Leiden eines Taxlers:V-Mann im Freudenhaus

Er beschattet Ehemänner, fährt gewichtige Sänger und ist Gehilfe einer Domina: Erwin Behrendt hat als Taxifahrer schon viel erlebt und nun ein Buch geschrieben.

Renate Silberbauer

Mittags in einem Edelpuff am Frankfurter Ring: An der Bar hockt ein Mann Ende Vierzig und trinkt Kaffee. An den freizügigen Damen um ihn herum hat er wenig Interesse. Denn das Bordell besucht er nicht zum Vergnügen, sondern geschäftlich. Er soll hier einen Mann beschatten. Dieser hat sich, wie sich einen Kaffee später rausstellt, von einer asiatischen Schönheit verwöhnen lassen - wie sollte es in einem Freudenhaus auch anders sein.

Bei dem Mann mit Kaffee handelt es sich nicht um einen Polizisten, Privatdetektiv oder gar Agenten, sondern - nun ja - um einen Münchner Taxifahrer. Er heißt Erwin Behrendt, ist 49 Jahre alt und kutschiert seit über zehn Jahren Fahrgäste durch München. Aber nicht nur das: Manchmal beschattet er auch Ehemänner im Puff, während die gehörnte Ehefrau im Taxi eine Ecke weiter wartet.

20 seiner skurrilsten Erlebnisse mit Fahrgästen hat Behrendt in seinem Buch 4036 Datenfunk - Taxifahren ist nicht immer lustig zusammengefasst. Ähnlich wie die 28-jährige Aushilfskraft Anna Sam mit ihrem Buch Die Leiden einer jungen Kassiererin versucht er den Leser an seinem Berufsalltag teilhaben zu lassen. Seine Geschichten handeln überwiegend von Promis, der Polizei - und erotischen Erlebnissen.

"Es gibt nichts, was es nicht gibt"

"Ich fahre schon seit über zehn Jahren Taxi. Aber um bizarre Geschichten mit Fahrgästen erleben zu können, reichen im Grunde schon zwei Tage aus. Es gibt nichts, was es nicht gibt", sagt Behrendt. Lustig sind seine Erlebnisse immer erst im Nachhinein. Im Moment des Geschehens blieb Behrendt das Lachen meist im Hals stecken.

"Ich hab in meinem Freundeskreis immer wieder Geschichten aus meinem Berufsalltag erzählt. Irgendwann haben sie mich aufgefordert, ein Buch zu schreiben." Anfangs war der Taxifahrer davon wenig begeistert. Denn ein talentierter Wort-Jongleur ist er nicht. Letztendlich hat er seine Erlebnisse doch aufgeschrieben - der Orthografie zum Trotz.

Herausgekommen ist ein 88-seitiges-Werk, das einen zum Staunen, Schmunzeln und Kopfschütteln bringt. Wer bisher der landläufigen Meinung war, Taxifahrer bringen ihre Gäste nur von A nach B, der wird eines Besseren belehrt. Denn Taxler sind nicht nur als Denunzianten in Etablissements unterwegs, sondern haben auch Missionen anderen Kalibers zu erfüllen. Aber der Reihe nach.

In München als Taxifahrer seine Brötchen zu verdienen, ist zwar relativ lukrativ, aber nicht immer einfach. Die extravagantesten Fahrgäste gebe es laut Behrendt zur Zeit des Oktoberfests. Wer wie der 49-Jährige schon länger im Geschäft ist, den könne mit der "passenden Ausrüstung" das Oktoberfest nicht aus der Ruhe bringen:

Wenn eine Fahrt interessant wird

"Ich hab Spucktüten dabei für alle mit unnatürlicher Gesichtsfarbe und große Mülltüten für diejenigen, die ihren Schließmuskel nicht mehr unter Kontrolle haben." Mit etwas Menschenkenntnis könne man problematische und unproblematische Kunden schnell filtern.

Vor allem mit Frauen erlebt Behrend immer wieder erotische Geschichten, oder zumindest etwas, was in diese Richtung geht. Einmal habe er zwei Lesben seine Rücksitzbank zur Verfügung gestellt, berichtet er. Ein anderes Mal habe ihn eine 70-Jährige in ihr Schlafzimmer eingesperrt - wohl mit eindeutigen Absichten. Und angeblich habe er einmal sogar unwissentlich mit zwei Araberinnen Verlobung gefeiert.

Eines der Highlights in seinem Berufsleben sei freilich die Beschattung des untreuen Ehemanns im Puff gewesen. Und dann noch die Geschichte mit der Domina. "Da musste ich zuhören, wie eine Domina mit einem Bürotacker hantiert", erzählt er mit einer Mischung aus Stolz und Angst.

Lesen Sie auf Seite 2, wie der Taxler zum Helfer einer Domina wurde.

Die Domina samt Bürotacker

Letztere Geschichte habe harmlos angefangen und endete mit der besagten Bürotacker-Offensive. Am Taxistand meldete sich eine Frau mit dem klangvollen Namen Lydia, die einen kräftigen Taxifahrer forderte. Da sich Erwin Behrendt selbst zur Sorte "Bayerisches Mannsbild" zählt, wollte er sich nicht lumpen lassen und hat sich gemeldet.

Ein paar Straßen weiter hat er dann eine Domina samt Equipment - sie nannte es "Werkzeug" - abgeholt. Für 150 Euro sollte Behrendt sie zu einem Stammkunden nach Grünwald fahren, ihr beim Aufbauen ihres "Werkzeuges" helfen und in der Küche warten. "Wenn du die Trillerpfeife hörst, musst du mir helfen. Der Typ ist unberechenbar."

