Lehrermangel:Schule sucht Lehrer - und wendet sich per Rundbrief an die Eltern

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Weil Lehrer fehlen, fallen Unterrichtsstunden aus. Die Schüler werden dann früher heimgeschickt. (Foto: Caroline Seidel/dpa)
  • Wegen Langzeiterkrankungen, Schwangerschaften und Ruhestandsversetzungen fällt an Münchner Schulen phasenweise sehr viel Unterricht aus.
  • Ein Münchner Gymnasium sucht nun unter Eltern und Studenten nach geeignetem Ersatz.
  • Das scheint merkwürdig, werden doch bei Weitem nicht alle Gymnasiallehrer eingestellt.

Von Melanie Staudinger

Die Stellenbeschreibung klingt zunächst durchaus verlockend. Ein Deutschlehrer wird gesucht, für ein Gymnasium in München, gute Lage, gute Klientel. Einzige Bedingung: Der Kandidat sollte einen Hochschulabschluss in Deutsch haben, oder zumindest Deutsch auf Staatsexamen studieren und das in einem höheren Semester, wenn möglich.

Dann aber kommt der Haken: Es handelt sich nur um eine Stelle mit insgesamt acht Stunden, die dann auch noch in zwei siebten Klassen zu geben sind - bei Schülern in der Pubertät also, durchaus nervenaufreibend manchmal.

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Gefunden wurde bislang niemand, weshalb die Schulleitung sich in einem Rundbrief an die Eltern wandte. "Sollten Sie Interessenten für eine solche Tätigkeit kennen, würde ich mich freuen, wenn Sie diese auf das Angebot aufmerksam machen könnten", heißt es da.

Zu solchen Zuständen kommt es in Münchner Gymnasien und Realschulen immer wieder, gerade jetzt, wenn zu Langzeiterkrankungen, Schwangerschaften und Ruhestandsversetzungen Ausfälle wegen der Grippewelle kommen.

Die Schüler schauen Filme in den Vertretungsstunden oder dürfen eher nach Hause, die Eltern ärgern sich, weil sie fürchten, dass ihre Kinder zu viel Stoff verpassen, die verbleibenden Lehrer ächzen unter der wachsenden Arbeitsbelastung. Nicht nur an Grund- und Realschulen fehlen Lehrer, sondern auch an den weiterführenden Schulen.

Die Situation allerdings unterscheidet sich grundlegend, weil es im Gegensatz zu Grund- und Mittelschullehrern eigentlich genügend arbeitslose Gymnasiallehrer gäbe, die nichts lieber hätten als einen festen Job. Doch auch zum zweiten Schulhalbjahr gingen wieder viele leer aus.

Gut einem Fünftel der Bewerber mit Lehrbefähigung für das Fach Gymnasium hat das Kultusministerium nach eigenen Angaben an staatlichen Gymnasien, Fach- und Berufsoberschulen eine unbefristete Einstellung angeboten. Alle anderen müssten es entweder bei kommunalen oder privaten Schulen versuchen, sich in einer zweijährigen Fortbildung zum Mittelschullehrer qualifizieren zu lassen oder es im Sommer erneut über die Warteliste versuchen. Glück hat, wer die richtige Fächerkombination gewählt hat: Besonders gefragt sind Physik-, Informatik- oder Kunstlehrer. Ein Deutschlehrer müsste demnach eigentlich zu finden sein.

Das Kultusministerium erklärt auf Nachfrage, dass an Realschulen und Gymnasien zum Schuljahresbeginn alle freien Stellen besetzt worden seien. Wie viele Posten derzeit noch frei sind, war am Dienstag nicht zu erfahren. Dass Langzeiterkrankungen dadurch nicht aufgefangen würden, räumt der Sprecher ein. Doch auch für diese Fälle stünden den Schulleitern eine Reihe von Möglichkeiten zur Verfügung.

Ausgerechnet in München fehlt Personal

Seit dem Schuljahr 2013/14 existiert an allen staatlichen Realschulen und Gymnasien eine sogenannte integrierte Lehrerreserve. Die Schulen erhalten zusätzliche Lehrerstunden. Diese Lehrer können zum Beispiel bei Förderstunden helfen, werden aber sofort abgezogen, wenn irgendwo ein Kollege fehlt. Reicht das nicht aus, steht den Schulleitern ein zusätzliches Budget zur Verfügung, mit denen sie "bei Engpässen in der Personalversorgung nach passgenauen Lösungen vor Ort" suchen können. Pensionierte Lehrer unterrichten oft an ihrer alten Schule ein paar Jahre weiter, manchmal springen auch Mathematiker oder Physiker ein. Eine Dauerlösung, da sind Experten sich sicher, ist das allerdings nicht.

Schon zu Schuljahresbeginn haben Lehrerverbände auf den sich zuspitzenden Personalmangel hingewiesen. Und die Situation wird sich weiter verschärfen. Mindestens 49 Schulen, so erklärte Schulbürgermeisterin Christine Strobl erst vor Kurzem, würden bis 2030 neu gebaut oder erweitert werden, darunter auch sieben neue Gymnasien. Nicht einbezogen in diese Rechnung ist eine mögliche Rückkehr zum G 9. Drei bis fünf zusätzliche Gymnasien wären dann nötig - und die müssen nicht nur gebaut werden, irgendjemand muss dort auch unterrichten.

Doch gerade für junge Lehrer ist das Leben in München oftmals uninteressant. Hohe Mieten und Lebenshaltungskosten fressen einen Großteil des nicht allzu üppigen Einstiegsgehalts. Lehrer, die aus dem Norden Bayerns an die Isar versetzt wurden, versuchen schnell, in ihre Heimat zurückzukehren. Die Münchner Schulen sind Ausfälle und Improvisation mittlerweile gewöhnt. Ist der Deutschlehrer gefunden, muss vielleicht als nächstes schon nach einer Französischlehrerin gefahndet werden. Denn Geld gäbe es genug, nur das Personal fehlt einfach.

© SZ vom 01.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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