Süddeutsche Zeitung

Leihaus-Betreiber Thomas Käfer:Pfand statt Pfanne

Lesezeit: 4 min

Ein iPhone für 350 Euro, ein Ring für 1900 Euro: Thomas Käfer betreibt eines der größten Pfandleihhäuser in München. Dabei sollte er eigentlich eine Kochlehre bei Bocuse machen und im Käferschen Feinkost-Imperium mitmischen. Der Cousin des Gastro-Multis Michael Käfer entschied sich dagegen. Was er jetzt macht, ist nicht im Sinne der Familie.

Philipp Crone

Wenn Thomas Käfer seinen Blick senkt, kann sein Gegenüber nur noch warten und hoffen. Käfer, 51, ein kräftiger Mann mit silbergrauem Dreitagebart und notdürftig zurückgekämmtem grauen Haar, schaut durch eine schmale Lesebrille. Auf seiner Stirn schieben sich vier Falten auf. Nach ein paar Sekunden hebt Käfer den Blick wieder, dreht den weißen Ring noch einmal in der linken Hand und sagt: "1900 kann ich Ihnen dafür geben." Euro.

Der Mann auf der anderen Seite des Schalters, hinter der Glasscheibe, lässt die Schultern sinken und lächelt. Das sei ausreichend, sagt er, unterschreibt den Pfandschein, zählt das Geld nach, das Käfer auf die Theke legt und geht die Treppenstufen runter, hinaus auf die Bayerstraße.

Wieder einer, der mit einem Kurzkredit aus irgendeiner Klemme kommt. Wieder eine Entscheidung, die Käfer in kurzer Zeit treffen muss: Wie viel ist der Gegenstand wert, und was ist derjenige, der ihn bringt, für ein Typ? Ein Abzocker, ein Unglücksrabe? Auf jeden Fall ist es jemand, "der nicht mit Geld umgehen kann", sagt Käfer. So weit, so logisch. "Die meisten sind aber nicht arm, ich habe Stammkunden mit fünfstelligen Monatsgehältern."

Käfer sitzt in seinem Büro. Ein schmuckloser Schreibtisch, dazu ein runder Glastisch und ein Wasserspender. Schön ist hier wenig, höchstens der Schmuck, und der ist weggesperrt. Zu sehen sind Computer. Einen nagelneuen Laptop hat zum Beispiel ein junger Mann gebracht, der hat ihn am 1. des Monats gekauft, nun hat er, am 5., aber nicht mehr genug Geld für den Rest des Monats. Also schließt er mit Käfer einen Pfandvertrag.

Das System: Der Kunde bringt einen wertvollen Gegenstand, den Käfer schätzt und maximal ein Drittel des Wertes auszahlt. Der Vertrag läuft dann über drei Monate. Am Ende kommt der Kunde wieder, bezahlt Gebühren und Zinsen und das Geld zurück. Bei einer Auszahlung von 100 Euro zahlt er pro Monat 3,50 Euro an Käfer. Kann der Kunde den Gegenstand nicht auslösen, wird das Stück nach einer Frist versteigert. Den Gewinn, falls es einen gibt, erhält der Freistaat.

Nach diesem Prinzip arbeitet Thomas Käfer seit elf Jahren, und mittlerweile hat er dabei so viele Geschichten erlebt, dass er zuletzt ein Buch ("Lieber Kleingeld als kein Geld") darüber geschrieben hat. Dabei war sein Berufsleben im Prinzip ganz anders geplant, als Käfer-Spross in München.

Thomas Käfer ist der Cousin des Gastronomie-Unternehmers Michael Käfer. Als Thomas Käfer jung war, führten sein Vater Helmut und Gerd Käfer, Michaels Vater, das Unternehmen, damals ein Monopolist in der Luxusgastronomie. "Wir hatten die ersten Austern nach München gebracht." Käfer spricht schnell, wirbelt mit den Händen durch die Luft und lacht viel.

Michael Käfer beschreibt seinen Cousin als einen, "der immer positiv ist und nie schimpft", er sei ein cooler, lustiger Typ. "Ich mag ihn sehr gerne." Auch wenn sich die beiden fast nie sehen. Das war früher anders, bevor sich einer für den Betrieb und der andere für einen eigenen Weg entschied.

Natürlich sollte eigentlich auch Thomas im Imperium mitmischen. Sein Vater hatte für ihn bereits eine Lehre bei der französischen Kochlegende Paul Bocuse ausgehandelt, als der Teenager beschloss, dass ihm die Gastronomie zu anstrengend war. "Danach hat sich mein Vater nicht mehr um mich bemüht."