Wohl war ihm bei der Sache nicht, aber er wollte Lydia nicht alleine lassen und war zudem neugierig. "Vorsorglich hab ich mir eine Bratpfanne zurechtgelegt." Sicher ist sicher. Als die Domina einige Zeit später wiederkam und den besagten Tacker verlangte, war seine Neugierde abrupt gestillt.

Zu Besuch beim Pumuckl

Meist sind Behrendts Geschichten weitaus weniger schmerzhaft, aber nicht minder lustig. Drei Frauen gaben als Fahrtziel die Lindenstraße an. Eine kleine Münchner Straße, die kaum etwas zu bieten hat. So zumindest Behrendts Meinung. Am Ziel angekommen protestierten die Damen. Das sei nicht die Lindenstraße. Im Fernsehen sehe sie ganz anders aus. Und von Mutter Beimer und Else Kling fehle auch jede Spur.

"Ich stand da anfangs total auf dem Schlauch und hab nicht verstanden, was sie von der Lindenstraße erwartet haben. Erst nach längerer Diskussion bin ich drauf gekommen, dass die drei Damen die Lindenstraße aus dem Fernsehen gesucht haben." Dummerweise entsteht die Fernsehserie Lindenstraße in einer Kulisse in Köln. "Bei dieser Geschichte muss ich heute noch lachen."

Aber auch andere Filmkulissen, die tatsächlich in München sind, hat der Taxifahrer mit seinen Gästen schon besucht. "Zwei junge Männer aus Köln wollten sich vorm Pumuckl-Haus, das in der Au steht, fotografieren lassen."

Zielort: Promi-Villa

So hat Behrendt Meister Eder uns seinem Kobold einen Besuch abgestattet und die beiden Männer kamen zu ihrem Foto. Als sie schließlich vor Meister Eders Schreinerei standen, fingen die beiden Männer zu singen an: "Hurra, hurra, der Kobold mit dem roten Haar. Hurra, hurra, der Pumuckl ist da..."

Promi-Villen werden auch des Öfteren als Zielort angegeben. Ohne genaue Adresse steuert Behrendt diese Orte aber eher selten an. "Ich weiß ja auch nicht, wo jeder Promi wohnt. Da werden wir Taxifahrer oftmals überschätzt." Von Prominenten, die er schon nach Hause gebracht hat, kennt er natürlich die Adresse.

Lesen Sie auf Seite 3, wie unser Taxler einen betrunkenen Schlagersänger nach Hause kutschieren musste.

Ein Psychiater auf Hausbesuch

So auch von einem in der Münchner Bussi-Gesellschaft bekannten Schlagersänger, den er eines Nachts am Taxistand am Campari Haus aufgesammelt hat. Merklich angeheitert sei der Fahrgast im Taxi eingeschlafen und während der Fahrt in den Fußraum zwischen Vorder- und Rücksitzbank gerutscht - und habe sich dort ungeschickt mit dem Fuß verkeilt.

Behrendt konnte den massigen Sänger selbst mit einem zu Hilfe gerufenen Kollegen und zwei hinzukommenden Polizisten nicht aus dem Wagen hieven. Erst durch fast übermenschliche Anstrengung konnte sich der Fahrgast selbst aus dem Wagen befreien.

Nervig: "Ich möcht' Heim"

Zum Taxifahren ist Behrend gekommen wie die Jungfrau zum Kind. "Nach meiner Scheidung bin ich nebenbei Taxi gefahren und mittlerweile mache ich es hauptberuflich, weil man sich seine Zeit frei einteilen kann und gut verdient." Dafür nimmt der 49-Jährige auch alle Widrigkeiten in Kauf: "Schwierige Gäste hat man überall. Nicht nur beim Taxifahren. Man braucht einfach genug Lebenserfahrung um die Leute im Griff zu haben."

In München gibt es viele Plätze, wo man als Taxifahrer ziemlich schnell zu Kundschaft kommt. Am liebsten steht Behrendt beim Bahnhof Nord. "Da wird meine Sprache gesprochen." Denn beim Odeonsplatz stehen Griechen und am Bahnhof Süd sei türkisch von Vorteil.

An Fahrgästen habe Behrendt schon alles gefahren. Einen Spruch hört er regelmäßig von seinen Gästen: "Der Satz 'Ich möcht' Heim' kommt täglich und ich kann ihn wirklich nicht mehr hören."

Eine andere Marotte, auf die er immer wieder trifft, ist die mangelnde Zahlungsmoral. "Oft komme ich am Zielort an und dann sind die Leute vollkommen überrascht, dass sie bezahlen müssen." Wenn der Zahlungsvorgang dann länger daure als die eigentliche Fahrt, werde Behrendt ungemütlich.

"Solidarität unter Männern"

Diese und weitere Leiden eines Taxifahrers sind in seinem Buch zusammengefasst. Einen Verlag hat Behrend übrigens nicht. Via Books on Demand hat er sein Buch in Eigenregie erstellt. Auch das Lektorat und den Vertrieb hat er gemeinsam mit seiner Freundin selbst übernommen.

Ach ja, mit dem beschatteten Ehemann aus dem Edelpuff hat Behrendt übrigens einen Deal gemacht: Für 50 Euro hat er der warteten Ehefrau im Taxi um die Ecke erzählt, das ihr Mann - der von Beruf Psychiater war - einen Hausbesuch gemacht habe. "Solidarität unter Männern" nennt es Behrendt. Ob ihm die gehörnte Ehefrau das tatsächlich abgenommen hat, ist nicht überliefert.

4036 Datenfunk - Taxifahren ist nicht immer lustig, Erwin Behrendt, Books on Demand, ISBN 978-3-8391-1456-8, 88 Seiten, 14,90 Euro

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