Lenny Kravitz in München:Lasziv wie ein Raubtier

Er liebte berühmte Schauspielerinnen und Sängerinnen - und verarbeitet seine Gefühle in Liedern: Doch nun ist Lenny Kravitz angeblich Single und singt über die Ungerechtigkeit der Welt. Die Zuschauer empfinden immer noch etwas für den Retro-Rocker, allerdings nicht mehr so viel wie früher. Ein Besuch beim Konzert in München.

Lisa Sonnabend

Am Ende geht Lenny Kravitz noch ein bisschen spazieren. Auslaufen. Vielleicht will er sich auch über die Gefühle klar werden: Lieben die Zuschauer mich noch? In der Münchner Olympiahalle neigt sich am Mittwochabend das letzte der fünf Konzerte seiner Deutschlandtour dem Ende entgegen - und der US-Rocker dreht noch einmal eine Runde. Erst läuft er in der ersten Reihe auf und ab, dann einmal um die ganze Halle herum. Er winkt den Zuschauern zu, schüttelt Hände, verteilt eine Umarmung und ruft ins Mikrophon: "Let Love Rule".

Lenny Kravitz

Meist in Großaufnahme: Lenny Kravitz bei einem Konzert im September. (Archivbild)

(Foto: dpa)

Seit 1989 singt Lenny Kravitz vor allem von einem: der Liebe. "It Ain't Over Till It's Over", "Stand by My Woman", "I Belong to You" oder eben "Let Love Rule" - seine großen Hits handeln vom Verlieben, Festklammern oder Verlassenwerden.

Ohne Frage, wenn sich einer damit auskennt, ist es Lenny Kravitz. Er war mit Schauspielerin Lisa Bonet aus der Bill Cosby Show verheiratet. Er hatte dem Vernehmen nach Affären mit Madonna oder Kylie Minogue. Er liebte wohl auch Vanessa Paradis und Natalie Imbruglia. Nicole Kidman machte er einen Heiratsantrag, auch wenn am Ende doch nichts draus wurde. So protokollieren es zumindest detailliert die Klatschzeitungen.

Doch das Thema Liebe genügt Lenny Kravitz nun nicht mehr. Vielleicht ist er auch ein wenig aus der Übung gekommen, angeblich ist er seit längerem Single. Don Juan ist in die Politik gegangen. 2008 schrieb er einen Song für den Wahlkampf vom heutigen US-Präsidenten Barack Obama. Auf seinem neuen Album "Black and White America", das es auf Platz 1 der deutschen Charts schaffte, thematisiert er die Ungerechtigkeit in der Welt. Der Titelsong prangert den Rassismus seiner Landsleute an.

Im Grunde ist es allerdings egal, worüber der 47-jährige Retro-Rocker singt. Zu ähnlich sind sich seine Songs aus den neunziger Jahren und dem neuen Jahrtausend. Eine Mischung aus Rock, Funk, Soul und Pop. In der Struktur, im Rhythmus immer noch gelungen, aber austauschbar. Kravitz verarbeitet weiterhin die Einflüsse der vergangenen Jahrzehnte: Anleihen von den Jackson Five, Jimi Hendrix, Stevie Wonder oder Prince. Auf das Saxophon, typisch für die Achtziger, setzt er auch heute noch.

Scheinwerfer nur auf einen gerichtet

Für das Konzert in der Münchner Olympiahalle hat Kravitz wieder einmal eine hochkarätige Band dabei. David Bowies langjährige Bassistin Gail Ann Dorsey, an der Gitarre natürlich wie gewohnt Craig Ross und dazu drei Bläser, denen es beinahe gelingt, Kravitz in den Schatten zu spielen. Aber nur beinahe. Denn die drei Projektionsflächen hinter und seitlich der Bühne sind meist nur auf einen gerichtet: Lenny Kravitz. Auch der Scheinwerferkegel strahlt nur ihn an.

Der Sänger trägt Pilotensonnenbrille, Nasenring, Goldkette, ein Muskelshirt, das die Tatoos auf dem Oberarm präsentiert, eine zerschlissene, schwarze Hose, einen Umhang mit Fellkragen, schwarze Stiefel. Wenn er in Nahaufnahme eingeblendet ist, hallen "Lenny"-Rufe durch die Halle. Wenn er die Zuschauer bittet zu klatschen, erfüllen sie ihm den Wunsch. Wenn er sich lasziv wie ein Raubtier über die Bühne bewegt oder mit den Hüften schwingt, kreischen ein paar Menschen im Publikum. Ab und an ziehen die Ordner einen erschöpften Fan heraus. Das Konzert ist nicht ausverkauft, aber die Halle gut gefüllt.

Die ganz große Wirkung an dem Abend bleibt jedoch aus. Die Show ist ein wenig zu eintönig, berechenbar, glatt, Lenny Kravitz in seinem Gehabe manchmal arg affektiert. Das Best-of-Programm - es werden nur vier Songs vom neuen Album präsentiert - spielt er in knapp zwei Stunden ein wenig zu routiniert herunter. Nur beim Trompeten-Solo von "Mr. Cab Driver" ist die Halle ergriffen, nur beim rockigen "Are You Gonna Go My Way" tobt sie.

Am Ende sind die Zugaberufe verhalten. Kravitz kommt trotzdem zurück - und geht gar vor dem Publikum in die Knie. Wieder so eine übertriebene Geste. Dann folgt "Let Love Rule" und der Rundgang durch die Halle.

Die Zuschauer haben noch Gefühle für Lenny Kravitz, auch wenn es nicht mehr die große Liebe ist.

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