Und wenn es nur eine Hand ist, die er herrichtet, damit sich Angehörige am offenen Sarg verabschieden können: Alfred Riepertinger hat einen außergewöhnlichen Beruf - er ist Leichenpräparator. In seinen mehr als 40 Jahren als medizinischer Präparator und Oberpräparator am Institut für Pathologie der München Klinik Schwabing hatte er viele Menschen vor sich liegen. Mal waren sie an Krankheiten gestorben, mal einem Unfall zum Opfer gefallen oder gewaltsam zu Tode gekommen. Seinen Beruf sieht Riepertinger als einen wichtigen Teil der Trauerbewältigung für die Angehörigen.
Bis zu 10 000 Menschen hat der Präparator schon seziert oder einbalsamiert. Dazu hat er Tausende hergerichtet, plastiniert oder eingesargt. Zählt er all diese Toten mit, so sind es bis zu 50 000 Verstorbene gewesen, um die er sich mit seinem Fachgeschick kümmerte. Darunter waren Franz Josef Strauß und Rudolph Moshammer, ebenso Opfer der Roten Armee Fraktion (RAF) und der rechtsextremen Terrorgruppe NSU, wie Riepertinger im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur erzählt. „Natürlich bleiben da viele Dinge hängen, aber die Arbeit nehme ich selten mit nach Hause“, sagt er. Das Entscheidende sei für ihn, Distanz zu bewahren, aber nicht abgebrüht zu werden. „Sonst können sie nicht mehr pietätvoll mit den Verstorbenen umgehen.“
Seit 2019 ist Riepertinger im „Unruhestand“, wie er es nennt. Aufgehört zu arbeiten hat der 69-Jährige nicht wirklich: An zwei Tagen in der Woche ist er immer noch am Institut und kümmert sich um organisatorische Dinge. Die Zahl der klinischen Sektionen sei durch die verbesserten diagnostischen Möglichkeiten zurückgegangen, berichtet Riepertinger. Er sieht sich aber als Vertreter einer „old school“: „Es gibt selbst in der hochmodernen Medizin kleine Ausreißer. Deshalb ist die letztendliche Überprüfung, nichts anderes ist eine klinische Sektion, immer noch wichtig.“
Aus der Sammlung des Pathologischen Instituts soll ein Museum werden
Nebenbei kümmert sich der Präparator seit 20 Jahren um sein Herzensthema: Er will aus der Sammlung seines Instituts ein Museum machen. Spätestens 2027 soll der Standort in Schwabing geschlossen und die Pathologien in Bogenhausen zentralisiert werden, erzählt er. Was dann mit den rund 2500 Exponaten des Instituts passiert, sei noch unklar. Zuletzt habe er die Präparate mit Wissenschaftlern erfasst. „Dadurch ist garantiert, dass das Mindestmaß der Erhalt der Sammlung ist.“
Über seine Arbeit hat Riepertinger zwei Bücher geschrieben. Darin erzählt er von den heiteren Facetten seines Berufs, aber auch von Kriminalfällen und Dreharbeiten fürs Fernsehen. Und immer wieder hält der 69-Jährige auch Lesungen im alten Hörsaal des Instituts - beim Münchner Krimifestival am Donnerstag, 6. Juni, zum 100. Mal. Dem Publikum will er die Scheu vor dem Tod nehmen. Die Menschen bereiteten sich zu wenig auf ihr Lebensende vor, sagt Riepertinger. Dabei sei das mit dem Tod doch alles nicht so „bierernst“ zu nehmen, findet er.