Lehel:"Die Geschichte des Kaugummis ist auch die Geschichte der Emanzipation"

Burka gum

Nicht nur die Kinder kauen, sondern auch die Frauen lupfen mal ihre Burka, um einer großen Bubble-Gum-Blase Raum zu verschaffen.

(Foto: oh)

In aller Munde: Vera Wieschermann zeigt im Museum Fünf Kontinente das Ergebnis intensiver Studien über die klebrigen Batzen

Interview von Nicole Graner, Lehel

Die klebige Masse hat es Vera Wieschermann angetan. Die Geschichte, die hinter dem Kaugummi steckt, und was der Streifen, das kleine Rechteck, die Kugel in Kunst und Gesellschaft bewirkt haben. Zwei Jahre beschäftigte sich die 54-jähriger Tour- und Kulturmanagerin mit Kauware aller Art und dokumentiert ihre Erfahrungen nun in einer sehr speziellen Ausstellung im Museum Fünf Kontinente, Maximilianstraße 42. (Vernissage: an diesem Freitag, 19 Uhr). Ein Gespräch über Sugarfree, Nasa-Gums, Küsse und Kunst.

SZ: Kauen Sie Kaugummi?

Vera Wieschermann: Nein.

Aber warum nicht?

Mich turnt das nicht an.

Aber wie kamen Sie dann dazu, sich mit Hubba Bubba und anderem Blasen werfenden Bubblegum zu beschäftigen?

Naja, es gibt einen Auslöser. Ich war einmal in Katar auf einer Burka-Messe. Da kamen verschleierte Damen, lupften plötzlich ihren Schleier, und es kam eine große Kaugummi-Blase zum Vorschein. Da war mir klar: Jetzt musst du etwas machen über die Geschichte des Kaugummis. Auch habe ich die Regale im Supermarkt immer gut beobachtet. Die Welt wird immer gesünder und cleaner. Das macht auch vor dem Kaugummi nicht Halt. Sugarfree, guter Atem, weiße Zähne - mittlerweile sehen viele Verpackungen wie Pillendöschen aus. Die Geschichte des Kaugummis zeigt den Wandel der Gesellschaft auf.

Was ist der Kaugummi . . .?

Teil des universellen Seins. Anpassung und Anarchie.

Und Männersache?

Oh, nein. Die Geschichte des Kaugummis ist auch die Geschichte der Emanzipation.

Aber mögen Männer Frauen, die Kaugummi kauen?

Nein, sie finden das furchtbar. Eine Umfrage, die ich gemacht habe, bestätigt das. Und warum die Menschen gerne kauen? Die Antwort: Es erinnert sie an das Küssen.

Kauen etwa Eingeborene im Dschungel auch auf Bubblegum herum?

Nein, eher nicht. Wo der Europäer und der Amerikaner aufgetaucht ist und Touristen - an dieser Bewegung kann man auch ablesen, wo gekaut wird. Seit 1939 rüsten die Amerikaner ihre Soldaten mit Kaugummi aus. Und es gibt Nasa-Kaugummi für Astronauten.

Bei den Eskimos?

Auch bei den Eskimos.

Der Kaugummi in der Werbung spiegelt die Entwicklung in der Gesellschaft sicher auch wieder?

Natürlich. Es gibt herrliche Werbungen. Zum Beispiel aus Indien: Da läuft ein Guru auf seine Öllampe zu, wirft einen Kaugummi hinein und wird erleuchtet. In Italien werben Mafiosi für den Gum. Ach, ja. Zwei Männer in Freiburg sammeln Kaugummis.

Gekaute oder ungekaute?

Ungekaute. Sie haben 2800 verschiedene Sorten.

Was zeigen Sie in ihrer Gummy-Schau? Ihrem ethnologischen Salon?

Filme, Fotos, Installationen. Ich dokumentiere die Geschichte eines Chamäleons.

Apropos Installationen. Kaugummi ist ein gutes Kunst-Material. . .

Er ist gut und aus der Contemporary Art nicht mehr wegzudenken. In Italien macht ein Künstler aus zigtausend Kaugummis Skulpturen. Die kosten dann 40 000 Euro. Und auf der Biennale in Venedig war Kaugummi-Kunst zu sehen.

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