Lehrermedientag:Zeitung, das Fitnessstudio für Demokratie

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"Wie erkläre ich Schülern die (digitale) Welt?" - das Thema von SZ-Redakteurin Mareen Linnartz (rechts) beim Lehrermedientag im Wilhelmsgymnasium. (Foto: Robert Haas)

200 Pädagogen holen sich Wissen aus erster Hand

Von Jakob Wetzel

Die Demokratie sei wie ein Muskel, sagt Dirk von Gehlen. Es sei Widerspruch nötig, um diesen zu trainieren. Andernfalls könne er verkümmern, etwa wenn soziale Medien den Menschen nur anzeigen, was ihnen gefallen soll, wenn ihnen also nur bestätigt wird, was sie ohnehin zu wissen meinen. Zeitungen müssten den Anspruch haben gegenzusteuern, andere Perspektiven zu öffnen und andere Argumente zu nennen, sagt er. "Medien sind Störer." Und im besten Fall seien sie dann "so etwas wie ein Fitnessstudio der Demokratie".

Von Gehlen leitet den Bereich Social Media und Innovation der Süddeutschen Zeitung. An diesem Mittwochvormittag aber steht er vor etwa 200 Lehrerinnen und Lehrern auf einer Bühne im Münchner Wilhelmsgymnasium, wirbt für die Zeitung an sich als Partner in der digitalen Zeit, und er macht Mut: Der digitale Wandel sei nichts, wozu einen irgendwelche Mächte zwingen würden. Man könne ihn auch gestalten.

Am Mittwoch haben 15 bayerische Tageszeitungen landesweit zum "Lehrermedientag" eingeladen, in München die SZ gemeinsam mit dem Münchner Merkur und der tz. Es ist Buß- und Bettag: Die Schüler dürfen an diesem Tag daheimbleiben, und die Lehrer haben Zeit, sich fortzubilden. Und so diskutiert von Gehlen nun mit Bernd Ernemann, Chefredakteur der Merkur-Heimatzeitungen, über den digitalen Wandel und darüber, wie sich Medien und die Gesellschaft verändert haben.

Es war ein langer Weg. Erstmals sei er mit dem Internet konfrontiert worden, als er bei einer Zeitung im Taunus gearbeitet habe, erzählt Ernemann. Ein technikaffiner Kollege habe die anderen abends beiseite genommen und ihnen "das Internet" vorgeführt. Das sei eher enttäuschend gewesen. Was sollte man schon suchen? Dass es alles verändern sollte, sei ihm und seinen Kollegen erst später klar geworden. Heute ist das Internet mobil und überall.

Für Lehrer gehe es erst einmal darum, die digitale Welt überhaupt richtig zu verstehen, sagten die Professoren Sandra Aßmann von der Ruhr- Universität Bochum und Bardo Herzig von der Uni Paderborn in einem einführenden Vortrag - und zwar nicht ihre jeweils eigene digitale Welt, sondern die der Schülerinnen und Schüler. Die setze sich neben Internetseiten auch aus verschiedenen sozialen Netzwerken zusammen, aus Computerspielen oder auch aus Spielzeug mit zugehörigen Handy-Apps; die digitale Infrastruktur sei insgesamt immer schwieriger zu durchschauen.

Um sich zu orientieren, müssten Schüler auf vor-digitale Fertigkeiten zurückgreifen können, erklärte Herzig. Etwa auf eigenes Fachwissen, um beurteilen zu können, ob online gefundene Informationen korrekt sind; es reiche nicht aus, nur zu wissen, wo im Internet man etwas finden könne. Auch intellektuelle Fähigkeiten seien gefragt: Schüler müssten einschätzen, welche Informationen stimmig sind, und wie sie sich unterscheiden. Und auch in moralischen Fragen müssten sie geschult werden: Was ist fair, was gerechtfertigt?

Welche Herausforderungen sich stellen, darüber referierten nachmittags Journalisten in Workshops. Ernemann etwa sprach über den Umgang mit falschen Informationen, die über soziale Medien weit verbreitet wurden; SZ-Redakteur Paul Munzinger erklärte, auf welche Weise Berichterstattung falsch oder verzerrt sein könne, und wie sich Zeitungen im Gegenzug um Transparenz bemühten. Mareen Linnartz von Süddeutsche Zeitung Familie sprach unter anderem darüber, wie wichtige Nachrichten von unwichtigen unterschieden werden können. Und tz-Redakteurin Dorit Caspary erklärte, wieso Lehrer auch für abstrakte Themen wie Kinderrechte nicht unbedingt das Internet bräuchten: Die Zeitung sei am Leben der Schulkinder oft viel näher dran. Bei einer Spendenaktion für das Hilfswerk Unicef etwa hätten Schulkinder mit Hilfe von Zeitungsartikeln den Krieg in Syrien thematisiert, sagt sie. Sie stellten die Lage der Kinder vor, es gab syrisches Essen. Und die Zeitung hat darüber dann wieder berichtet.

© SZ vom 22.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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