztendlich bekamen nun Kläger und Beklagte quasi zu je 50 Prozent recht.
Beim städtischen Mobilitätsreferat will man zunächst die schriftliche Urteilsbegründung abwarten, bevor man sich zu der Entscheidung äußert. „Auf Basis der Begründung wird über das weitere Vorgehen entschieden“, sagte Pressesprecherin Christina Warta. Erst dann wird die Stadt entscheiden, ob sie den Verwaltungsgerichtshof anruft – oder auf der einen Seite der Leopoldstraße die Tempo-30-Schilder wieder abmontiert. Letzteres müsste erst nach Rechtskraft des Urteils geschehen.
Erst vergangene Woche hatte die Stadt ebenfalls vor dem Verwaltungsgericht eine Niederlage kassiert – und musste den Start der probeweisen Fußgängerzone in der Weißenburger Straße verschieben.