Lehel:Sicheres Zuhause auf Zeit

Lehel: Trotz spartanischer Einrichtung sind die Frauen froh über ihre Unterbringung in dem von Imma geschaffenen geschützten Umfeld.

Trotz spartanischer Einrichtung sind die Frauen froh über ihre Unterbringung in dem von Imma geschaffenen geschützten Umfeld.

(Foto: catherina hess)

Die Initiative für Münchner Mädchen hat ein Wohnprojekt ins Leben gerufen, bei dem ausschließlich Frauen und Kinder, die aus ihren Heimatländern fliehen mussten, aufgenommen werden

Von Verena Fücker, Lehel

Über das, was passiert ist, möchte Rosaline Forna (Name geändert) nicht sprechen. Zu klar sind die Erinnerungen an ihr altes Leben in Sierra Leone, zu schlimm ist das, was sie auf der Flucht erlebt hat: "Daran möchte ich nie wieder denken. Zum Glück habe ich in München ein neues Zuhause gefunden." Die 36-Jährige wohnt jetzt in einem Wohnprojekt für Flüchtlinge, das der Verein "Initiative für Münchner Mädchen" (Imma) im Januar eröffnet hat. Das Besondere: Das Haus nimmt nur Frauen und ihre Kinder auf.

"So eine Einrichtung gab es noch nicht, wurde aber dringend gebraucht. Die Erstaufnahmeunterkünfte wie die Bayernkaserne sind alles andere als frauengerecht", sagt Gundula Brunner, Geschäftsführerin der Imma. Als problematisch erachtet sie vor allem die gemischte Unterbringung von Männern und Frauen, den Männerüberhang in den Unterkünften und dass man dort die Zimmer nicht abschließen kann. "Die Frauen sind dort den Männern ausgesetzt", sagt auch Stephanie Knott, Einrichtungsleiterin der Frauenunterkunft. Dabei haben viele Frauen bereits in ihrem Heimatland oder auf der Flucht schlechte Erfahrungen mit Männern gemacht, wurden vergewaltigt, verfolgt, weil sie homosexuell sind, oder von Menschenhändlern verschleppt.

Umso wichtiger sei es, den Frauen in Deutschland ein schützendes Umfeld zu geben, da sind sich Brunner und Knott einig. Deswegen haben sie ein Haus in München, in dem früher Missionsschwestern gewohnt haben, so umgebaut, dass dort bis zu zwölf Frauen mitsamt ihren Kindern wohnen können. Aktuell leben dort zehn Frauen und neun Kinder aus verschiedenen afrikanischen Ländern. Zwei Kinder wurden geboren, als die Mütter bereits im Haus gewohnt haben.

Noch sind die Zimmer recht spartanisch mit einem Bett für die Frau, einem Schrank und bei Bedarf mit Kinderbetten eingerichtet. Außerdem gibt es eine Küche und ein Bad auf jeder der drei Etagen, ein Spielzimmer für die Kinder und einen Gemeinschaftsraum, in dem zukünftig Deutsch unterrichtet werden soll. Nur ein Zimmer ist doppelt belegt, weil zwei junge Frauen aus Eritrea nicht getrennt werden wollen. "Die beiden haben ganz schlimme Gewalterfahrungen gemacht. Es war ihr Wunsch, gemeinsam ein Zimmer zu beziehen, weil sie sich damit sicherer fühlen", sagt Stephanie Knott. Rosaline Forna fühlt sich in der Unterkunft hingegen sicher: "Wir Frauen und die Mitarbeiterinnen der Imma sind alle eine große Familie, obwohl wir noch nicht einmal aus dem selben Land kommen."

Im Wohnprojekt sollen die Frauen zunächst einmal zur Ruhe kommen. "In einer üblichen Unterkunft, vor allem bei der Erstaufnahme, werden viele Flüchtlinge oft direkt weiterverlegt und können nicht ankommen", sagt Gundula Brunner. Zur Ruhe trägt auch der im Vergleich zu den meisten Flüchtlingswohnheimen deutlich bessere Betreuungsschlüssel bei. Um die bis zu zwölf Bewohnerinnen und deren Kinder kümmern sich zwei Sozialarbeiterinnen und eine Erzieherin. In Bayern kommt sonst üblicherweise ein Betreuer auf 150 Flüchtlinge. Die Imma kümmert sich außerdem darum, dass die Frauen zu den Behörden begleitet werden oder dass sie eine ärztliche Versorgung bekommen. "Wir arbeiten mit einer Allgemeinärztin, einer Frauenärztin, einer Hebamme und einer Kinderkrankenschwester zusammen. Bei psychischen Beschwerden kontaktieren wir zum Beispiel den Frauennotruf", erzählt Stephanie Knott. Besonders bei psychischen Problemen entwickelt sich die Hilfe aber auch aus dem Alltag heraus. "Unsere Mitarbeiterinnen sind immer für die Frauen da, wenn sie ein Problem haben. Sie sind die Säulen im Alltag, die Bezugspersonen. Man muss dann einfach darüber reden, was den Frauen fehlt", so Gundula Brunner.

Für Rosaline Forna sind all das Dinge, die sie lange vermisst hat: "Ich fühle mich hier zu Hause und nicht fremd, wie in den Unterkünften, in denen ich bisher gewohnt habe. Hier sind die Leute so warm." Auch ihre Mitbewohnerin Liza Obote (Name geändert) aus Uganda fühlt sich im Haus wohl: "Hier ist es ruhig, sauber und friedlich." Sie sagt, sie habe Glück gehabt, weil eine Organisation sie aus einer Dependance der Bayernkaserne zur Imma gebracht hat. Und Forna fügt hinzu: "Ich bete dafür, dass noch mehr Frauen so ein Zuhause wie wir bekommen."

Doch Rosaline Forna und Liza Obote wissen auch, dass es wohl nur ein Zuhause auf Zeit ist. Die Imma hat das Gebäude zunächst für ein Jahr mietfrei von der Stadt zur Verfügung gestellt bekommen, danach soll es saniert und anderweitig verwendet werden. Stephanie Knott hofft, dass sich das aufschieben lässt, "aber unsere Situation ist trotzdem angespannt". Zwar werden sie und ihre Kolleginnen von der Imma bezahlt und die Flüchtlinge bekommen ein wenig Geld vom Freistaat. "Wir sind aber auf Spenden angewiesen, um zum Beispiel Schulmaterial für die Kinder oder Medikamente zu bezahlen, die uns das Sozialbürgerhaus nicht bezahlt. Alles, was im Haushalt angeschafft werden muss, finanzieren wir aus Spenden", erzählt Stephanie Knott. Da reicht es auch nicht, dass die Münchner Tafel ein Mal die Woche Lebensmittel vorbeibringt oder die Kleiderkammer mit Sachspenden gut gefüllt ist. "Wir wollen den Frauen auch in über einem Jahr noch ein Zuhause geben und auf die Regierung von Oberbayern zugehen, damit es in Zukunft noch weitere solcher Wohnprojekte gibt", erklärt Stephanie Knott.

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