Lehel:Hilfe auf der Straße

Lehel: Bereit zum Einsatz: Maximilian Kiefer und Birgit Treml vor ihrem Streetwork-Bus.

Bereit zum Einsatz: Maximilian Kiefer und Birgit Treml vor ihrem Streetwork-Bus.

(Foto: Robert Haas)

Wenn junge Menschen nicht mehr weiterwissen: Die Streetworker von ConAction, die im Lehel ihr Büro haben, bieten seit 20 Jahren Unterstützung und Beratung in schwierigen Lebenssituationen

Von Jana Heigl, Lehel

Wenige hundert Meter vom Chic der Maximilianstraße entfernt hängt ein kleines, weißes Schild an der Fassade des Hauses an der Stollbergstraße 1 - ganz unscheinbar wirkt es. Ist man hier wirklich richtig? Die Bescheidenheit, von der dieses Schild zeugt, passt nicht zum Prunk und Protz, dem man gerade entflohen ist. Doch das soll es auch nicht, denn "ConAction" - so heißt die Einrichtung, die sich hinter dem Schild verbirgt - lebt von seiner Bescheidenheit.

In diese Unaufdringlichkeit flüchten sich seit 20 Jahren Jugendliche und junge Erwachsene. Alleine im vergangenen Jahr waren es 128. Viele von ihnen hatten keine feste Wohnung und schliefen bei Freunden und Bekannten auf dem Sofa, andere verbrachten ihre Nächte sogar auf der Straße. Alle hatten sie eines gemeinsam: Sie wussten nicht mehr weiter.

"ConAction" ist eine Einrichtung des Trägers für soziale Hilfsangebote "Condrobs". Der Erstkontakt zwischen den Sozialpädagogen und den jungen Menschen erfolgt meist beim Streetwork an unterschiedlichen Szene-Plätzen in der Münchner Innenstadt. Deshalb auch die Nähe zur Maximilianstraße - die Streetworker sind auf die zentrale Lage angewiesen, um die jungen Leute zu erreichen. Ist der Kontakt einmal aufgebaut, dürfen die Jugendlichen selbst entscheiden, wie es weitergeht. "Wenn jemand keinen Bock hat, dann wird er auch nicht gezwungen", sagt Kay Mayer, der Leiter von "ConAction". Freiwilligkeit wird hier groß geschrieben. Aus gutem Grund. Die Jugendlichen werden, zum Beispiel vom Jugendamt, oft zur Beratung gezwungen und schätzen daher die Freiheit und das Vertrauen, das ihnen die Streetworker entgegenbringen.

Das Ziel der Arbeit ist schnelle, unbürokratische Hilfe. Mit dieser "Niedrigschwelligkeit" erreicht man Jugendliche und junge Erwachsene bis 27 Jahre, die ansonsten kaum mehr Kontakte haben. "ConAction" vermittelt und begleitet die jungen Menschen zum Amt. Die Streetworker haben auch gute Kontakte zu sozialen Einrichtungen, in denen die Jugendlichen eine Bleibe und langfristige Unterstützung finden können. Die Aufgabe ist in der Regel nicht die Betreuung über mehrere Jahre hinweg - auch wenn die Streetworker befürworten würden, Streetwork mit Bett anzubieten, um den Jugendlichen kurzfristig einen Schlafplatz zu bieten. Diese Distanz zu Wohneinrichtungen befreit sie jedoch von den negativen Erfahrungen, die junge Männer und Frauen oft dort machen, mit vielen Regeln und wenig Freiraum. "Die Jugendlichen, die aus Einrichtungen abgängig sind und nach denen die Polizei bereits sucht, haben sich zunächst an uns gewandt", sagt Birgit Treml, die "ConAction" für "Condrobs" betreut. "Bei uns haben sie nicht die Angst, dass sofort eine Maschinerie angeschmissen wird und sie zurück in die Einrichtung müssen." Das Team kann dann oft das nötige Vertrauen wieder aufbauen und die nächsten Schritte mit ihnen zusammen gehen. "Wir haben es eigentlich in allen Fällen geschafft, wieder Kontakt zum Jugendamt zu knüpfen."

Als Mitte der Neunzigerjahre auffallend viele Mädchen harte Drogen im öffentlichen Raum konsumierten, gründete sich eine Initiative, die ihnen helfen wollte: die Geburtsstunde von "ConAction". Die Idee war es, einen Schutzraum für Frauen herzustellen, in dem sie sich sicher fühlen können. Der wurde in dieser Form nicht nachgefragt. "Oft waren junge Frauen mit Partnern oder auch in Gruppen mit männlichen Jugendlichen unterwegs, deshalb haben wir die Betreuung dann auch für junge Männer geöffnet", sagt Treml. Von da an war die Nachfrage für ihr Beratungsangebot da.

2012 haben sie ihr Streetwork auch nachts auf die Partymeile an der Sonnenstraße ausgeweitet. Dort versuchen sie vor allem mit Gewalt- und Alkoholprävention, für ein möglichst risikoarmes Feiern zu sorgen. Seit 2013 sind die Sozialpädagogen auch auf der Wiesn vertreten. Mit ihrem Projekt "Wiesn-Gentleman" versuchen sie, bei jungen Männern ein Bewusstsein für Grenzüberschreitungen und sexuelle Übergriffe zu schaffen. "Wir versuchen, die Männer darin zu bestärken, sich wie Gentlemen zu verhalten und sich dafür auch in ihrem unmittelbaren Umfeld einzusetzen", sagt Treml. Dadurch schaffe man eine andere Haltung und beuge Gewalt, Nötigung und Übergriffen vor. Momentan finanziert "ConAction" die Aktion selbst und ist auf Spenden angewiesen.

Maximilian Kiefer ist seit neun Monaten als Streetworker bei "ConAction" tätig. An seiner Arbeit schätzt er vor allem den ganzheitlichen Ansatz, bei dem mehrere Probleme gleichzeitig angepackt werden können. Er freut sich über die positive Rückmeldung, die ihm ehemalige "Klienten" geben, wenn er sie wieder auf der Straße trifft. "Die sagen dann schon, ihr habt gute Arbeit gemacht, und so wie ich jetzt lebe, finde ich's gut. Da kommt sehr viel Wertschätzung zurück."

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