Lehrermangel:Evangelische Religionslehrer wollen nicht in den Süden

  • Die evangelische Landeskirche bildet ihre Religionslehrer in Nürnberg aus. Aus Franken kommen auch die meisten Bewerber.
  • Im Süden führt das zu Problemen: Nur zehn von 50 Stellen konnte die Kirche im vergangenen Jahr besetzen.
  • Mit verschiedenen Maßnahmen versucht man nun, den Raum südlich der Donau attraktiver zu machen.

Von Jakob Wetzel

Es gebe da ein Verteilungsproblem, sagt Jochen Bernhardt. Wenn die evangelisch-lutherische Kirche in Nürnberg die Stelle eines Religionslehrers ausschreibe, dann erhalte sie schon einmal vier, fünf Bewerbungen.

Das ist kein Wunder: An der Evangelischen Hochschule in Nürnberg werden sämtliche Religionslehrer der Landeskirche ausgebildet. Und in Franken leben ohnehin vergleichsweise viele Protestanten. Aber Nürnberg ist ein Sonderfall. Anderswo, insbesondere südlich der Donau, da sei die Suche nach Religionslehrern viel schwieriger. Das merkt man in München jetzt sehr deutlich.

Jochen Bernhardt leitet das Personalreferat für Religionspädagogen der evangelischen Landeskirche. Und die Zahlen, die er nennt, klingen ernüchternd. 50 Stellen für Religionslehrer hat die Kirche in ganz Bayern für das kommende Schuljahr ausgeschrieben. Lediglich zehn konnte sie besetzen. Das sei "erst einmal insgesamt eine Diskrepanz", sagt Bernhardt.

Im vergangenen Jahr hat die Kirche deshalb intensiv für sich geworben, es gab eine breite Kampagne, und sie hatte durchaus Erfolg: Fingen lange etwa 20 Studenten im Jahr ihr Studium an, seien es aktuell 36, sagt Bernhardt. Das andere Problem aber ist dadurch nicht gelöst: das Verteilungsproblem. Es gibt Gegenden, in denen will kaum ein junger evangelischer Religionslehrer arbeiten.

Etwa in München: Hier seien für viele Grund- und Mittelschullehrer einfach die Mieten und Lebenshaltungskosten zu hoch, sagt Volker Lehmann, der Leiter des Schulreferats im Kirchenkreis und im Dekanat München. Die Wirtschaftsstärke im Süden wird so ein Nachteil. Denn wenn sich einer in München effektiv ein Viertel weniger leisten könne als in Nordbayern, warum sollte er dann in den Süden ziehen?

Prekär ist die Lage derzeit nicht. In der bayerischen Hauptstadt konnten im gerade vergangenen Schuljahr etwa 140 Stunden Religionsunterricht pro Woche nicht von kirchlichen Lehrkräften gegeben werden, das entspricht etwa zehn Prozent des Pensums, um das der Staat die Kirche gebeten hatte. Und das bedeutet noch lange nicht, dass deshalb zehn Prozent des Unterrichts ausgefallen wären. Es geht nur darum, wer diesen erteilt, der Staat oder die Kirche. Religionslehre ist als ordentliches Unterrichtsfach verfassungsrechtlich und gesetzlich garantiert.

Das System sei "ein komplexes Mobile", sagt Bernhardt: An Grund- und Mittelschulen haben die Kirchen das Recht zu unterrichten. Haben sie nicht genügend Pädagogen, muss der Staat eigene zur Verfügung stellen. Nur: Der sucht ebenfalls Grund- und Mittelschullehrer, auch dessen Bedienstete leiden unter den hohen Münchner Kosten - und wenn die Kirche schon das Recht hat, Religionsunterricht zu erteilen, will sie dieses Recht auch nutzen.

Was tun? Religionslehrer sind nicht die einzigen, die für die Kirche unterrichten. Man setze auch Pfarrer ein, die übernehmen jeweils sechs Schulstunden pro Woche, sagt Lehmann. In München seien immerhin alle Pfarrstellen besetzt; aber die Pfarrer würden auch nicht jünger, und es kämen zur Zeit weniger neue nach.

Eine Option sind Ruheständler, aber das sind Lösungen im Einzelfall, in Bayern sind derzeit zehn im Einsatz, in München nur zwei. Zum Vergleich: Im Auftrag der evangelischen Kirche geben in Bayern derzeit knapp 2600 Menschen Religionsunterricht, in München sind es 437.

Wie wird der Süden attraktiver?

Eine weitere Strategie der Kirche sind sogenannte Katecheten: Das sind Pädagogen in Teilzeit, ihre Ausbildung dauert zwei Jahre. Meist würden sich Frauen um die 50 dafür interessieren, für sie sei das oft eine neue berufliche Perspektive, sagt Bernhardt. Auch hier ist die Nachfrage gestiegen: Zuletzt waren es etwa zehn Teilnehmerinnen im Jahr, im neuen Kurs sind es 15. Man bemühe sich darum, sie verstärkt einsetzen zu können, sagt Lehmann. Und die Kirche kann hier steuern: Stammt eine Bewerberin um einen Kursplatz aus der Problemzone Oberbayern, dann hat sie bessere Karten als eine aus Mittelfranken.

Die zentrale Lösung aber bleibt: "Wir müssen den Raum südlich der Donau attraktiver machen", so sagt es Jochen Bernhardt. Nicht zuletzt versucht die Kirche, den Franken die Scheu vor dem Süden zu nehmen. So schickt die Evangelische Hochschule ihre Studenten mittlerweile im Praxisjahr bewusst in die Problemgegend südlich der Donau - vielleicht gefällt es ihnen ja dort, und sie wollen später wieder hin? Ähnlich verfährt die Landeskirche mit Lehrern im Vorbereitungsdienst, also im kirchlichen Referendariat. "Wir machen das, damit sie sehen: Es ist da gar nicht so schlecht", sagt Bernhardt. "Und viele bleiben dann auch hängen."

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