Lena Meyer-Landrut in München:Das fette Jahr ist vorbei

Tourauftakt Lena Meyer-Landrut in Stuttgart, jetzt Auftritt in München

Lena beim Tourauftakt im Theaterhaus in Stuttgart.

(Foto: dpa)

Lena Meyer-Landrut ist zurück: In München hat sie ihr aktuelles Album "Stardust" vorgestellt. Die ersten Songs verhaut sie komplett, doch der Abend macht Hoffnung, dass es noch nicht vorbei ist mit ihr.

Von Thierry Backes

Ist es das? Ist das alles, was sie sich je vom Leben gewünscht hat? Lena Meyer-Landrut, 21, schließt die Augen und lauscht. "This Is All I Ever Wanted From Life", raunt es durch die Halle. Das Publikum singt nicht sonderlich laut, wohl aber laut genug, um Lena kurz innehalten zu lassen. Die Liedzeile hat die Sängerin nicht selbst geschrieben (oder für sich schreiben lassen), es ist ein Cover des Songs Lifening der Rockband Snow Patrol, doch das ist jetzt egal. In diesem flüchtigen Moment glaubt man nämlich, so etwas wie wahre Freude in Lenas Gesicht ablesen zu können.

Das ist nicht so selbstverständlich wie es auf den ersten Blick scheint. Schließlich hat Lena nach ihrem Sieg beim Eurovision Song Contest 2010 weitaus größere Hallen bespielt als die an diesem Mittwochabend nicht ganz ausverkaufte Theaterfabrik in München. Mehr noch: Lena hat eine Wandlung hinter sich, die viele andere mit einer ähnlichen Karriere längst hätte aufgeben lassen. Sie stieg rasch vom Castingshow-Produkt zum Liebling der Nation auf, doch, und auch das ist Teil ihrer Geschichte, schon in der Nacht ihres größten Triumphs stieg sie wieder ab.

Schuld daran ist nicht zuletzt ihr Mentor Stefan Raab. Er verkündete noch in der Nacht, dass sie zur Titelverteidigung antreten werde und setzte sie damit einem medialen Dauerfeuer aus, aus dem ein Mädchen wie sie nicht unbeschadet hervorgehen kann. Irgendwann zwischen Oslo und Düsseldorf fing Lena an, nicht mehr unschuldig, naiv und kokett zu sein, sondern affektiert und zickig. Sie ließ Frank Elstner bei einem Interview wie einen Deppen dastehen und nörgelte bei Arte so lange an Rapper Casper herum, bis der keine Lust mehr auf das Prinzesschen hatte.

Nach dem Song Contest in Düsseldorf zog Lena sich ins Privatleben zurück, im Herbst 2012 kehrte sie mit ihrem dritten Album "Stardust" zurück, dem ersten, das ihre Handschrift trägt. Nun folgt die obligatorische Tournee, die eine Clubtournee sein soll - und auch sein muss: Die Olympiahalle würde Lena nicht mehr füllen. Die fetten Jahre sind vorbei, aber es steht noch mehr für sie auf dem Spiel: Floppt die Konzertreihe, war es das wohl mit Lenas Musikkarriere.

Die Karriere nach der Karriere

Entsprechend nervös tritt sie anfangs auf, die ersten drei Stücke (To The Moon, Pink Elefant und Mr. Arrow Key) verhaut sie komplett. Sie haucht und stöhnt statt zu singen, das ist schon deswegen schade, weil die Songs zu den schönsten auf ihrem neuen Album gehören. Doch es wird besser: Bei Not Following und Who'd Want to Find Love, die die britische Singer-Songwriterin Ellie Goulding für sie geschrieben hat, zeigt Lena eine gehörige Portion Soul in der Stimme.

"Es ist Zeit für die Band, zu trinken"

"Wer von euch denkt, dass er so richtig gut singen kann?", fragt sie danach und bittet die kleine Luisa, vielleicht zwölf Jahre alt, auf die Bühne. Die heult fast, als sie neben ihrem Idol steht, doch dann macht Lena genau das, wofür ihre Fans sie einst so hoch verehrt haben: Sie umarmt die Kleine, drückt ihr ein Bussi auf die Wange und lässt sie den Refrain zu Day To Say singen, ganz alleine. Lena macht sich bei ihrem Publikum beliebt - ab jetzt läuft's.

Bei Zaz' Hit Je veux vergisst sie zwar eine Zeile, trägt den Song aber ansonsten sauber und akzentfrei vor. Taken By A Stranger, das mysteriös-launige Stück, mit dem Lena in Düsseldorf antrat, funktioniert mit wummernden Bass live wesentlich besser als auf der heimischen Anlage, es fehlen in der kleinen Theaterfabrik nur der künstliche Nebel und die tanzenden Kondome im Hintergrund.

Mit A Million And One und Good News hat sie weitere alte Nummern in ihrem Programm, entspannte Popsongs, die den Winter für einen Moment lang vergessen lassen. Lena, die an diesem Abend mit olivgrauem Kleidchen und langer Goldkette auf die Bühne tritt, und die sich um ihre fünf Musiker kümmert ("Es ist Zeit für die Band, zu trinken"), ist immer noch das schwer zu bändigende Mädchen, das irgendwann zu nerven angefangen hat. Am Ende des Abends knöpft sie sich Britney Spears vor (Baby One More Time) und singt das schwedische Kinderlied Lille Katt, das auf ihrem neuen Album als Bonus zu finden ist.

Etwas sticht an diesem Abend hervor: der Titelsong ihres neuen Albums. Bei Stardust klingt Lena endlich so, wie man sie gerne hören möchte, unterstützt vom Mischpult mit ordentlich Hall und von ihren Bandkollegen: kraftvoll. Nun wippen auch die Mütter und Väter in den hinteren Reihen mit, die ihren Nachwuchs zum Konzert begleitet haben.

Bleibt die Frage: Reicht das alles für die Karriere nach der Karriere? Oder stirbt Lena den Tod, den alle Castingteilnehmer sterben, nur etwas langsamer? Ihr Auftritt in München macht jedenfalls leise Hoffnung.

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