Leibesvisitationen bei Münchner Schülern:Fünf-Euro-Frage

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An der Friedrich-List-Wirtschaftsschule durchsuchten Beamte 29 Schüler, teils bis auf die Unterwäsche. (Foto: Jakob Berr)

Polizisten ließen eine ganze Schulklasse zur Leibesvisitation antreten - weil einer Schülerin fünf Euro abhanden gekommen waren. Für die Jugendlichen waren die Intimkontrollen ein Schock. Doch nach vier Monate ist noch immer offen, ob den zuständigen Beamten Konsequenzen drohen.

Von Susi Wimmer

Mehr als vier Monate sind vergangen, seitdem Polizisten Schüler der Friedrich-List-Wirtschaftsschule wegen eines angeblichen Diebstahls von fünf Euro zwangen, sich teilweise nackt auszuziehen. Die Staatsanwaltschaft hat aber immer noch nicht entschieden, ob die Beamten ein Strafbefehl oder eine Anklage wegen versuchter Nötigung und Beleidigung auf sexueller Basis erwartet. Die Verteidiger der beiden Polizisten haben für ihre Mandanten noch keine Stellungnahme abgegeben, sondern eine Fristverlängerung beantragt. Laut Staatsanwaltschaft haben im Rahmen der dreimonatigen Frist bislang weder Schüler noch die Eltern der Opfer Strafantrag gegen die Polizisten gestellt.

Für die Schülerinnen und Schüler im Alter von 13 bis 14 Jahren war die Polizeiaktion vom 27. November ein Schock. Eigentlich hätte der 44-jährige Jugendbeamte des Polizeipräsidiums die Schüler im Rahmen des Projektes "zammgrauft" in Gewaltfreiheit und Zivilcourage unterrichten sollen. Stattdessen ging der Schuss nach hinten los: Als eine Schülerin glaubte, ihr sei eben aus der Jacke ein Fünf-Euro-Schein gestohlen worden, griff der Beamte zu drakonischen Maßnahmen.

Zunächst marschierte er zur Schulleiterin und erklärte ihr, dass der Vorfall sofort und umfassend aufgeklärt werden müsse. In einer Stellungnahme von Schulrat Rainer Schweppe an den Stadtrat heißt es, dass der Beamte die Einwände der Lehrkräfte, dass die Maßnahme sinnlos sei, mit dem Argument weggewischt habe, dass die Höhe der Summe unerheblich sei. "Entscheidend ist, dass ein Diebstahl vorliegt", soll er gesagt haben. Laut Schweppe soll die Schulleiterin dem Beamten mit auf den Weg gegeben haben, er solle die Ermittlungen in angemessener Weise durchführen.

Selbst der Innenminister hält die Aktion für "völlig überzogen"

Was dann folgte, bezeichnete selbst Innenminister Joachim Herrmann als "völlig überzogen, nicht verhältnismäßig und daher nicht rechtmäßig": Im Jungen- und Mädchenklo postierten sich je zwei Beamte und Beamtinnen, die der Jugendbeamte zur Verstärkung angefordert hatte. Je nach Verdächtigungsgrad mussten die Schüler nur die Jacken oder die komplette Kleidung samt Unterhose ausziehen. Einem Jungen wurde mit einer Anzeige gedroht, falls er sich weigere. Er musste sich nackt bücken, mittels einer Taschenlampe wurde sein Analbereich kontrolliert. Die Lehrkräfte sahen tatenlos zu, die Schulleiterin war bei der Maßnahme nicht zugegen.

Keiner der Beteiligten stellte das Handeln des Jugendbeamten infrage. Der Beamte war seit Jahren an der Schule bekannt. Die Lehrkräfte hätten den Eindruck gehabt, dass bei der Ermittlungsmaßnahme alles "ordnungsgemäß" verlaufe, so Schweppe in seiner Stellungnahme. Momentan prüfe die Rechtsabteilung den Vorfall aus dienstrechtlicher Sicht, sagt Schulamtssprecherin Ursula Oberhuber.

Nach Angaben von Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch ermitteln die Internen Kripobeamten wegen versuchter Nötigung gegen den Jugendbeamten sowie gegen eine Polizistin. Warum die Eltern der Opfer auf eine Anzeige verzichtet haben, darüber kann Steinkraus nur mutmaßen: "Vielleicht wollten sie den Jugendlichen weitere belastende Aussagen bei der Polizei ersparen." Die Ermittlungen wegen der angeblich gestohlenen fünf Euro wurden fortgeführt - und sind bislang im Sande verlaufen.

© SZ vom 05.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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