Münchner Momente:Alternative Leihnachten

Der geliehene Christbaum, der nach dem Fest wieder in die Erde kommt, schafft ganz eigene Probleme. Dabei gibt es eine verblüffend einfache Ausweichmöglichkeit.

Glosse von Stefan Simon

Die Sache mit den Leihnachtsbäumen ist eine feine Sache, das dürfte auch dem Christkind gut gefallen haben. Tannen und Fichten, die nach dem Fest samt Wurzelballen zurück in den Wald gebracht und wieder eingepflanzt werden: ein Geschenk an die Natur. Vielleicht besteht ja doch noch Hoffnung für die Menschheit. Du grünst nicht nur zur Weihnachtszeit, nein, auch im Sommer, wenn's nicht schneit. Lustig wird es nur, wenn da mal alle mitmachen. 834 000 Münchner Haushalte buddeln im Advent 834 000 Weihnachtsbäume aus, tragen sie heim und setzen sie ein paar Wochen später wieder in die Erde. Man mag sich die Staus auf den Waldzufahrtsstraßen und Forstwegen gar nicht vorstellen. Schlimmer als im Sommer an den Seen!

Ausgehend von der Pflanzdichte in einem Nutzforst - und als solcher wäre das Ganze wohl zu betrachten - verschwände vor Weihnachten regelmäßig ein stattliches Waldgebiet, so groß wie alle Lohwälder im Münchner Westen zusammen: Allacher Lohe, Angerlohe und Aubinger Lohe. Und ebenso plötzlich wäre zwischen Dreikönig und Mariä Lichtmess alles wieder da. Ein Weihnachtswunder? Nein. Schließlich wächst eine Tanne oder Fichte immer weiter, wenn man sie lässt - anders als die Wohnungen der Münchner. Erst ein Meter, dann zwei, dann drei, dann vier, schon passt sie nicht mehr durch die Tür. Und die Bescherung, gibt es die dann im Treppenhaus? Zumindest für die Pflanzenpflegekräfte müsste man eine Kleinigkeit besorgen - ein aufstrebender Beruf, begehrt wie die Paketboten, zumindest für ein paar Wochen. Man weiß aus dem Büro, dass in 834 000 Haushalten keinesfalls ebenso viele Menschen wohnen, die eine Gießkanne zu bedienen wissen. Aber ein ganzer verdorrter Wald lässt sich weniger leicht vertuschen als eine einzelne ertränkte Goldfruchtpalme.

Andererseits, vielleicht sollte man nicht die Bäume rein- und wieder rausstellen, sondern das Ganze mit den Münchnern machen, nur halt umgekehrt. In der Allacher Lohe standen sie schon in diesem Advent, fest verwurzelt, wie sich das gehört: mehrere festlich geschmückte Christbäume, entlang der Spazierwege - rote Kugeln, Stroh- und Holzsterne, eine alte Holzeisenbahn und ein Nussknacker in den Zweigen. Und nebenan war ein Baum nur für Tiere geschmückt, mit Karotten, Äpfeln und Meisenknödeln. Wie schön! Lasst uns froh und munter sein und uns mit unseren Bäumen freu'n. Das muss man doch auch hinterher gar nicht abschmücken, oder? Das wäre das ganze Jahr über ein schöner Anblick. Solange irgendwer die ganzen Münchner zurück in ihre Wohnungen bringt.

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