Thomas hatte das Gymnasium besucht und auf dem Oktoberfest und beim Partyservice für das Familienunternehmen gearbeitet. "Das ist ein unglaublich harter Job, dafür braucht man Fanatismus." Einen Fanatismus, den sein Cousin Michael hatte, "der wollte das unbedingt", Thomas Käfer nicht. Er wollte "etwas eigenes".

Thomas Käfer machte eine kaufmännische Lehre, hospitierte in einem Schmuckgeschäft, und 1988, mit 28, eröffnete er sein erstes Geschäft. Zeitweise hatte Käfer vier Filialen, dann stürzte die Branche in eine Krise und Käfer hielt sich mit einem Laden über Wasser. Einem, von dem aus man einen Blick auf ein Pfandleihhaus hatte. "Ich habe da so viele Leute ein und ausgehen sehen, dass ich dachte, das muss sich lohnen." 1999 eröffnete er sein Leihhaus. Er kann heute gut davon leben. Es ist eines von 14 Leihhäusern in München, seines zählt zu den vier großen, mit vielen Stammkunden.

Die kommen jeden Monat, zwischen dem 20. und 25., immer mit dem gleichen Wertgegenstand, und leihen sich Geld, mit dem sie bis zum nächsten Gehalt auskommen. Einmal ist es die Frau, die gerade die Schuhe ihres Lebens in irgendeinem Schaufenster gesehen hat, ein Jugendlicher bringt sein nagelneues iPhone 4GS, weil er feiern will am Wochenende, dafür bekommt er 350 Euro.

Manchmal sind die Kunden auch mittellos, so wie einmal eine alte Frau, die einen wertlosen Gegenstand abgeben wollte, um 20 Euro für die Stromnachzahlung zu bekommen. "Dann wird es schwer. Denn du darfst in dem Job kein Mitleid haben mit den Kunden." Und die Frau? Da hätte er dann mit seinen Mitarbeitern gesprochen, 20 Euro aus der Kasse genommen, und sie ihr gegeben.

Aber gerade am Anfang musste Käfer oft Lehrgeld bezahlen. Mit einer wertvollen Uhr zum Beispiel, zu der das Zertifikat des Herstellers mitgeliefert wurde. Das war echt, aber die Uhr nicht das Original.

Im Büro stehen zwei Garnituren mit Lupen und Flüssigkeiten, mit denen Gold auf seine Qualität geprüft wird. In zwei Tresoren verwahrt Käfer Hunderte braune Papiertüten mit Schmuck, 90 Prozent der beliehenen Gegenstände sind Schmuck, der Rest liegt in zwei Lagerräumen. Angeboten wird einiges: Elektronikgeräte, Kameras, eine Modelleisenbahn, eine der wenigen Raritäten, so wie Gebisse, lebendige Schlangen oder auch einmal ein Reitsattel für Affen. Was ist das wert?

Ein Pfandleihhaus hat heute kein gutes Image. "Das ist eben die letzte Station vor dem Bankrott." Früher habe man Töpfe hergebracht, zu Kriegszeiten, die waren da wertvoll." Heute hätten die Leute noch immer im Kopf, dass da im Leihhaus nur Ramsch abgegeben werde, ein Irrtum, aber den Ruf rettet das nicht.

Käfer ist das ohnehin egal, er genießt seine Arbeit, das ist nicht zu übersehen, wenn er fuchtelnd und lachend von seinen Geschichten erzählt, zum Beispiel, dass man besonders aufpassen müsse, wenn ein Adliger seine Uhr verpfände. "Bei diesen Leuten kommen die Statussymbole ganz am Schluss, da ist Vorsicht geboten!"

All die Geschichten stehen im Buch von Thomas Käfer, das Michael Käfer allerdings nicht kennt. "Er hat ein Buch geschrieben?", fragt er am Telefon. Auch im Geschäft am Bahnhof war der Cousin noch nie. "Ich hoffe auch, dass ich da nicht unbedingt hin muss", sagt er lachend.

Offenbar ist ein Cousin, der den Beruf des Pfandleihers ausübt, nicht gut für den Käfer-Ruf. "Die Familie hat mich nie unterstützt", sagt Thomas Käfer. Das klingt nicht bitter, es klingt eher zufrieden. Er hat es alleine geschafft. Nun träumt er auch von einem kleinen Imperium. "Der Traum eines jeden Pfandleihers ist Las Vegas." Da haben die Häuser 13 Schalter und riesige Tresore würden hin und hergefahren. Und Käfer-Gastronomie gibt es dort auch nicht.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1253923
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 10.01.2012
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.